Call of Duty: Modern Warfare 3 im Test: Die nächste Runde gut gegen böse
3/8Missionsdesign
Auch beim Missionsdesign wandelt das neue „Modern Warfare“ auf altbekannten Pfaden. Der teils lauten Kritik zum Trotz kommen deswegen wieder enge Schlauchlevel zum Einsatz, die über Script-Action mit einem nicht enden wollenden Strom an Gegnern geflutet werden. Spielerische Freiheit wird dabei kleingeschrieben, ist der Spielmechanik nach aber auch gar nicht nötig. Stattdessen wird man durch die Verkettung unterschiedlicher Scripte automatisch zum nächsten Checkpunkt gedrängt, sodass es häufig fast schon abwegig erscheint, alternative Wege auszuprobieren.
Auch in dieser Hinsicht hat man es also mit der typischen MW-Konzeption zu tun, die ebenfalls nach wie vor Vor- und Nachteile mit sich bringt. Zu letzteren gehört vornehmlich die bereits angesprochene spielerische Freiheit, die zugunsten einer actionreichen, atemlosen, stringenten Erzählung (Vorteile) geopfert wird. Um beim viel bemühten Kino-Vergleich zu bleiben: MW 3 ist, genauso wie die Vorgänger, eher ein interaktiver Kinofilm als ein klassisches, offenes Videospiel.
In diesem engen Rahmen können die präsentierten Schauplätze aber wie gehabt überzeugen: Man schlägt sich durch trostlos-unübersichtliche Wellblech-Moloche in Sierra Leone, stürmt eine verlassene sibirische Diamantenmine, attackiert die russischen Invasoren in Hamburg, Paris und New York und hetzt im Londoner Untergrund einem potentiell gefährlichen Zug hinterher.
Abwechslung gegen Stumpfsinn: Per Hubschrauber durch New York
Damit verbunden ist auch wie gehabt eine gehörige Varianz, zu der neben großangelegten, vielstufigen Schlachten Stealth-Missionen, kleinere Abschnitte an Board von unterschiedlichen Fahrzeugen, Scharfschützenaufträge und der legendäre Wechsel in den Gunner-Sitz einer AC-130 gehören.
Strukturell verfolgt das Missionsdesign ebenfalls das klassische CoD-Paradigma – und legt an vielen Stellen sogar noch eine Schippe drauf. „Modern Warfare 3“ ist verdammt schnell und verdammt actionreich: Man wird in die unterschiedlichsten Gegenden der Welt versetzt und in aller Regel nach einer minimalen Einführung in wildeste Schießereien verwickelt, bei denen neben Standard-Gewehren auch immer wieder fette Standgeschütze, Mörser, eine ferngesteuerte Drohne und dergleichen Verwendung finden, was effektiv einem allzu stumpfsinnigen Standard-Geballer entgegen wirkt.
Weiter aufgelockert wird das Ganze durch rhetorische Spielereien. So steht am Ende eines Einsatzes nicht immer der erwünschte Ausgang, sondern manchmal auch das genaue Gegenteil. So kommt man in manchen Fällen durchaus einfach mal zu spät oder liefert den russischen Präsidenten ans Messer von Makarov, anstatt ihn aus der Gefahrensituation hinaus zu eskortieren. In diesen Momenten wirkt das im Großen und Ganzen ansonsten so durchschaubare „Modern Warfare 3“ im Kleinen für kurze Zeit dann doch mal ein wenig überraschend, was ebenfalls dazu beiträgt, dass die im Grunde ultralineare Spielmechanik nicht scheitert.
Außerdem im Kontext des Missionsdesigns erwähnenswert ist, dass auch MW 3 seine kleine Skandal-Szene hat. Nachdem man beim Vorgänger im Rahmen des dramatisch diskutierten „Flughafenmassakers“ einen riesigen kostenfreien PR-Effekt abräumen konnte, scheint eine solche nunmehr obligatorisch zur Vermarktung und Entwicklung eines „Modern Warfare“ zu gehören. In diesem Fall handelt es sich um einen sicher diskussionswürdigen Perspektivwechsel, bei dem die Kameraführung kurz vor einem Anschlag in der Londoner City zu einer kleinen Familie wechselt, deren Urlaub samt süßen Videoaufnahmen brutal von einem explodierenden Laster unterbrochen wird.
Der daran teilweise ganz grundsätzlichen Kritik sei an dieser Stelle widersprochen: Ja, die Handlung kommt auch ohne diese explizite Gewaltdarstellung an Unbeteiligten aus. Der Vorwurf, dass hier um der bloßen Gewalt wegen auf ein solches Mittel zurückgegriffen wird, ist aber nur bedingt zulässig: Wer sich vorab nicht informiert hat, wird in dieser Situation böse überrascht, da man zunächst nicht einschätzen kann, warum die Szenerie plötzlich vom martialischen SAS-Team zu dieser Familienidylle wechselt. Dramaturgisch hat die Integration also durchaus einen Effekt, sodass die Diskussion sich eher auf die Frage nach dem Nutzen und den Auswirkungen dieses Effekts konzentrieren sollte, anstatt pauschal zu behaupten, er sei nicht vorhanden. In jedem Fall erscheint es sinnvoll, dass die Entwickler dem Spieler vorab die Möglichkeit einräumen, ohne weitere Einschränkungen auf die Szene zu verzichten.
Abseits davon kommt es kaum zu Gewalthandlungen an Zivilisten. Dennoch geht die USK-Einstufung „ab 18 Jahren“ mit Blick auf die teils expliziten Darstellungen absolut in Ordnung.