Hamburger Forscher bauen Logikbaustein aus Atomen
Erst vor ein paar Tagen stellte Intel den 22-Nanometer-Prozess und ein neues Transistordesign für die nächste Prozessorengeneration (Ivy Bridge) vor. Die Verkleinerung der Halbleiterstrukturen in Computerchips wird aber ab einem bestimmten Punkt unweigerlich an physikalische Grenzen stoßen, so dass Alternativen benötigt werden.
Einer der potenziellen Kandidaten für zukünftige Computerchips und auch Speichermedien ist die Spintronik, ein Teilbereich der Nanoelektronik. Im Gegensatz zur heutigen Halbleitertechnologie wird in der Spintronik nicht nur die Ladung der Elektronen genutzt, sondern auch ihr Spin. Dabei handelt es sich um eine quantenmechanische Eigenschaft, die vereinfacht als Drehung der Elektronen um ihre eigene Achse beschrieben werden kann. Diese Drehung nach oben oder unten erzeugt ein spezifisches magnetisches Moment, das gemessen werden kann – man hat also zwei mögliche Zustände.
Hohe Energieeffizienz und Leistung, winzige Strukturen und persistente Speicher
Die Vorteile, die die Nano-Spintronik gegenüber heutiger Technik verspricht, sind beträchtlich. Da für das Schalten der Nano-Spintronik-Bauteile kein elektrischer Strom benötigt wird, verbrauchen diese Bauteile erheblich weniger Energie als herkömmliche Halbleiterbauteile. Dies würde jedoch nicht nur positiv auf die Energiebilanz auswirken sondern hätte auch ganz praktische Vorteile. Während Smartphones heutzutage noch praktisch täglich aufgeladen werden müssen, seien mit Spintronik-Bauteilen leistungsfähige Mobil-Geräte vorstellbar, die wochenlang nicht aufgeladen werden müssen.
Auch ein weiteres Problem der aktuellen Halbleitertechnik, die mit steigenden Taktfrequenzen durch den Ladungstransport immer größere Abwärme, kann in der Spintronik umgangen werden, da keine Ladung transportiert wird. Dadurch seien Taktfrequenzen von bis zu 10.000 Gigahertz denkbar, so die Hamburger Physiker um Dr. Alexander Khajetoorians und Dr. Jens Wiebe aus der Forschergruppe von Prof. Roland Wiesendanger.
Auch das Problem der Strukturgrößen, mit dem die Halbleiterbranche zu tun hat, ließe sich durch Spintronik überwinden. Da für ein Spintronik-Bauteil nur wenige Atome benötigt werden, sind deutlich kleinere und komplexere Strukturen möglich. Diese haben darüber hinaus auch noch den großen Vorteil, dass die Informationen nach dem Ausschalten des Bauteils erhalten bleiben, da sie nicht elektronisch sondern magnetisch gespeichert sind. Man macht nach dem Anschalten einfach dort weiter, wo man zuletzt aufgehört hat, ohne erst die Informationen neu laden zu müssen. Auf diese Weise wären auch Hybrid-Bauteile denkbar, die Speicher- und Rechenkomponenten enthalten.
Ein „Oder“ aus Atomen
Klingt zu schön um wahr zu sein? Das zwar nicht unbedingt, von praktisch einsetzbaren Produkten ist man aber noch weit entfernt. Schließlich zählt die Nano-Spintronik noch zu dem Gebiet der Grundlagenforschung. Den Hamburger Physikern ist es nun aber erstmals gelungen ein auf diesem Prinzip beruhendes, funktionierendes Oder-Logikgatter aus nur wenigen Atomen zu realisieren. Dazu brachten die Wissenschaftler des LExI-Clusters Nano-Spintronics Kobalt auf eine Kupferoberfläche auf. Dabei entstanden dreieckige, zwei Atome hohe Inseln, die aus ca. 100 Kobalt-Atomen bestehen. Mit Hilfe der extrem feinen Nadel eines Rastertunnelmikroskops verbanden sie zwei der Kobalt-Inseln mit Ketten aus einzelnen Eisen-Atomen. Wichtig war dabei, dass die Eisen-Atome in definierten Abständen zueinander und zu den Kobalt-Inseln auf der Kupferoberfläche angeordnet wurden. Denn nur so nehmen die Spins der Atome einen anti-parallelen Zustand ein, d. h. die winzigen „Kompassnadeln“ zeigen von Atom zu Atom in entgegengesetzte Richtungen, wie die folgende Abbildung verdeutlicht:
Die beiden Kobald-Dreiecke dienen als Eingabe-Einheiten für die zu verarbeitenden magnetischen Informationen. In der Mitte des Spintronik-Bauteils, dort wo die beiden Ketten aufeinander treffen, liegt ein einzelnes Eisen-Atom, das als Ausgabe-Einheit dient und in Abhängigkeit von der Eingabe über die Kobalt-Inseln logisch geschaltet wird. Um den magnetischen Zustand des Ausgabe-Atoms auslesen zu können, wurde die spinsensitive Nadel des Rastertunnelmikroskops mit einem magnetischen Material beschichtet.
Die logische Schaltung des Gatters erfolgt über die beiden Kobalt-Inseln. Ändert man ihre magnetische Ausrichtung, richten sich nacheinander auch die Spins der Eisen-Atome wieder entsprechend anti-parallel zu den Inseln aus. Das Ausgabe-Atom wird dabei logisch geschaltet:
Bereits in einer früheren Arbeit hatten die Wissenschaftler festgestellt, dass der Umschaltprozess eines der Spins in nur einem Zehnbillionstel einer Sekunde – das sind 0,000 000 000 000 1 Sekunden – stattfindet, was sie für die neuartigen Bauteile die extrem hohen Schaltfrequenzen von theoretisch bis zu 10.000 Gigahertz erwarten lässt.
Einzelheiten zu den Forschungsergebnissen der Hamburger Wissenschaftler wurden am 5. Mai unter dem Titel „Realizing All-Spin Based Logic Operations Atom by Atom“ in der Online-Ausgabe von Science veröffentlicht.
Ein weiterer Ansatz, der von Forschern als Nachfolger der heutigen Halbleitertechnologie verfolgt wird, ist beispielsweise die Molekülelektronik, bei der einzelne Moleküle als Speicherelemente dienen. An der Universität Nottingham wird andererseits an molekularen Nanomagneten geforscht, die künftig mehrere hundert bis tausend Mal höhere Datendichten als heutige Festplatten bieten könnten.