Netzpolitik: Neuer Minister mit alter Rhetorik?
Hans-Peter Friedrich, bislang Landesgruppenchef der CSU in Berlin, wird neuer Bundesinnenminister und damit zu einem der wichtigsten Akteure für die Netzpolitik. Er beerbt den innerhalb der Union als liberal geltenden Thomas De Maizière (CDU), der nach dem Rücktritt von zu Guttenberg in das Verteidigungsressort wechselt.
De Maizière war bei den Netzaktivisten nicht unbedingt beliebt, genießt aber einen deutlich besseren Ruf als seine Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) und Otto Schily (SPD). Friedrich wird zwar ebenfalls dem liberalen Flügel der Union zugeordnet und gilt im Allgemeinen als bedacht in seiner Wahl der Worte, im Bereich der Netzpolitik weicht er aber offenbar kaum von der gängigen Hardliner-Linie der CSU ab.
Im Januar beschrieb er das Internet als Hort der Gewalt mit einer Kriminalität, die mit bekannten Mitteln nicht zu bekämpfen sei. Dementsprechend tritt er für die Vorratsdatenspeicherung ein, die ein unverzichtbares Instrument „im Kampf gegen Kriminelle und Terroristen“ darstelle – verfassungsrechtliche Bedenken wie die von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erscheinen ihm unverständlich. Ebenso unterstützt er den Ausbau der Telefonüberwachung sowie Netzsperren zum Kampf gegen Kinderpornographie im Internet.
Die Netzsperren standen in den letzten Tagen ohnehin wieder auf der Tagesordnung, nachdem Günter Krings, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, die kurzfristige Umsetzung gefordert hatte. Netzsperren sind bereits in dem Zugangserschwerungsgesetz enthalten, das noch aus Zeiten der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD stammt. Auf Drängen der FDP vereinbarte die Schwarz-Gelbe-Koalition beim Inkrafttreten im Februar 2010, die Anwendung von Netzsperren für ein Jahr auszusetzen und zu prüfen, inwiefern der von der FDP verfolgte Ansatz des „Löschen statt Sperren“ umsetzbar ist.
Den Forderungen von Krings zufolge ist die Frist zum 1. März abgelaufen und nach Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) könnten nur 61 Prozent der entsprechenden Seiten binnen einer Woche nach der Meldung aus dem Netz gelöscht werden. Allerdings zeigen die Zahlen des Branchenverbandes eco einen wesentlich erfolgreicheren Schnitt: 84 Prozent der im Ausland gemeldeten Webseiten wären binnen einer Woche weg, nach zwei Wochen steigt die Quote auf 91 Prozent. Zudem kritisiert Verbandsmitglied Oliver Süme gegenüber dem ARD-Medienmagazin Zapp die Erfassungsmethode des BKA, welche gelöschte Seiten nur unzureichend erfassen.
Noch-Innenminister De Maizière verkündete indes, dass der Evaluierungsprozess auch nach über einem Jahr noch nicht abgeschlossen sei. Ohne Absprache innerhalb der Koalition werde er den Erlass nicht aufheben, aber man werte die Forderung als Hinweis, dass nach „einem Jahr Praxis die Aussetzung der Netzsperren neu diskutiert werden muss“. De Maizière präsentiert sich also erneut als Gegenpol zu den Hardlinern innerhalb der Union. Ob Friedrich diese Linie fortführt oder an die Amtsführung von Wolfgang Schäuble anknüpft, ist derzeit noch nicht abzuschätzen.