EuGH: Weiterverkauf von gebrauchter Software doch zulässig?
In dem schon seit einigen Jahren brodelnden Rechtsstreit zwischen dem Softwarehersteller Oracle und der inzwischen insolventen Firma UsedSoft, die gebrauchte Software beziehungsweise gebrauchte Softwarelizenzen weiterverkaufte, hat sich nun eine interessante Neuerung zugetragen.
Da Oracle einen Großteil seiner Programme über Download per Internet vertreibt und gegen Bezahlung Nutzern entsprechende Nutzungslizenzen einräumt, war das Unternehmen mit dem Geschäftsmodell von UsedSoft aus wirtschaftlichen Gründen nicht einverstanden. Dieses sah nämlich vor, solche Lizenzen, die zwar noch gültig waren, aber von ihren vormaligen Eignern nicht mehr benötigt wurden, an Dritte weiterzuveräußern.
Dabei gab es in den damals betroffenen Geschäftsbedingungen Oracles folgende Bestimmung:
Rechtseinräumung
„Mit der Zahlung für Services haben Sie ausschließlich für Ihre internen Geschäftszwecke ein unbefristetes, nicht ausschließliches, nicht abtretbares und gebührenfreies Nutzungsrecht für alles, was Oracle entwickelt und Ihnen auf der Grundlage dieses Vertrags überlässt.“
Da Oracle dementsprechend dieses Verhalten abstellen wollte, reichte die Firma beim Landgericht München I eine Klage ein. Das Gericht gab der Klage statt, eine Berufung von UsedSoft an die Rechtsmittelinstanz blieb erfolglos. Daher wurde eine Revision hin zum Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Da dieser aber Unklarheiten ob der Auslegung der EU-Richtlinie 2009/24 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (PDF) sah, entschloss er sich zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.
1. Ist derjenige, der sich auf eine Erschöpfung des Rechts zur Verbreitung der Kopie eines Computerprogramms berufen kann, „rechtmäßiger Erwerber“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24?
2. Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Erschöpft sich das Recht zur Verbreitung der Kopie eines Computerprogramms nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24, wenn der Erwerber die Kopie mit Zustimmung des Rechtsinhabers durch Herunterladen des Programms aus dem Internet auf einen Datenträger angefertigt hat?
3. Für den Fall, dass auch die zweite Frage bejaht wird: Kann sich auch derjenige, der eine „gebrauchte“ Softwarelizenz erworben hat, für das Erstellen einer Programmkopie als „rechtmäßiger Erwerber“ nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 auf eine Erschöpfung des Rechts zur Verbreitung der vom Ersterwerber mit Zustimmung des Rechtsinhabers durch Herunterladen des Programms aus dem Internet auf einen Datenträger angefertigten Kopie des Computerprogramms berufen, wenn der Ersterwerber seine Programmkopie gelöscht hat oder nicht mehr verwendet?
Im Zuge eines solchen Verfahrens kommen auch die sogenannten Generalanwälte zu Wort, die dem EuGH ihre Rechtsansicht in Form ihrer Schlussanträge – da sie zum Ende der mündlichen Verhandlung erfolgen – darlegen. In eben einem solchen Schlussantrag plädierte heute nun der zuständige französische Generalanwalt Yves Bot für die Zulässigkeit des Weiterverkaufes von gebrauchter Software. Nach umfangreichen rechtlichen Begründungen schlägt er dem EuGH daher folgende Beantwortung an den Bundesgerichtshof vor:
Nach alledem schlage ich [der Generalanwalt; Anm. der Red.] vor, dem Bundesgerichtshof wie folgt zu antworten:
1. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen ist dahin auszulegen, dass das Recht zur Verbreitung der Kopie eines Computerprogramms sich erschöpft, wenn der Rechtsinhaber, der dem Herunterladen dieser Kopie aus dem Internet auf einen Datenträger zugestimmt hat, auch ein gegen Entgelt unbefristetes Nutzungsrecht an dieser Kopie eingeräumt hat.
Die Überlassung der Kopie eines Programms in der Union, in jeder Form und mit jedem Mittel, zur unbefristeten Verwendung gegen Zahlung eines Pauschalentgelts stellt nämlich einen Verkauf im Sinne dieser Vorschrift dar.
2. Die Art. 4 Abs. 2 und 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 sind dahin auszulegen, dass sich der Zweiterwerber im Fall einer Weiterveräußerung des Nutzungsrechts an der Kopie eines Computerprogramms für die Vervielfältigung des Programms durch das Erstellen einer weiteren Kopie nicht auf die Erschöpfung des Rechts zur Verbreitung dieser Kopie berufen kann, und zwar auch dann nicht, wenn der Ersterwerber seine Kopie gelöscht hat oder nicht mehr verwendet.
Solche Schlussanträge sind für den EuGH zwar nicht bindend, in aller Regel folgt er ihnen aber. Generalanwälte haben die Aufgabe völlig unabhängig und unvoreingenommen dem EuGH begründete Vorschläge für das zu fällende Urteil zu machen. Aus diesen beiden Gründen sind solche Schlussanträge daher relativ gute Indikatoren für den Verfahrensausgang. Eine abschließende Entscheidung des EuGH wird für die zweite Jahreshälfte 2012 erwartet. Der Bundesgerichtshof muss diese dann zwingend in seiner eigenen Entscheidung beachten.