Call of Duty: Modern Warfare 2 im Test: Ein würdiger Nachfolger
Vorwort
Vor gut zwei Jahren setzte Infinity Ward mit „Call of Duty 4 – Modern Warfare“ (ComputerBase Test) neue Genre-Standards und veröffentlichte einen echten Top-Seller, der ein breites Publikum fand und in den meisten Reviews mit extrem guten Bewertungen punkten konnte. Kein Wunder also, dass die Veröffentlichung des Nachfolgetitels schon mehrere Monate vorab riesige Wellen schlug. Die zwei markantesten Aspekte, aufgrund derer die Stimmung hoch kochte, bezogen sich dabei einmal auf die technische Ausgestaltung des Mehrspielermodus und zum anderen auf das sogenannte „Flughafenmassaker“, bei dem der Spieler als Undercover-Agent an einem Terror-Anschlag beteiligt ist.
Auf beide Punkte soll im Rahmen dieses Tests eingegangen werden. Außerdem gilt es abseits der gewohnten Betrachtung auch zu klären, ob „Call of Duty – Modern Warfare 2“ (MW 2) in die großen Fußstapfen des Vorgängers zu treten vermag.
Inhaltliches
Plot
Die Handlung von MW 2 knüpft merklich an die des gefeierten Vorgängers an. Wieder versinkt die Welt im Chaos, wieder spielt vor allem die sogenannte asymmetrische Kriegsführung eine wichtige Rolle und wieder liegt der Fokus auf einem umtriebigen, skrupellosen russischen Top-Terroristen. Neu und allerdings eher konventionell ist, dass nun auch ein offener Krieg zwischen den Großmächten USA und Russland inklusive groß angelegter Invasion, Atomschlag und Konter-Offensive Einzug gehalten hat.
Dennoch bleibt die Geschichte alles in allem interessant und in Verbindung mit einer gewohnt vorzüglichen Inszenierung der maßgebliche atmosphärische Treiber des Spiels. Dabei kommt erneut eine perspektivische Aufteilung zum Einsatz, die sich personell auf wechselnde Charaktere stützt. Inhaltlich werden diese grob in zwei Handlungsstränge eingeteilt: Während man als US-Marine vornehmlich mit der Verteidigung der Heimat betraut ist, stürzt man sich als Mitglied einer Spezialeinheit in allerlei völkerrechtlich halblegale Undercover-Missionen, die das Standard-Kriegssetting deutlich aufbrechen und für inhaltliche Vielfalt sorgen.
Dieser zweigeteilte Hintergrund von konventionellem Krieg auf der einen und asymmetrischer Auseinandersetzung auf der anderen Seite findet auch ganz konkreten Eingang in das spielerische Erlebnis. So muss man als Marine in ehemals malerische (oder kitschige?), vom Krieg in Mitleidenschaft gezogene amerikanische Vorstädte einrücken, um den zu Tausenden aus Flugzeugen abspringenden russischen Fallschirmjägern Einhalt zu gebieten; später muss gar Washington D.C. evakuiert werden, gespenstische Stille nach einem knapp vereitelten atomaren Super-GAU inklusive. Auf der anderen Seite erstürmt man als Elitesoldat in aller Herren Länder allerlei Verstecke des Bösen, stets auf der Jagd nach der ominösen russischen Ausgabe von Osama Bin Laden.
Zusammenfassend gilt wie schon beim Vorgänger, dass der Plot mit Sicherheit kein Meisterwerk darstellt. Dazu ist er an mancher Stelle schlicht zu plump. Wer also auf eine tiefsinnige, vielleicht moralisch sensible Handlung hofft, sei vor MW 2 gewarnt. Dafür liefert Infinity Ward abermals eine in sich schlüssige Geschichte, die in ihrer Ausgestaltung insgesamt an einen guten Tom Clancy Schinken erinnert. Dazu gehört auch, dass die anfänglich so klar definierten Fraktionen von „gut“ und „böse“ im Verlauf des Spiels immer weiter verschwimmen, sodass der Wahnsinn des Krieges glaubwürdig eingefangen wird – eine Qualität, die einen Firstperson-Shooter durchaus auszeichnet.
Missiondesign ("Flughafenmassaker")
Auch bei den Missionen knüpft MW 2 an Altbekanntes an. Ein klares Beispiel hierfür ist im weiterhin vorhandenen schlauchartigen Charakter der Levels zu finden. Dies bedeutet, dass man nach wie vor an Punkt A einer Karte startet und sich nach Punkt B durchkämpfen muss, freilich ohne dass es großartige alternative Wege zum Ziel geben würde. Stattdessen wird der Spieler mit einer nicht enden wollenden Flut von Gegnern konfrontiert, die einem selbst im Standard-Schwierigkeitsgrad durch solide auslösende Scripte durchaus das Leben schwer machen kann und aufgrund der schieren Masse fast schon eine Art „Moorhuhn Deluxe“ entstehen lässt. „Open World“ oder taktische Planung hat „Modern Warfare 2“ also nicht zu bieten; dafür aber zünftige Action, die im Zusammenspiel mit gut konzipierten Karten, wechselnden Umgebungen (von den Favelas Rios über die russische Pazifikküste bis in die Metropole Washington D.C.) und einer guten Präsentation für eine packende Atmosphäre sorgen.
Dabei ist das soeben erwähnte neue Kartenmaterial im Besonderen zu erwähnen, denn hieraus wurden ansehnliche neue Missionen gestrickt. Herausragend sind hierbei – ohne zu viel zu verraten – die Kämpfe in einem Elendsviertel von Rio de Janeiro und der epische Sturm auf ein russisches Gulag – Wiedertreffen eines alten Bekannten inklusive.
Im Zusammenhang mit dem Missionsdesign soll an dieser Stelle auch kurz auf das zurecht kontrovers diskutierte sogenannte „Flughafenmassaker“ eingegangen werden, bei dem der Spieler dem Massenmord in Form eines Amoklaufs russischer Terroristen an einem großen Flughafen beiwohnt. In der internationalen Version kann der Spieler bei dieser Mission kräftig mitmorden; in der deutschen endet die Mission dagegen automatisch, wenn der Undercover-Agent versuchen sollte, seine Aufgabe als Teil der Terror-Gruppe zu erfüllen. Hier offenbart sich ein inhaltliches Dilemma, denn eigentlich wäre es nur konsequent, den Spieler zu involvieren – oder wie lässt sich ein Terrorist erklären, der zwar mit läuft, aber erst anfängt zu schießen, als das Sonderkommando der Polizei eintrifft?
Hier muss allerdings scharf beobachtet werden, um die relevante Diskussionsebene zu fixieren. Denn eigentlich geht es nicht darum, auf welche Art die Mission inhaltlich schlüssig ist, sondern viel grundlegender darum, ob sie – zumindest in der Form – überhaupt notwendig ist. So erscheint die drastische Darstellung von blinder Gewalt nicht nur mit Blick auf die andauernden Diskussionen und Geschehnisse unsensibel, sondern auch als ein ohne weiteres vermeidbarer Aspekt in der Erzählung. Statt das Massaker in aller Ausführlichkeit zu präsentieren, hätte auch eine dezente Videosequenz genügt, um das dann folgende storytechnisch zu legitimieren. Immerhin bietet das Spiel die nicht unbedingt elegante aber sinnvolle Möglichkeit, die Mission zu überspringen.
Wenn dem so ist, so stellt sich natürlich die Frage, aus welchem Grund die Verantwortlichen einen anderen Weg wählten. Betrachtet man den Verlauf der Berichterstattung, so ist ein möglicher Grund schnell gefunden. Denn während der gleich noch zu behandelnde Wechsel von konventionellen Multiplayer-Systemen hin zu IWNet für teilweise verheerende Reaktionen gesorgt hat, schuf die Existenz des „Flughafenmassakers“ eine kräftige mediale Lawine, die über Tage und Wochen anhielt und das Spiel mit Sicherheit für bestimmte Spielertypen besonders attraktiv gemacht hat.
Die inhaltlich fragwürdige Integration ist also wahrscheinlich dem erhofften „media buzz“ und somit eher der PR- als der Plot-Strategie zuzuschreiben; eine Aufwertung bedeutet sie aber keinesfalls und hinterlässt stattdessen einen faden Beigeschmack.