Netzsperren durch Glücksspielstaatsvertrag?
Die Einführung von Netzsperren ist offenbar noch nicht vom Tisch – trotz der Entscheidung der Bundesregierung, das bis dato nicht angewandte Gesetz endgültig außer Kraft zu setzen. Nun tauchen Netzsperren an anderer Stelle erneut auf.
So sind Netzsperren im Rahmen der Verhandlungen über den neuen Glücksspielstaatsvertrag wieder in den Fokus gerückt. Dem Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur (AK Zensur) und dem Chaos Computer Club (CCC) wurde ein Entwurf des Staatsvertrags zugespielt, gemäß dem der Zugang zu den in Deutschland nicht zugelassenen Online-Glücksspielseiten gesperrt werden soll. Mit dieser Maßnahme könne man 90 Prozent des illegalen Wettgeschäftes im Internet unterbinden lassen, erklärte Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei von Sachsen-Anhalt und verantwortlich für die Koordination des neuen Glücksspielstaatsvertragsentwurfs, gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Der Vertrag fällt nicht in den Bereich der Bundespolitik, sondern wird auf Länderebene zwischen den einzelnen Regierungen der Bundesländer ausgehandelt.
Der AK Zensur wertet den Entwurf als weiteren Versuch, in Deutschland eine Zensurinfrastruktur aufzubauen. „Diesmal kommt er unter dem Deckmäntelchen der Prävention von Glücksspielsucht, wahrscheinlicher ist jedoch die Furcht vor Steuereinnahmeverlusten durch ausländische Glücksspielseiten“, erklärt Benjamin Stöcker, Mitglied im AK Zensur. Der CCC attestiert den beteiligten Politikern eine „erstaunliche Lernresistenz“, selbst nach „monatelangen Debatten über Netzsperren und dem politischen Scheitern dieser technisch kontraproduktiven und die Demokratie gefährdenden Maßnahmen hat offenbar noch immer kein Umdenken in den Staatskanzleien der Länder eingesetzt“, so CCC-Sprecher Dirk Engling.
In welcher Form die Netzsperren umgesetzt werden, lässt der Entwurf offen. Der CCC befürchtet, dass die Maßnahmen über die Stoppschilder aus dem Zugangserschwerungsgesetz hinaus gehen. Die Ministerpräsidenten der Länder sollen nun umgehend den aktuellen Stand der Verhandlungen sowie genaue Angaben über die geplanten Mechanismen zur Umsetzung der Netzsperren veröffentlichen, fordert der AK Zensur.
Nach einem Bericht der Tagesschau soll der Vertrag bereits auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 9. Juni unterzeichnet werden. Mit Ausnahme von Schleswig-Holstein scheinen sich die Länder weitestgehend geeinigt zu haben, in der Staatskanzlei des genannten Bundeslandes prüft man aber noch einige Fragen. Netzsperren dürften dabei ein Thema sein, zumindest bezieht die medienpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion Ingrid Brand-Hückstädt deutlich Stellung gegen die Umsetzung von Sperrmechanismen und kritisiert in diesem Zusammenhang die Grünen in Schleswig-Holstein, die sich für den Vertrag ausgesprochen haben.