Hintergründe und Analysen: Was ist eigentlich ACTA?
8/9Protestbewegung
Die Protestbewegung formierte sich erwartungsgemäß im Internet. International durch Organisationen wie La Quadrature Du Net oder EDRI, in Deutschland unterstützt durch den Bürgerrechtsverein Digitale Gesellschaft. Dieser stellt auf seiner Webseite zahlreiche Hintergrundinformationen bereit, bezieht klar Stellung gegen das Abkommen und fordert stattdessen eine Anpassung des Urheberrechts an die Bedingungen der digitalen Welt. Ebenfalls in der Protestbewegung engagiert ist erwartungsgemäß Anonymous, deren Video über ACTA eine hohe Verbreitung fand.
Anonymous ist aber nicht nur im Internet aktiv, sondern hat auch dazu beigetragen, den Protest auf die Straße zu bringen – zumindest sind bei allen Demonstrationen zahlreiche Menschen mit den bekannten Guy-Fawkes-Masken unterwegs. Das Ausmaß der Demonstrationen ist nachwievor erstaunlich, am 11. Februar fand europaweit ein Protesttag statt, der mehrere Hundertausend Menschen auf die Straße trieb. In Deutschland lag die Anzahl insgesamt bei knapp 100.000, wobei die größten Demonstrationen in Städten wie Frankfurt oder Berlin über 5.000 Teilnehmer zählten.
Den größten Anklang findet der Protest in Osteuropa. In Polen führten die Demonstrationen bereits vor dem 11. Februar zu einer Regierungskrise und verhinderten schlussendlich die Ratifizierung von ACTA. Bei den Demonstrationen soll es sich sogar um die größte Protestbewegung seit Solidarność in den 1980er Jahren gehandelt haben. Aber auch in anderen europäischen Staaten führten die Proteste zu einem Stopp des Ratifizierungsverfahren, auch Deutschland will vorerst keine Unterschrift zu ACTA leisten. Aktuellstes Mitglied in der Liste der Verweigerer: Bulgarien.
Doch wie lässt sich der ungewohnt heftige Protest gegen ACTA erklären?
Der Protest lässt sich weniger mit dem Abkommen selbst begründen, sondern vielmehr durch ein tiefes Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Politik und Rechteverwertern. Zu rigoros haben Verbände und deren Lobbygruppen für Erhaltung und Durchsetzung eigener Geschäftsfelder gekämpft, zu stümperhaft sind vor allem konservative Politiker bei der Umsetzung von Gesetzesvorhaben vorgegangen. Offenbar hat man nur eine sehr geringe Vorstellung von der sogenannten „Netzgemeinde“, einem heterogenen und diffus wirkenden Wesen, das sich nicht an die klassischen Spielregeln von Verbänden, Lobbyisten und Politikern hält. Entsprechend fällt die Reaktion von einigen Verbänden aus, die – mutmaßlich – mit einem Brief an Abgeordnete des EU-Parlaments reagierten. Im Brief (PDF-Datei) hat man für eine Unterstützung von ACTA geworben und den Gegnern vorgeworfen, mit den Protesten „koordinierte Attacken auf demokratische Institutionen“ zu betreiben.
Over the past two weeks, we have seen coordinated attacks on democratic institutions such as the European Parliament and national governments over ACTA.
Worin das mündet, konnte man zuletzt in den USA bei den Debatten um SOPA und PIPA bestaunen, als der Chef des Filmindustrieverbandes MPAA offen drohte, Spendengelder einzustellen, wenn die Gesetze nicht wie gewünscht umgesetzt werden. In Deutschland veranschaulichte das Innenministerium eine erstaunliche Ignoranz, als eine kritische Studie des renommierten Max-Planck-Instituts über die Vorratsdatenspeicherung schlicht als irrelevant abgestempelt wurde.