Facebook sammelt auch über Nichtmitglieder Daten
Facebook weiß viel über die eigenen Nutzer und beinahe ebenso viel über jene, die es nicht sind und vielleicht auch nicht sein wollen. Zu diesem Schluss kann man nicht erst seit kurzem kommen, es wird allerdings immer offensichtlicher. Die Datensammelwut des größten Sozialen Netzwerks ist jedenfalls riesig.
Facebook ist eben jenes Netzwerk, das mit weltweit 350 Millionen Mitgliedern (nach eigenen Angaben) das größte der Welt ist. Es scheint aber auch jenes zu sein, das am ehesten mit Datenschützern in Konflikt gerät. Neben der Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung im letzten Sommer, gemäß derer auf bestimmte Geschäftsbedingungen und Datenschutzbestimmungen verzichtet werden muss, wurde auch das hauseigene „Beacon“-Werbesystem erst im vergangenen Jahr abgeschaltet. Hierbei handelte es sich um eine Werbeform, bei der Nutzern des Netzwerks mitgeteilt wurde, wenn ihre Freunde bei Werbepartnern von Facebook einkauften. Nach mehrmaligem Ändern der AGB scheint auch heute der Kopf hinter Facebook, Mark Zuckerberg, nicht an einen sensiblen Umgang mit Daten zu denken. Datenschutz, so Zuckerberg, sei nicht zeitgemäß. Als Mitglied muss man sich dessen wohl bewusst sein.
Bedenklich ist allerdings der Umgang mit Daten von Personen, die gar nicht bei Facebook registriert sind. Bereits die Online-Variante von Facebook bietet allen Mitgliedern die Möglichkeit, ihr E-Mail-Konto nach Kontakten durchsuchen zu lassen. Während bereits die Preisgabe der Kontoinformationen inklusive Passwort ein nicht unerheblicher Vorgang ist, speichert Facebook die gefundenen Informationen auch ab. Dies geschieht zum einen, um dem beschriebenen Zweck nachzukommen. Bereits registrierte Mitglieder werden als potenzielle Freunde vorgeschlagen. E-Mail-Kontakte, die noch nicht bei Facebook angemeldet sind, werden aber ebenso erfasst. Gleiches gilt für die mobilen Applikationen für Smartphones, allen voran für die wohl erfolgreichste von ihnen – der iPhone-App. Mit ihr lässt sich das Telefonbuch nach Kontakten durchforsten. Auch hier sammelt Facebook Daten über bekannte und unbekannte Nutzer.
Diese Daten werden etwa dafür genutzt, das Soziale Netzwerk stärker zu personalisieren. Während dies Nichtmitglieder primär nicht betreffen sollte, wird immer deutlicher, dass es sie eben doch betrifft. So erhalten diese etwa Einladungen zum Sozialen Netzwerk mit einer Vorschlagliste von bereits bei Facebook registrierten Personen. Die Crux dabei ist, dass die einladende Person die vorgeschlagenen Freunde nicht einmal kennen muss. Facebook sucht anhand der gesammelten Informationen über den Noch-Nicht-Nutzer selbstständig nach Verbindungen zu registrierten Mitgliedern. Dies ist etwa anhand des Wohnortes, Arbeitsplatzes oder Arbeitgebers möglich. Zumindest die eigene E-Mail-Adresse ist in solchen Fällen bekannt. Wer sich also durch Abstinenz vor den Schattenseiten sozialer Netzwerke wie Facebook schützen will, läuft Gefahr, die über ihn preisgegebenen Informationen nicht eindämmen zu können.
Doch wozu sammelt Facebook überhaupt diese Informationen? „Wenn Nutzer Kontakte hochladen und Einladungen verschicken, möchten sie informiert werden, wenn ihre Freunde sich auch registrieren." [...] Die E-Mail-Adressen werden benötigt, um den Nutzern dies zu ermöglichen“, so Facebook. Tatsächlich steckt dahinter der Versuch, möglichst viel über jeden (potenziellen) Nutzer in Erfahrung zu bringen, um optimierte personalisierte Werbung zu schalten. „Durch das Einsammeln von Kontakten wird versucht, eine Netzidentität hundertprozentig abzubilden“, so Hendrik Speck von der Fachhochschule Kaiserslautern gegenüber dem Handelsblatt. Auf diese Weise lassen sich ehemals auf getrennte Online-Plattformen verteilte Daten zusammenführen, um aus einem nur teilweise bekannten Nutzer einen vollständig erschlossenen Konsumenten zu machen. „Für die Sozialen Netzwerke ist es spannend, all diese Teilidentitäten zu aggregieren. Was früher in getrennten Datensilos war, wird jetzt zusammengezogen“, so Speck weiter.
Facebook hat dabei bereits vor längerer Zeit die personalisierte Online-Werbung für sich entdeckt. Statt auf großflächige Bannerwerbung zu setzen, deren Markt starr und gesättigt ist, wurde in Form des „Beacon“-Systems die direkte Nutzer-zu-Nutzer-Empfehlung erschlossen. Auch wenn „Beacon“ heute Geschichte ist, halten Facebook-Nutzer heute noch als Werbeträger her. Wird man etwa Fan einer Firma, Marke oder eines Produkts, so wird dies Freunden angezeigt – ein Link auf die Produktseite, nicht etwa das Profil des Fan-Freundes, inklusive. Auch Facebook-Spiele können einen bedeutenden Teil dieser Werbeform ausmachen. Wer meint, von einem Freund zu einer Challenge eingeladen zu werden, kann schnell vor einem kostenpflichtigen Abonnement stehen.
Datenschützer verlangen daher ein neues Datenschutzmodell, dies allerdings bereits seit Jahren. „Ob es dazu zeitnah kommt, ist ungewiss. Es besteht die Gefahr, dass die Systemträgheit wesentlich größer ist als die Zeit, die wir für Entscheidungen haben, um die gesellschaft-technische Entwicklung nach den Grundsätzen einer demokratischen Gesellschaft zu gestalten“, so Speck. Es bleibt also an den Nutzern hängen, nicht alle persönlichen Informationen über sich und andere zu veröffentlichen.