R.U.S.E. im Test: Frischer Wind im Echtzeit-Genre

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Sasan Abdi
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Auf einen Blick

Die Vorzeichen für „R.U.S.E.“ stehen auf den ersten Blick ziemlich schlecht: Abermals wird das über die Genre-Grenzen hinweg ausgelutschte Szenario des 2. Weltkriegs gewählt, um spielerische Inhalte zu transportieren, und abermals scheint es notwendig zu sein, möglichst schnell möglichst überlegende Einheitenverbände aus der Erde zu stampfen, um die Gegner überrennen zu können.

Doch dieser erste Eindruck täuscht. Wer dem Titel eine Chance gibt, wird, es sei bereits an dieser Stelle erwähnt, mit einigen guten Ideen und einem insgesamt überraschend überzeugenden Spiel beliefert. Aber der Reihe nach.

So ausgelutscht, wie das grundlegende Szenario ausfällt, so mäßig spannend ist auch die Handlung von „R.U.S.E.“ gestrickt. Der Spieler begleitet den US-Soldaten Joe Sheridan, der sich über Schlachten in Nordafrika und Italien, den „D-Day“ in der Normandie bis hin zur Eroberung Deutschlands seine Sporen als Taktiker und schlussendlich auch als Jäger eines fiesen Doppelagenten verdient. Was zunächst recht solide klingt, fällt de facto aber ein wenig wendungsarm und nicht sonderlich unvorhersehbar aus: So wird der nicht einmal schlecht gezeichnete Antagonist, ein deutscher General namens Richter, von einem Agenten namens Prometheus mit allerlei geheimen Informationen versorgt, was den Vormarsch der Alliierten immer wieder ins Stocken geraten lässt – ob die umtriebige, Sheridan ab einem gewissen Zeitpunkt im Spiel umzirzende Blondine aus dem Pentagon wohl etwas damit zu tun hat?

Eine auffällig nette Blondine? Das kann nur schiefgehen.
Eine auffällig nette Blondine? Das kann nur schiefgehen.

Der austauschbare, nicht gerade peppige Plot ist allerdings verziehen, sobald es auf das Schlachtfeld geht. Hier lässt sich schnell erkennen, dass sich Ubisoft und die zuständige französische Spieleschmiede Eugen Systems („Act of War“) vom Genre-Allerlei lösen wollen, was in vielen Teilen auch gelingt.

Vorbildlich wie innovativ ist vor allem die Zoom-Funktion: Die „Iriszoom“ getaufte Engine erlaubt nicht nur die Darstellung von vergleichsweise großen Karten, sondern auch den erstaunlich flüssigen, stufenlosen Zoom vom heißen Treiben direkt auf dem Schlachtfeld bis hoch in eine taktisch sehr wertvolle Vogelperspektive, von der aus betrachtet die Einheiten passenderweise als unterschiedlich große bzw. hohe Pokerchips dargestellt werden.

„Passenderweise“ deswegen, weil „R.U.S.E.“ genau das ist: Nicht etwa ein klassisches Echtzeitstrategiespiel, bei dem der General ständig von schräg oben und unter Anwendung von maximalem Mikromangement ein einzelnes Schlachtfeld betreut, sondern ein auf eine ganze Frontlinie bezogenes taktisches Geplänkel mit Flankenverschiebungen, Vorstößen, Kontern und Hinterhalten, bei dem ähnlich wie beim Pokern bestimmte Einsätze über den Tisch geschoben werden, die sich je nach Positionierung nach dem „Stein-Schere-Papier“-Prinzip gegenseitig aufheben.

R.U.S.E. Übersichtskarte: Ähnlich wie beim Pokern
R.U.S.E. Übersichtskarte: Ähnlich wie beim Pokern

Dies klingt zunächst ein wenig trocken, sorgt beim Spielen aber tatsächlich für jede Menge Spannung. Plötzlich kommt es nicht mehr nur darauf an, möglichst schlagfertige Truppenteile sinnvoll zu positionieren, sondern mit Blick auf das besagte Prinzip einen ausgewogenen Einheitenmix zu produzieren und diesen sinnvoll für die jeweilige Mission einzusetzen.

Die Produktion und der Basenbau werden dabei bewusst kurz gehalten, sodass entsprechende Gebäude und Einheiten in kürzester Zeit auf der Karte erscheinen. Wesentlich wichtiger ist dann aber die Nutzung dieser Einheiten: Fußsoldaten dominieren im Wald und beim Häuserkampf selbst Panzer, während letztere auf offenem Feld nur von Panzerabwehreinheiten in Schach gehalten werden können. Bomber jagen dafür einer jeden unverdeckten Bodeneinheit Angst und Schrecken ein, sind aber extrem verletzlich, wenn sie auf mobile Flakstellungen oder Jäger treffen. Die richtige Positionierung und der richtige Zeitpunkt von Truppenbewegung werden so weitaus höher gewichtet als die pure numerische Dominanz.

Der klassische aber ziemlich hirnlose Panzer-Rush ist vor diesem Hintergrund somit von vornherein zum Scheitern verurteilt. Umso wichtiger ist ein ausgewogenes, umsichtiges Vorgehen inklusive einer entsprechenden Einheitenproduktion. Dazu ein Beispiel: Eine in einer kleinen französischen Stadt eingeschlossene Fallschirmjäger-Einheit soll in einer Nebenmission unterstützt werden. Wer nun einfach ein Dutzend Panzer durch die Straße im Wald schickt, um die Angriffslinie aufzubrechen, wird auf halber Strecke von zwischen den Bäumen versteckten Infanterieeinheiten aufgerieben: Papier schlägt Stein! Um erfolgreich zu sein, müssen zunächst die Wälder von einigen GI-Trupps durchkämmt werden; als nächstes können dann leichte Panzer folgen, um die Belagerung zu brechen. Wer sinnvollerweise seine Truppen schonen möchte, setzt ohnehin umfassend auf den Einsatz von Aufklärern, sodass Gefahren sicher umschifft bzw. ausgehebelt werden können.

Ein solches Vorgehen wird in „R.U.S.E.“ häufig in einem größeren Maßstab gefordert, was die Authentizität verstärkt und dem Spieler das Gefühl gibt, tatsächlich einen ganzen Frontabschnitt zu befehligen.

Verstärkt wird dies durch das sehr schlanke Interface und durch das gute Missionsdesign. Ersteres glänzt trotz der hohen taktischen Anforderungen mit einer weitgehend intuitiven und somit ziemlich simplen Führung, was nicht zuletzt daran liegt, dass der Basenbau und auch die Einheitenerstellung wie erwähnt höchst rudimentär ausfallen. Zwar liegt es in der Natur der Sache, dass das Missionsdesign inhaltlich grob mit den Anforderungen „Verteidigung“ und „Angriff“, also mit dem Halten einer Stellung oder der Eroberung eines Gebietes aufwartet; dafür bietet sich dabei eine inhaltliche Varianz, die zu keiner Zeit Langeweile aufkommen lässt. Dies liegt zum einen an den wie erwähnt quer durch alle europäischen Kriegsschauplätze wechselnden Umgebungen, wird aber auch durch viele Wendungen und Bonusmissionen bedingt, die in Teilen einige Hektik aufkommen lässt. Die einzige Kritik bezieht sich in dieser Hinsicht auf das Starttempo: Die ersten 5 bis 7 Missionen dürften auf dem (insgesamt empfehlenswerten) mittleren von drei Schwierigkeitsgraden selbst für durchschnittliche RTS-Spieler eher lahm ausfallen – dafür nehmen die Anforderungen danach steil zu, was die Wahl der richtigen Stufe nicht gerade leicht macht.