Neuer Entwurf zur Vorratsdatenspeicherung
Ein Entwurf zur Neureglung der Vorratsdatenspeicherung sorgt abermals für Streit innerhalb der schwarz-gelben Koalition. Der vom Justizministerium als Kompromiss eingebrachte Vorschlag stößt bei der Union auf breite Ablehnung, während die Netzgemeinde weiterhin gegen jedwede Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung protestiert.
In erster Linie streiten Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Peter Friedrich (CSU) über die Neureglung. Die Liberale will mit dem neuen Gesetzentwurf so wenig Daten wie möglich speichern, was bei der Union keinen Anklang findet. Nach dem Willen von Friedrich soll die neue Reglung sogar noch umfassender als die alte ausfallen, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde. Innerhalb der Netzgemeinde werden die neuen Vorschläge abgelehnt, da selbst eine abgeschwächte Variante der Vorratsdatenspeicherung Eingriffe in die Grundrechte zufolge hat, obwohl die Datenansammlungen bislang keine Auswirkungen auf die Aufklärungsquote hatten.
Als Kompromisslösung setzt Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) weiterhin auf das „Quick Freeze“-Verfahren. Mit dem neuen Entwurf (Eckpunktepapier) will sie den „wesentlichen Bedürfnissen der Strafverfolgungsbehörden angemessen Rechnung“ tragen, die „Menge der zu speichernden Daten“ allerdings auf „das notwendige Maß“ begrenzen. So sollen statt sämtlicher Telekommunikationsdaten lediglich die IP-Adressen anstandslos für sieben Tage gespeichert werden, umfassendere Bestandsdaten des Anschlussinhabers sollen erst bei laufenden Ermittlungen für die Strafverfolgungsbehörden zur Auskunft bereit stehen.
Mit einem Schwerpunkt auf verdachtsbezogenes Speichern stößt die liberale Ministerin bei Unionsvertretern bislang auf taube Ohren. Als völlig unbrauchbar bezeichnet CDU-Innenexperte Hans-Peter Uhl den Entwurf und lehnt Verhandlungen darüber ab. Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Innenausschuss im Bundestag, hält auf dieser Basis eine Verständigung für nicht möglich, während Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Entwurf als „völlig inakzeptabel“ bezeichnet. Niedersachsens Innenminister Schünemann (CDU) räumte in der vergangenen Woche zwar ein, dass fehlende Vorratsdaten im vergangenen Jahr keinen Einfluss auf die Aufklärungsquote hatten, tritt aber nichtsdestotrotz für eine schnelle Wiedereinführung ein. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die bislang auf eine Einigung der zuständigen Ressorts gehofft hatte, ließ über Regierungssprecher Steffen Seibert verkünden, dass in „absehbarer Zeit“ eine Entscheidung getroffen werden müsse. Die Vorratsdatenspeicherung sei nötig für die Bekämpfung von Terrorismus.
Kritisch äußerten sich auch die Netzaktivisten von Netzpolitik.org, allerdings stehen die Vorwürfe im kompletten Gegensatz zu denen der Union. Die anlasslose und verdachtsunabhängige Speicherung von IP-Adressen stelle weiterhin eine Vorratsdatenspeicherung dar und es handele sich trotz Einschränkungen um einen unzulässigen Eingriff in die Grundrechte. In einem offenen Brief (PDF-Datei) forderten Vertreter der Netzgemeinde die FDP auf, keinen „Kompromiss“ mit der Union zulasten der Gesamtheit der Internetnutzer Deutschlands auszuhandeln. Dieser sei weder sachlich sinnvoll noch politisch klug, weil eine IP-Vorratsdatenspeicherung weit mehr Schaden anrichten als nutzen würde.
Über den Nutzen von Vorratsdaten gehen die Ansichten weit auseinander. Das BKA erklärt die Daten als zwingend notwendig, allerdings haben diese nach Auswertungen des AK Vorratsdatenspeicherung keinen nennenswerten Einfluss auf die Aufklärungsquote, weswegen ein massiver Eingriff in die Grundrechte nicht zu rechtfertigen sei. Eine rasche und umfassende Umsetzung ist jedoch vom rein rechtlichen Standpunkt her vorgeschrieben, da eine entsprechende EU-Richtlinie ergangen ist. Eine solche muss nach Art. 288 AEUV von den Mitgliedstaaten binnen der Umsetzungsfrist in innerstaatliches Recht transformiert werden.
Die Richtlinie wird nun aber seit geraumer Zeit kritisch bewertet und ist in mehreren Mitgliedsstaaten (momentan sieben) noch immer nicht umgesetzt worden. In zwei Ländern erklärten Höchstgerichte die anstandslose Datensammlung gar für verfassungswidrig – zum einen das deutsche Bundesverfassungsgericht, das die ursprüngliche von der Großen Koalition verabschiedete Reglung im März 2010 kippte und zum anderen das rumänische Verfassungsgericht, dass eine solche Maßnahme schon im Jahr 2009 vornahm. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Erfassung aller Verbindungsdaten „nicht als vereinbar mit den Bestimmungen der Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention erachten werden [kann]“.