Mass Effect 3 im Test: Auch BioWare ist nicht mehr unfehlbar
3/6Missiondesign & Inszenierung
Betrachtet man die grundlegende Konzeption des ME-3-Missionsdesigns und der -Inszenierung, so lässt sich zunächst sagen, dass die Macher ihrem bisherigen Ansatz weitgehend treu bleiben.
Dementsprechend funktioniert das Spiel wie gewohnt über äußerst begrenzte Areale, in denen ultra-linear Handlung abgespult wird. Per Script-Action wird dabei Dynamik simuliert: Erreicht man bestimmte Punkte, wird automatisch eine von vielen, zumeist erstklassigen Zwischensequenzen abgespielt.
Gepaart sind diese in aller Regel mit Dialogen, die auch im Jahr 2012 ihresgleichen suchen: BioWare kann nicht nur Inhalt, es kann auch Dialoge. Eine echte Weiterentwicklung zum bisher Bekannten darf man aber nicht erwarten, sodass sich die Einflussmöglichkeiten auf demselben Niveau bewegen, wie im Vorgänger.
Etwas eingetrübt wird der sehr gute Eindruck in dieser Hinsicht ab und ab aber doch. So kann es vorkommen, dass nicht-dynamische Dialoge in den Zwischensequenzen durch kurze, unglaubwürdige Pausen ins Stocken geraten: Wenn Shephard nach einem wütenden Ausruf seines Gegenübers zunächst für den Bruchteil einer Sekunde schweigt, um dann nach einem kurzen Schnitt ebenso erbost zu antworten, wirkt dies nicht authentisch, sondern reißt für kürzeste Zeit aus dem Spielfluss. Seltsam, dass BioWare es toleriert, dass die erstklassigen und logischen Inhalte ab und an von einer stockenden Mechanik gestört werden.
Bei den Aufgaben lässt sich die gewohnte Einteilung in Haupt- und Nebenmissionen erkennen. Gelungen ist, dass letztere immer wieder geschickt mit dem Plot verzahnt werden, sodass man nie den Eindruck erhält, beliebige Aufträge zu erfüllen, während im Hintergrund das Universum untergeht.
Dies wird durch einen einfachen, aber spannenden Kniff erreicht: Wo immer Shephard mit seiner Crew zuschlägt, sammelt er nebenbei Ressourcen, Verbündete und Truppen – sogenannte „Kriegsaktivposten“ – für die große, finale Schlacht, sodass penible Spieler, die jedes Wrack und jeden Planeten untersuchen und jede noch so kleine Aufgabe meistern, am Ende effektiv belohnt werden.
Auch in dieser Hinsicht ist „Mass Effect 3“ wieder stark, da dem Spieler in diesen und anderen Momenten wie den auch hier wieder gestreuten zentralen Entscheidungen das Gefühl vermittelt wird, tatsächlich auf den Ausgang der Handlung und damit auf das Schicksal des Universums Einfluss nehmen zu können. Allerdings hätte man gerade die neuen Kriegsaktivposten effektiver einbinden können, statt sie automatisch mit jeder gelungenen Mission anwachsen zu lassen: Interessant wäre beispielsweise gewesen, wenn der Spieler die Posten von Zeit zu Zeit selbst einsetzen müsste, was auch damit verbunden sein könnte, dass dieser Einsatz scheitert und man so zurückgeworfen wird. Dadurch würde der apokalyptische Krieg ein neues, strategisches Element erhalten, dass deutlich über den derzeitigen Stand hinausreichen würde – eine anspruchsvolle, vielleicht zu weitreichende Forderung, die die Funktion aber theoretisch massiv aufwerten könnte.
Die inhaltliche Varianz der Missionen kann sich erwartungsgemäß sehen lassen: Man schlägt sich durch unterschiedlichste Gebäudetrakte, Planetenoberflächen und Raumgefährte, um Artefakte und Personen zu bergen oder den Gegnern ein Schnippchen zu schlagen. Nebenbei wird man immer wieder in Dialoge verwickelt, in denen man die Gegenüber für die Sache gewinnen muss und besucht die Citadel, um sich neu auszurüsten oder für den gemeinsamen Gegenschlag zu werben – und auch das Verhältnis zu den Mitstreitern will wie immer gepflegt werden.
Spielmechanisch lässt sich in puncto Varianz dagegen eher eine Verengung feststellen. Während der Vorgänger die auf Action getrimmte Spielmechanik ab und zu durch kleine, mäßig attraktive Rätselabschnitte (Stichwort: Hacking) auflockerte, verzichtet BioWare für ME 3 gänzlich auf dieses Element, sodass das Missionsdesign hier stärker denn je mit den Verben „landen“, „erkunden“ und „eliminieren“ beschrieben werden kann.
Unterm Strich tut dieser Verzicht allerdings nicht besonders weh, da die Rätselabschnitte in ME 2 ohnehin eher nach Alibi denn nach echtem Engagement rochen. In der Summe kann man dem Missionsdesign und der Inszenierung des dritten Teils deswegen ein gutes Zeugnis ausstellen – individuelle Voraussetzung ist aber nach wie vor, dass sich der Spieler mit der Linearität und der Enge der Areale zugunsten einer dichten, kohärenten Erzählung auf Fast-Kino-Niveau anfreunden kann.