Patrizier 4 im Test: Die Wirtschaftssimulation für Ausgewählte
2/3Patrizier 4 auf einen Blick
Wer die Vorgänger kennt, wird sich in „Patrizier 4“ schnell zurecht finden, denn an den grundlegenden Prinzipien hat sich nichts geändert. Zu Beginn heißt es deswegen sowohl in der dünnen Einzelspieler-Kampagne als auch im inhaltlich weitgehend identischen freien Spiel: Clever ein- und clever verkaufen.
Nach wie vor bedarf es dazu einer kleinen Recherche, schließlich bieten die vielen Städte im Hanse-Raum und darüber hinaus unterschiedlichste Waren zu höchst unterschiedlichen Preisen an. Während beispielsweise Felle im fernen Nowgorod wie schon in den 2D-Vorgängern vergleichsweise günstig zu haben sind, kauft man Korn oder Bier am besten im westlichen Ostsee-Raum. Erleichtert wird der Rausch aus Kaufen und Verkaufen durch einige Konstante. So gilt zum Beispiel, dass sich Salz aus Lübeck im dänischen Aarlborg immer gut verkauft, da hiermit das vor Ort produzierte Fleisch gepökelt wird. Noch praktikabler ist, dass sich dieses Fleisch wiederum hervorragend in Lübeck verkaufen lässt – eine erste Ressourcen-Route aus dem grundsoliden Warenkreislauf von „Patrizier 4“ ist also schnell entdeckt.
Wem die Suche nach diesen Verbindungen auf Dauer zu langatmig ist, der kann nun einfach auf eine Automatik zurückgreifen (hier findet sich zugleich eine der wenigen Neuerungen). Mit dieser müssen dem Kapitän des jeweiligen Schiffes nur ein paar Städte genannt werden – den An- und Verkauf übernimmt dann überraschend verlässlich die künstliche Intelligenz.
Was manch einer eine billige Verkürzung der Anforderungen nennen mag, kann auch als sinnvoll Abgabe einer auf Dauer mäßig spannenden Aufgabe verstanden werden und passt ins Konzept der Entwickler, dem anzumerken ist, dass die Einsteigerfreundlichkeit einen der wichtigen Aspekte in Patrizier 4 darstellt. Da echte Pfeffersäcke in jedem Fall der ersten der beiden Interpretationen den Vorzug geben dürften, kann auf die Funktion selbstredend auch verzichtet werden, sodass man die Inhalte der Handelsrouten weiterhin komplett selber festlegen kann.
Das eigentlich Ziel des Spiels, der Aufstieg vom Krämer zum Edelmann, verläuft ohnehin größtenteils fernab der Seewege. Auch wenn letztere die essentiellen Wege zum Handeln darstellen, wird man erst dann so richtig erfolgreich, wenn man die zu handelnden Rohstoffe in der jeweils idealen Umgebung selber herstellt. Um mit Fellen aus Nowgorod richtig Zaster zu machen, braucht man also idealerweise eine eigene Produktionsstätte vor Ort, die die begehrte Ware zu geringen Kosten in den lokalen Kontor liefert, von wo aus man sie in alle Welt verschiffen kann. Auch hier ist angenehm: Mit einem Verwalter im Kontor ist dafür gesorgt, dass die für die jeweilige Produktion notwendigen Rohstoffe automatisch angekauft werden. Bei Bedarf kann zudem auch gleich automatisch verkauft werden, wodurch man komfortable Überschüsse loswerden kann.
Ist auf diesem oder ähnlichem Wege erst einmal der erste Reichtum gesichert, warten schnell größere Aufgabe. Das ganz große Geld scheffelt man nämlich im Mittelmeerraum, wohin man, das nötige Kleingeld und Ansehen vorausgesetzt, Expeditionen entsenden kann, die mit ebenso vorzüglichen wie exotischen Rohstoffen dafür sorgen, dass das Geschäft noch stärker floriert. Genauso einträglich, aufgrund einer starken Vereinfachung des Kampfsystemes aber auch ziemlich eintönig, ist das Dasein als Pirat. Eintönig deshalb, weil es zwei gleichfalls schlechte Wege gibt, Seekämpfe auszutragen: Der automatische führt häufig zu unglaubwürdigen Ergebnissen, bei denen eine eigentlich deutlich unterlegene Flotte triumphiert; der manuelle stellt aufs Schärfste die Geduld des Spielers auf die Probe, ohne ihm dabei allzu viele Möglichkeiten zum Eingreifen zu bieten. Dies gilt natürlich auch für den Fall, dass der Spieler Opfer eines KI-Piraten wird.
Wem auch die Expansion nach Übersee gelungen ist, der engagiert sich noch stärker in der umtriebigen Lokalpolitik, baut sein Ansehen, mit dem letzten Endes alle Aktivitäten stehen und fallen, aus und lässt sich eventuell sogar zum Bürgermeister wählen. Als solcher verfügt man über manche städtischen Bauoptionen und kann sowohl die Interessen der eigenen Stadt als auch die eigenen Ziele effektiver verfolgen.
Grafisch bewegt sich der Titel dabei überwiegend am unteren Ende von dem, was man heute „zeitgemäß“ nennen mag. Zwar sorgen die neuen Wettereffekte zu Beginn für kleine Euphorieschübe, doch glänzen sowohl die Städte als auch (und vor allem) die Umgebungen durch Detailarmut. Und auch der im Retro-Stil gehaltenen Übersichtskarte, in der sich die meisten Spieler die überwiegende Zeit aufhalten dürften, stünde eine Überarbeitung hervorragend zu Gesicht. Dies bedeutet natürlich auch, dass man zum Spielen von „Patrizier 4“ keinen Highend-PC benötigt – auf unserem praxisnahen Testsystem lief der Titel bei maximalen Einstellungen durch die Bank weg mit über 50 Bildern pro Sekunde.
Tatsächlich „unzeitgemäß“ ist schließlich aber, dass keinerlei Mehrspieler-Modus existiert – ein Umstand, den man mit Blick auf die geringe Mannschaftsgröße der Entwickler von Gaming Minds zwar verstehen, aufgrund der Wichtigkeit für einen Wirtschaftssimulationstitel aber nur schwerlich ignorieren kann.