Driver San Francisco im Test: Geisterfahren einmal anders
2/5Plot & Missionsdesign
Von einem Rennspiel mit klarem Action-Fokus darf man keine tiefgründige Story erwarten. Dementsprechend überrascht es nicht, dass der Plot beim neuen „Driver“ nur als Rahmen für die Kerntätigkeit – durch die Gegend rasen – dient.
Akzeptiert man die Ausgangslage, so lässt sich sagen, dass die Macher vor einem solchen Hintergrund durchaus solide Kost liefern. Die Geschichte zur Handlung ist dabei schnell erzählt: Der Ultra-Fiesling Jericho entflieht mit einem spektakulären Coup der Staatsgewalt. Die Verfolgung wird unter anderem von „Driver“-Protagonist und Zivil-Cop John Tanner und dessen Partner aufgenommen – eine irrwitzige Jagd, bei der Tanner nach einem Unfall ins Koma fällt.
Entscheidende Szene aus „Driver San Francisco“
Diese Szene (siehe Video oben) dient als entscheidender Kniff, über den die Entwickler „Driver“ eine besondere Note zu geben suchen. Denn die weitere Handlung wird dadurch unkonventionell weitergesponnen: Tanners Geist nimmt nun vom Krankenhausbett aus an den Ermittlungen teil, was für den Plot eher schwer verdaulich, für die Spielmechanik aber ein echter Segen ist.
So hängt mit der überirdisch angehauchten Handlung das Haupt-Feature von „Driver San Francisco“ zusammen: Das Shiften. Dabei kann man Tanners Geist per Knopfdruck aus dem gegenwärtigen Fahrzeug in ein beliebiges anderes Fahrzeug versetzen, wobei kurzfristig der Körper des jeweiligen Fahrers übernommen wird.
Dieser unkonventionelle Vorgang erlaubt es, dem Missionsdesign eine gehörige Varianz zu verleihen. Plötzlich kommt es ganz grundlegend erstmal nicht mehr nur darauf an, möglichst schnell und fehlerfrei zu fahren; stattdessen muss auch das Shifting möglichst sinnvoll eingesetzt werden.
Gelegenheit dazu gibt es zur Genüge. Bei Verfolgungsjagden shiftet man als Jäger beispielsweise kurzerhand in einen Truck im Gegenverkehr, um den Flüchtigen sodann frontal „abzuschießen“. In dieser Zeit übernimmt dann in der Regel die KI die Steuerung über den eigenen Wagen. Neben solchen Räuber-und-Gendarme-Spielchen, Zeitfahren und normalen Rennen sorgen auf Geschicklichkeit, maximale Geschwindigkeit und dergleichen ausgelegte sogenannte Stadtmissionen, die immer wieder zwischen den Hauptmissionen abgeschlossen werden müssen, für Auflockerung. Die unterschiedlichen Spielmodi werden dabei geschickt in nette kleine Geschichten und in die Hauptrahmenhandlung verpackt, sodass selbst so vermeintlich dröge Modi wie Zeitfahren nicht schnell langweilig werden.
Dabei gilt zwar, dass das Shifting nicht immer möglich und auch nicht immer nötig ist; in vielen Fällen bringt es aber einen Kick ins Spiel, der beim 0815-Rennen mit einem festen Wagen nicht erlebbar wäre. Dies gilt umso mehr deswegen, weil man zu keiner Zeit aus dem Auto steigen kann.
Abgerundet wird das Missionsdesign durch nette Dreingaben wie Filmszenen, die über die Spielwelt verteilt sind und die es einzusammeln gilt. Enthusiasten werden zudem immer wieder eine der vielen Werkstätten aufsuchen, um das für abgeschlossene Missionen und Aktionen wie waghalsiges Überholen oder Driften erhaltenen Willenspunkte in neue eigene Boliden und kleine Upgrades zu investieren. Und auch in dieser Hinsicht überrascht das neue „Driver“ mit einem satten Fuhrpark, der 120 lizenzierte Vehikel von unterschiedlichsten Herstellern wie Alfa Romeo, Lamborghini, Audi, VW, Jaguar und vielen mehr enthält. Die Jagd nach den neuesten Modellen und den letzten Upgrades ist aber optional und abgesehen von Liebhaberei nur begrenzt sinnvoll, da die Hauptmissionen auch so ohne Probleme und häufiger in fest vorgegebenen Autos bestritten werden können bzw. müssen.
Problematisch ist ab und an, dass die Macher dem Spieler keine unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade zur Verfügung stellen. Denn während manche Missionen gerade zu Beginn kinderleicht von der Hand gehen, haben es andere wirklich in sich, was im Extremfall zum zigmaligen erneuten Spielen und damit zu einiger Frustration führen kann. Letztere ist allerdings in aller Regel nach einer kurzen Pause wieder vergessen, sodass der schwankende Schwierigkeitsgrad zumindest geduldigen Spielern kaum sauer aufstoßen dürfte.
Als Spielwelt dient dabei San Francisco, das Stück für Stück freigeschaltet wird und bereits auf der zweiten Stufe ein überraschend großes Areal umfasst. Eine Eins-zu-Eins-Abbildung ist diese Open-World zwar nicht, doch reicht die Größe trotz weniger besonderer Verstecke bzw. besonderer Streckenabschnitte dazu aus, einen quirligen Rahmen für das neue „Driver“ zu liefern.
Zusammengefasst lässt sich für den Plot und das Missionsdesign sagen: Ersterer fällt eher durchschnittlich aus und weiß nur in geringem Umfang zu punkten, liefert dafür aber die Grundlage für das innovative, sinnvolle Shifting. Dieses wiederum beeinflusst das Missionsdesign maßgeblich – bravo, Reflections!