Mass Effect 3 im Test: Auch BioWare ist nicht mehr unfehlbar
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Charakter-Import
Wer über einen Charakter aus „Mass Effect 2“ verfügt, kann diesen gleich zu Beginn importieren, wobei man noch einmal die Möglichkeit erhält, das Aussehen und die Klasse zu modifizieren. Neben den Eigenschaften und Erfahrungspunkten werden dabei vor allem die getroffenen Entscheidungen übernommen, sodass ein kohärenteres Spielerlebnis entsteht.
Dies gilt sowohl für einzelne Vorgänge wie das Verhalten gegenüber den Gruppenmitgliedern, als auch für die Entscheidungen bezüglich der größeren Zusammenhänge, sodass man sich immer wieder mit dem eigenen Handeln konfrontiert sieht und die Folgen von diesem nun noch besser einschätzen kann.
Da durch den Import gleich zu Beginn zahlreiche Erfahrungspunkte zur Verfügung stehen, dürfte Shephard auf dem Standard-Schwierigkeitsgrad zumindest bei Veteranen der Serie schnell „overskilled“ wirken, was sich auf den Spielspaß auswirken kann. Um dies zu vermeiden, lohnt sich von Beginn an der Wechsel auf den tatsächlich sehr fordernden „Extrem“-Schwierigkeitsgrad.
Falls „Mass Effect 2“ noch installiert ist oder die Spielstände zumindest noch im ursprünglichen Ordner liegen, sollte der „alte“ Held automatisch erkannt werden. Falls die gespeicherten Spiele anderswo zwischengelagert wurden, muss der Helden-Ordner unter dem Originalnamen im „Eigene Dokumente“-Ordner unter dem neu anzulegenden „Mass Effect 2“-Ordner abgelegt werden.
Plot
„Mass Effect 3“ (ME 3) schließt inhaltlich direkt an den Vorgänger an: Die Vorhersagen des Protagonisten Commander Shepard bewahrheiten sich, sodass die Reaper im Rahmen einer riesigen Offensive tatsächlich damit beginnen, jegliches Leben im Universum auszulöschen.
Klar, dass dieser offenbar zyklische Vorgang nur vom ME-Helden und dessen Gefährten gestoppt werden kann. In den ersten Minuten erhält der bis zu diesem Zeitpunkt nach den Geschehnissen aus dem zweiten Teil unter Hausarrest gestellte Shephard deswegen zunächst all seine Befugnisse zurück, um vom Vorzeige-Raumschiff Normandy aus das Schlimmste abwenden zu können.
Zu Beginn steht allerdings zunächst ein kurzes Tutorial, das geschickt in die Flucht von der Erde eingebunden ist. Während die Reaper mit riesigem Gerät beginnen, alles zu vernichten, wird Shephard von seinem alten Vorgesetzten Admiral Anderson zur Normandy gelotst.
In diesem Zusammenhang finden sich entscheidende Momente, über die die Handlung des maßgeblich Spiels aufgebaut wird: Shephard muss mit ansehen, wie auf der Erde die maximale Zerstörung beginnt, wobei Tod, Leid und Vernichtung erzähltechnisch geschickt durch das Einzelschicksal eines Jungen eingefangen werden. Dieses begleitet Shephard fortan durch das gesamte Spiel, wobei Erzählelemente wie kurze Traumsequenzen (siehe Video unten) gekonnt dazu verwendet werden, den seelischen Zustand des Protagonisten darzustellen, ohne das andauernd allzu pathetische Worte in den Raum geworfen werden müssten.
So wichtig und richtig die Fokussierung auf das Schicksal der Erde und Menschheit ist, so fehl am Platze wirkt sie an mancher Stelle aber auch. Nach der Flucht wird schnell deutlich, dass neben der Herstellung einer gigantischen protheanischen Waffe aus grauer Vorzeit nur ein Bündnis aus allen Völkern des bekannten Universums effektiv gegen die Reaper ins Feld ziehen kann.
In dieser Hinsicht hat der ansonsten wieder gewohnt erstklassig erzählte Plot von ME 3 überraschend mit kleinen Hängern zu kämpfen, die teilweise mit der besagten Fokussierung auf das Schicksal der Erde, aber auch mit einer etwas konstruiert wirkenden Problematik zu tun hat. Beispielsweise mutet es fast absurd an, wenn Shephard auf dem Mond vor der Heimatwelt der Turianer dessen neues Oberhaupt – im wahrsten Sinne vor dem Hintergrund von dessen brennender Heimat – dazu auffordert, seine Flotte zur Verteidigung der Erde abzustellen.
Hier hat man es mit einem Dilemma der Erzählung zu tun: Einerseits versuchen die Verantwortlichen gekonnt, die Emotionen des Spielers anzusprechen, in dem inhaltlich immer wieder die Verbindung zur brennenden Erde und dem Schicksal der Menschheit hergestellt wird. Andererseits ist aber nun mal das gesamte Universum betroffen, sodass die stetige explizite Rückbindung an das Schicksal einer von zig Rassen manchmal seltsam anmutet.
Hinzu kommt, dass auch die Sturheit der politischen Klasse in manchen Moment etwas konstruiert wirkt. Wenn die hohen Vertreter des zentralen Citadel-Rates Shephard bei dessen Begehren, eine gemeinsame Armada aufzustellen, einfach mit Verweis auf ihre eigenen Probleme die kalte Schulter zeigen, steht dies in inhaltlich zumindest gespannter Diskrepanz zu dem Grundtenor der Erzählung, wonach die Reaper mit konventioneller Taktik auf keinen Fall zu stoppen sind.
Auch hier hat man es mit einem zentralen Element des Plots zu tun: Neben dem direkten Kampf gegen die Reaper und dem Umgang mit der altbekannten, zwielichtigen Pro-Mensch-Bewegung Cerberus muss sich Shephard auch immer wieder als Diplomat und guter Organisator geben, um die große Allianz gegen die Reaper gegen das Klein-Klein der einzelnen Interessen zu vereinen.
Alles in allem stören die besagten Punkte ab und an und verwundern obendrein, da sie in manchen Momenten durchaus vermeidbar wirken. Dennoch zeigt sich in der Summe auch in „Mass Effect 3“ wieder, dass BioWare über exzellente Autoren verfügt, sodass man auch hier mit einer alles in allem sehr spannenden, wendungsreichen und konsistenten Handlung beglückt wird, die immer wieder emotional berührt, bis zum Ende trägt und obendrein einen wirklich gebührenden Abschluss der Trilogie darstellt.