Dragon Age Origins (PC) im Test: Mit beiden Füßen auf dem Boden
4/4Fazit
Auch in diesem Jahr finden wieder zahlreiche Spiele aus verschiedenen Genres den Weg auf unser Testsystem. Selten konnte dabei ein Titel derart überzeugen wie „Dragon Age Origins“. Aus der Ferne betrachtet liegt dies daran, dass BioWare ein insgesamt rundes Produkt präsentiert, das im Vergleich zu vielen Mitbewerbern endlich einen großen Anspruch erfüllt: In DAO wird der Spieler in eine riesige, packende, vielschichtige und authentische Welt entlassen, deren Konzeption, Zusammenhänge und Eigenheiten sich im Verlauf der Handlung Stück für Stück erschließen und so für stetige Neugierde sorgen.
Geht man einen Schritt näher, so lässt sich erkennen, dass das eben beschriebene Gefühl durch eine Vielzahl von Komponenten entsteht. Ein wichtiger Aspekt ist dabei natürlich die vorzügliche Handlung, die einen ausgewogenen (nicht absurden) Fantasy-Mix, eine komplexe, gut präsentierte Mission samt unvorhersehbaren Geschehnissen und ein zumindest ausreichendes Rahmenprogramm bietet. Weiter verstärkt wird der positive Eindruck durch das gelungene Questsystem, wobei konservative Rollenspieler die in nicht allzu großer Vielfalt vorkommenden Nebenquests bedauern könnten.
Auch das Party- und Kampfsystem gehören zu den erwähnten Komponenten, die das positive Bild von DAO entstehen lassen. Ersteres überzeugt mit hervorragend integrierten Charakteren, tollen Dialogen und einer Handhabung, die auch die erwähnten konservativen Rollenspieler erfreuen dürfte. Letzteres wurde im Vergleich zu den großen Vorgängern nur leicht angepasst, bietet aber immer noch exakt die Funktionalität, die man für flüssige, spannende Kämpfe benötigt.
Zuletzt setzt auch die technische Umsetzung in den positiven Reigen ein. Wer Bugs sucht, wird in DAO – von dem einen oder anderen Clippingfehler abgesehen – nicht fündig werden; eine Qualität, die heutzutage längst nicht dem Standard entspricht. Hinzu kommt eine angemessene Grafik, die sich auf Höhe der Zeit bewegt, dabei aber keine neuen Rekorde setzt sowie die wahrscheinlich beste Sound- und Sprachumsetzung, die uns in diesem Jahr (bisher) untergekommen ist.
Führt man sich nun einzig die positiven Adjektive vor Augen, die in diesem Fazit verwendet wurden, so bleibt nur eine Empfehlung übrig: Computerspieler sollten „Dragon Age Origins“ kaufen.
Persönliches Fazit von Andreas Frischholz:
„Dragon Age Origins“ macht Hoffnung, insbesondere in Zeiten, in denen die breite Diskussion von einem Modern Warfare 2 bestimmt ist, das zwar mit einer aufwändigen Inszenierung dem Blockbuster-Anspruch gerecht wird, aber im Bereich Story blass bleibt. Obendrein haben sich die Entwickler zur einer Massaker-Mission hinreißen lassen, die Kritikern von Videospielen viel Wasser in die Mühlen spült und leider das Klischee dumpfer Anspruchslosigkeit bestätigt. Es mag Zufall sein, dass gerade jetzt ein Spiel erscheint, das zeigt, zu welchen dramaturgischen Leistungen Videospiele in der Lage sind.
DAO erzählt eine komplexe und wendungsreiche Geschichte, zeichnet grandiose Charaktere und lässt einen auf diese Art tief in die Welt eintauchen. Eine Welt, die über die üblichen schwarz-weiß-Muster hinaus geht, stattdessen handeln Figuren mit nachvollziehbaren Motiven. Es existiert weder ein glanzvolles Gut noch ein abgrundtiefes Böse, die meisten Figuren bewegen sich in einem eher zum Dunkelgrau tendierenden Bereich, was bisweilen daraus hervorgeht, dass die Handlungsmöglichkeiten irgendwo zwischen weniger schlecht und ganz schlecht liegen. Dieses Handlungsspektrum prägen auch die eigenen Entscheidungen, insbesondere wenn man sich zusätzlich mit den widersprüchlichen Ansichten der Begleiter auseinandersetzen muss. Somit hat jede meiner Entscheidungen Folgen, Gesinnungswahl und Handlungsalternativen verkommen nicht zum Selbstzweck. All‘ das sorgt für eine starke emotionale Bindung, die ein schlicht fesselndes Spielerlebnis zur Folge hat.
Natürlich kennt man Entsprechendes von BioWare, der Entwickler hat seit jeher mit erzählerischer Stärke gepunktet. Mit dem neuesten Werk bewegt man sich jedoch wieder auf die Fantasy-Pfade, auf denen man vor Jahren mit den Baldurs-Gate-Titeln Glanzlichter setzte. Man knüpft daran an und hebt das Bekannte auf eine neue Stufe, was vor allem mit der von Bioware selbst geschaffenen Welt zusammenhängen mag. Die Entwickler wollten keine glänzende Umgebung schaffen, sondern legten den Fokus auf „Dark-Fantasy“ – eine düstere Welt, die den Erwartungen gerecht wird. Sicher, BioWare geizt nicht mit Blut, aber die dargestellte Gewalt verkommt nicht zum Selbstzweck ein, sondern wirkt bei diesem Spiel als Multiplikator einer düsteren Geschichte.
Selbstverständlich ist der Titel nicht ohne Mangel oder etwas für Jedermann. Die vielen Gespräche erfordern Geduld, zudem muss man sich auf die Welt einlassen – für die kurze Runde in der Mittagspause taugt das Spiel sicherlich nicht. Liegt der eigene Geschmack eher auf einer frei erkundbaren Welt, ist man wohl bei Risen besser aufgehoben, für kurzweiligen Hack’n’Slay-Spaß empfiehlt sich aktuell das charmante Torchlight. Wer aber bereit ist, sich auf „Dragon Age Origins“ einzulassen, wird mit einem grandiosen Werk der Spielegeschichte belohnt. Für die Zukunft wünsche ich mir mehr davon, auch von anderen Entwicklern, in anderen Genres, in anderen Szenarien. Die für mich selbst überraschend intensive Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich hanebüchene Geschichten mit platten Charakteren Leid bin. Ich will mehr Emotionen in Spielen, die mich berühren, aber subtil präsentiert werden und einem die Inhalte nicht mit dem Vorschlaghammer vor den Schädel knallen.
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