Hintergründe und Analysen: Was ist eigentlich ACTA?

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Andreas Frischholz (+1)
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Inhalt ab Artikel 23

Strafrechtliche Durchsetzung

Die Artikel 23 bis 26 beschäftigen sich mit der strafrechtlichen Komponente des Abkommens. Artikel 23 legt dabei fest, dass Vertragsstaaten die vorsätzliche Nachahmung von Markenwaren oder die vorsätzliche unerlaubte Herstellung urheberrechtlich oder durch ähnliche Schutzrechte geschützter Waren im gewerblichen Ausmaß unter Strafe stellen sollen.

Interessanterweise wird die Formulierung „zumindest“ verwendet, sodass hier offensichtlich auch eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit (also eine nicht vorsätzliche Begehung) begrüßt werden würde. Außerdem wird im zweiten Satz dieses Artikels nicht nur die unmittelbare Erlangung eines wirtschaftlichen/kommerziellen Vorteiles umfasst, sondern auch eine mittelbare, was durchaus bestimmte Problematiken mit sich bringen würde. Ansonsten enthält dieser Artikel noch vier weitere Absätze, in denen zum Einen weitere Tatbestände geschildert werden. Zum Anderen wird die Strafbarkeit von Beihilfe zu solchen Taten und die Möglichkeit einer Verbandsverantwortlichkeit (= Strafbarkeit für juristische Personen) gefordert.

In Absatz 3 findet sich zudem die kuriose Bestimmung, wonach es Vertragsstaaten freistehe, das unerlaubte Mitfilmen von Kinovorführungen unter Strafe zu stellen. Kurios ist das insofern, als dass auch bislang jeder Staat kraft seiner Souveränität derartiges festlegen kann. Dazu bedarf es also keines eigenen Vertrages, vielmehr scheint dies in früheren Versionen eine Pflichtbestimmung gewesen zu sein, die dann in eine „kann“-Variante umgewandelt wurde.

Artikel 24 beinhaltet eine Regelung für das Strafmaß im Falle einer Verurteilung, die im Wesentlichen den momentanen Regelungen in Deutschland oder Österreich entspricht.

Artikel 25 erstreckt sich über fünf Absätze und stellt Regelungen für die Beschlagnahmung, die Möglichkeit einer behördlichen Einziehung und der Vernichtung von rechtsverletzenden Waren auf. Außerdem wird darin die Möglichkeit festgeschrieben, durch solche Waren erlangte Vermögenswerte zu beschlagnahmen und gegebenenfalls einzuziehen. Sollten diese Werte nicht greifbar sein, kann auf andere Vermögenswerte in dieser Höhe gegriffen werden.

Artikel 26 sieht vor, dass die Vertragsstaaten ihre auf Artikel 23 bezogenen Straftatbestände nicht als Privatanklagedelikte ausformen dürfen. Das bedeutet, dass staatliche Behörden nicht erst auf eine Anzeige eines in seinen Rechten Verletzten aktiv werden müssen, sondern schon dann, wenn sie, auf welchem Wege auch immer, selbst Kenntnis von solchen Vorgängen erlangen. Zumindest für Österreich würde dies laut dem dortigen Justizministerium eine Umstellung bedeuten.

Durchsetzung im digitalen Umfeld

Artikel 27 kennzeichnet sich durch viel Text, der aber eigentlich nur festlegt, dass die Maßnahmen, die den Abschnitten zur zivilrechtlichen und strafrechtlichen Durchsetzung von Rechten geregelt werden, auch auf Verstöße im digitalen Umfeld angewandt werden müssen. Neben eines einzuführenden Eilverfahrens zur Verhinderung von solch widerrechtlichen Taten fordert er auch noch die Errichtung von Rechtsbehelfen, die zur Abschreckung von weiteren Verletzungshandlungen genutzt werden können. Ersteres ist schon existent, das Zweite scheint eine simple Phrase zu sein.

Eine zuerst unscheinbare Fußnote im Absatz 2 macht eben jenen recht interessant. In dieser wird nämlich indirekt, soweit ihre doch sehr kryptisch anmutende Verfassungsart eine Interpretation zulässt, auch die Einführung eines sogenannten Providerhaftung angeregt. Wortwörtlich wird hinsichtlich der Wahrung von Grundsätzen (freie Meinungsäußerung u.a.) die Beschränkung von Rechtsbehelfen gegen oder Haftungen von Diensteanbietern (=Providern) empfohlen. Dazu müsste aber erst einmal eine solche bestehen.

Angesichts des schon in anderen Analysen erwähnten Umstandes, dass bei den zu beachtenden Grundsätzen auch nicht jener des Grundrechtes auf Rückzugsräume ohne staatlichen Eingriff oder der der freien Kommunikation erwähnt werden, kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass hier eine Providerhaftung als probates Mittel angesehen wird. Das bedeutet, dass man die kommerziellen Interessen von Rechteinhabern derart hoch einschätzt, dass für deren Wahrung auch eine sehr umfassende Art der Vorratsdatenspeicherung in Kauf genommen wird.

Artikel 27: Durchsetzung im digitalen Umfeld

In Absatz 3 ist ebenfalls in recht unscheinbarer Weise eine in ihrer Wirkung recht wuchtige Bestimmung verpackt. Die Vertragsstaaten sollen sich laut ihr bemühen, Abkommen zwischen Unternehmen zu fördern, mit denen widerrechtliche Akte gegen das geistige Eigentum unterbunden werden sollen. Für Rechteinhaber haben solche Abkommen den Vorteil, dass diese aufgrund der Privatautonomie auch Inhalte haben können, die als gesetzliche Regelung so nicht vorstellbar wären.

Artikel 27, Absatz 3

Absatz 4 bezieht sich auf eine Möglichkeit, Anbietern von Onlinediensten aufzutragen, Rechteinhabern bei bekannt gewordenen Verletzungen ihrer Rechte Auskunft über den jeweiligen Kontoinhaber jenes Kontos zu geben, über das die Verletzung vorgenommen wurde. Absatz 5 behandelt den zumindest in Deutschland schon vorhandenen Rechtsschutz gegen die unerlaubte Umgehung von Kopierschutzmechanismen. Absatz 6 richtet sich gegen Herstellung, Einfuhr, Vertrieb und Anwendung von kopierschutzumgehenden Programmen.

Absatz 7 befasst sich mit Schutzbestimmungen für DRM. Absatz 8 erlaubt, sofern der jeweilige Staat die Absätze 5 und 7 umgesetzt hat, die Einführung oder Aufrechterhaltung von Ausnahmen von den Sanktionen der vorherigen Absätze. Das dürfte wohl auf eine Rechtfertigung für Privatkopien hinauslaufen.

Artikel 27, Absätze 4 bis 8

Durchsetzungspraxis

Artikel 28 ordnet an, dass einschlägige Fachkompetenz in Behörden aufgebaut werden müsse. Darüber hinaus hat diese Passage aber auch Bestimmungen in sich, in denen dem Vertragsstaat auferlegt wird, dass er Statistiken über Rechtsverletzungen im Bereich des geistigen Eigentums finanziert, er sich bemüht, dass die mit der Wahrung von geistigem Eigentum beschäftigten Behörden möglichst effizient arbeiten und das er den Aufbau von formellen und informellen Strukturen fördert. Diese sollen dazu dienen, dass der Rechteinhaber oder ein „sonstiger einschlägiger Interessensträger“ den Behörden seine Ansichten besser mitteilen kann. Ein alles in allem durchaus auf die Unterstützung von Rechteinhabern ausgelegter Artikel.

Artikel 29 befasst sich mit der möglichst zeitnahen Abstimmung zwischen Behörden und Rechteinhabern zur Erkennung, Bekämpfung und Vermeidung von „bedeutenden Risiken“ an der jeweiligen Staatsgrenze (allerdings nicht jener innerhalb der EU, sondern nur an den Staatsgrenzen an ihrer Außengrenze).

Die Artikel 30 und 31 beschäftigen sich mit Transparenz und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.

Artikel 30 und 31

Unter Transparenz versteht der Artikel 30 die Veröffentlichung von Verfahrensmöglichkeiten zum Schutze geistigen Eigentums, die Bekanntmachung einschlägiger Schutzvorschriften und die Bekanntmachung von Bemühungen zur Durchsetzung des Schutzes geistigen Eigentumes. Die Transparenz zielt also vorrangig darauf ab, die Schutzmöglichkeiten eines Rechteinhabers bekannter zu machen.

Im Artikel 31 wird normiert, dass Vertragsparteien, so sie es für sinnvoll halten, Maßnahmen fördern, die das öffentliche Bewusstsein für das Rechtsgut „geistiges Eigentum“ sensibilisieren sollen, etwa durch den Verweis auf die schädlichen Auswirkungen einer Verletzung eben jenes. Artikel 32 befasst sich zu guter Letzt mit ökologischen Erwägungen hinsichtlich der Vernichtung von rechtsverletzenden Waren.

Internationale Zusammenarbeit

Die Artikel 33 bis 35 erörtern Bestimmungen hinsichtlich der zwischenstaatlichen Kooperation zur effektiven Anwendung des Schutzes von geistigen Eigentum. Artikel 33 beschäftigt sich mit allgemeinen Bestimmungen und sieht auch die Möglichkeit einer strafrechtlichen Kooperation bezüglich der vom ACTA-Abkommen umfassten Gebiete vor. Artikel 34 regelt den zwischenstaatlichen Informationsaustausch, wobei er eine Art Generalklausel enthält, nach der man alle zweckdienlichen und einvernehmlich festgelegten (wohl zwischenstaatlich und nicht mit den Betroffenen) Informationen austauschen kann. Entgegen anderer Klauseln mit Bezug zu Informationen findet sich im Artikel 34 kein Grundrechtsvorbehalt. Artikel 35 nimmt sich des Themas des Kapazitätsaufbaues und der technischen Hilfe zwischen den Staaten an, sprich, auf welche Weise man sich gegenseitig unterstützen kann, um die Ziele des Abkommens effektiver zu erreichen.

Institutionelle Regelungen

Artikel 36 setzt den sogenannten ACTA-Ausschuss ein. Des Weiteren regelt er Aufgaben, Befugnisse und Grundlagen der Geschäftsordnung. Der ACTA-Ausschuss ist insofern ein Novum, als dass er eine Paralleleinrichtung zu den bisherigen Schlichtungsinstanzen der WTO darstellt. Es wird vielerorts vermutet, dass dies aus dem Grund erfolgte, um nicht die Interessen von Entwicklungsländern berücksichtigen zu müssen.

Artikel 36: ACTA-Ausschuss

Die Artikel 37 und 38 normieren Anlaufstellen für zwischenstaatliche Kommunikation und die Art und Weise von zwischenstaatlichen Konsultationen.

Schlussbestimmungen

Artikel 39 legt den Zeitraum fest, in dem das Abkommen unterzeichnet werden kann, Artikel 40 das Inkrafttreten. Laut Artikel 41 kann eine Partei mittels Übergabe einer sogenannten Notifikation an Japan seinen Austritt erklären, der nach 180 Tagen nach der erfolgten Übergabe greift. Die restlichen Bestimmungen befassen sich mit den Regelungen für die Abkommensänderung (42), dem Beitritt (43), den Urschriften des Abkommens und ihren Sprachen sowie dem Ort der Vertragsverwahrung.