Kommentar: Das neue iPad enteilt der Konkurrenz – mal wieder
Die Latte höher gelegt
Same procedure as every year – so könnte man die Präsentation des neuen iPads sowie das Tablet an sich mit wenigen Worten zusammenfassen. Hier eine etwas schnellere Grafikeinheit, dort ein besseres Display, zuletzt noch ein schnelleres Modem; schon ist das Apple-Tablet für die nächsten zwölf Monate fertig. Da ist es wenig verwunderlich, dass wie schon beim aktuellen iPhone 4S die kritischen Stimmen lauter werden und das Fehlen wirklicher Neuerungen beklagen – schließlich biete die Konkurrenz in Form des Android-Lagers doch demnächst ähnliche Technik.
Grundsätzlich ist dies richtig, doch entscheidend ist das Wort „demnächst“. Denn wo Acer, Asus und andere in Bezug auf die Verfügbarkeit ihrer neuen High-End-Tablets auf den (späten) Sommer verweisen, wird Apple bereits in wenigen Tagen mit der Auslieferung des neuen iPads starten. Allein deshalb gilt es bereits als sicher, dass die Vormachtstellung von iOS auf dem Tablet-Markt weiterhin nicht in Gefahr ist. Denn bis ein Transformer Pad Infinity von Asus, ein Acer A700 oder ein Huawei MediaPad 10 FHD tatsächlich in den Regalen der Händler liegen werden, wird Apple bereits mehrere Millionen Exemplare der dritten iPad-Generation abgesetzt haben. Aus Sicht des Unternehmens aus Cupertino dürfte es am Ende auch relativ unwichtig sein, ob man nun einen Marktanteil in Höhe von 50, 60 oder 70 Prozent hat – entscheidend ist, dass die angeblich großen Mitbewerber für sich gesehen jeweils nur auf einen winzigen Anteil kommen. Einzig das quasi in einer anderen Liga spielende Kindle Fire von Amazon spielt eine ernstzunehmende Rolle.
Was jedoch wird passieren, wenn die genannten Geräte mit ihren Full-HD-Displays dann tatsächlich auf dem Markt sind? Vermutlich nichts. Sicher, auf dem Papier bieten diese Geräte mehr Rechenleistung mit ihren Quad-Core-SoCs und mehr Freiheiten, in einem entscheidenden Ausstattungsdetail dürfte Apple die Latte aber deutlich höher gelegt haben. Denn mit dem neuen Retina-Display hat man ein Verkaufsargument, welches im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge sticht. Sollte Samsung in den kommenden Wochen nicht das sprichwörtliche Kaninchen aus dem Hut zaubern, dürfte man mit der gestochen scharfen Anzeige über Monate hinweg eines der größten Verkaufsargumente für sich haben.
Dabei schafft Apple es auch hier erneut, nicht wie zahlreiche Mitbewerber einfach nur nackte technische Daten zu liefern, sondern diese auch direkt erleb- und nutzbar zu machen. Mit zahlreichen neuen und überarbeiteten Programmen nutzt man das Mehr an Grafikleistung sowie das hochauflösende Display direkt aus und schafft so von Anfang an einen tatsächlichen Mehrwert. Und direkt hier kommt man zu dem Punkt, der bereits seit geraumer Zeit für Apple spricht: Hardware ohne Software ist wenig wert. Entscheidend war hier am Mittwochabend eine Zahl, die unmittelbar vor dem ersten Zeigen des neuen iPads fast schon beiläufig erwähnt wurde, aber dennoch die große, wenn nicht sogar die größte Stärke des Tablets ist: 200.000.
Laut Tim Cook sind mittlerweile mehr als 200.000 Apps an den im Vergleich zum iPhone größeren Bildschirm angepasst, also mehr als jede Dritte. Sicher, nicht jede derart modifizierte Anwendung schlägt wirklich Kapital aus der größeren Fläche, die zur Verfügung steht. Anders als bei Android-Tablets hat man hier beim Nutzen von Apps aber nicht das Gefühl, lediglich ein überdimensioniertes Smartphone in der Hand zu halten. Überspitzt formuliert: Wo Googles Betriebssystem ein Programm lediglich vergrößert darstellt, bietet die gleiche App für das iPad mehr Übersicht und Funktionalität.
Während die Konkurrenz in puncto Hardware vermutlich binnen weniger Monate nachlegen kann und wird, wird die Differenz in Sachen Software so schnell nicht auszugleichen sein. Denn dies liegt nicht an Acer, Asus oder Samsung, sondern an Google. Will man den Erfolg der Smartphones auf Tablets ausweiten, wird es Zeit für ein überarbeitetes Konzept – möglicherweise mit weniger Freiheiten für Hersteller und Entwickler. Denn wo Apple respektive die Entwickler von iOS-Apps lediglich eine sehr überschaubare Anzahl an Konfigurationen – insbesondere in Bezug auf die Display-Auflösungen – berücksichtigen müssen, ist der Aufwand bei Android um ein Vielfaches höher. Bis es allerdings soweit ist und eben diese Fragmentierung keine (wesentliche) Rolle mehr spielt, wird das neue iPad Rekorde brechen und die Latte so jeden Tag ein Stückchen höher legen.
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