Vorratsdaten: Deutschland lässt EU-Frist verstreichen
Deutschland wird die EU-Frist verstreichen lassen, vorerst wird die Bundesregierung keine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung verabschieden. Nun droht eine Strafzahlung, allerdings ist derzeit nicht abzusehen, wann und ob es überhaupt dazu kommt, da die entsprechende EU-Richtlinie auch auf europäischer Ebene umstritten ist.
Die EU hatte der Bundesregierung eine Frist bis zum 26. April gewährt, um die Vorratsdatenspeicherung gemäß der EU-Richtlinie umzusetzen. Eine Einigung konnte die Koalition allerdings nicht erreichen, die Vorstellungen des FDP-geführten Justizministerium sowie des CSU-geführten Innenministeriums klaffen zu weit auseinander. Das zeigte sich erneut in der vergangenen Woche, als ein Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium, der das von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bevorzugte Quick-Freeze-Verfahren beinhaltete, vom Innenministerium grob abgebügelt wurde. Da half auch keine Aussprache zwischen der Justizministerin und dem Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) konnte den Streit zwischen den Ressorts nicht beenden.
Die Klage der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof nimmt man nun in Kauf, bis zu einer Entscheidung dürften aber noch einige Monate verstreichen. Ebenfalls offen ist, wie hoch eine eventuelle Strafzahlung ausfällt. „Wir haben in Deutschland bereits eine Teilumsetzung der Vorratsdatenspeicherung“, erklärt der FDP-Netzpolitiker Jimmy Schulz, weswegen er davon ausgeht, dass lediglich ein Verfahren wegen „unzureichender Umsetzung“ eröffnet werde. Ob es dann schlussendlich zu einer Strafzahlung kommt, hängt auch davon ab, zu welchem Ergebnis die EU-Kommission bei der angekündigten Evaluierung der Richtlinie kommt – Kritik an dem Nutzen der Vorratsdatenspeicherung wurde schon vor geraumer Zeit auf der EU-Ebene formuliert.
Im Zusammenhang mit der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung stehen auch die unterschiedlichen Interpretationen des Urteils vom Europäischen Gerichtshof, nach dem die Herausgabe von Vorratsdaten in Filesharing-Prozessen im Einklang mit EU-Recht steht. Während Befürworter eines stärkeren Schutz von Urheberrechten das Urteil in der Regel begrüßt haben, sorgte es auf Seiten der Gegner für Stirnrunzeln – zuerst kritisiert, wird es nach ersten Analysen nicht mehr als Entscheidung pro Vorratsdatenspeicherung wahrgenommen. Laut Patrick Breyer vom AK Vorratsdatenspeicherung erklärt der Europäische Gerichtshof, dass lediglich „unter der Voraussetzung, dass ein Internet-Zugangsanbieter zulässigerweise Verkehrsdaten auf anderer Grundlage als der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung speichert, [...] das nationale Recht richterliche Auskunftsanordnungen zugunsten von Rechteinhabern erlauben [kann (nicht: muss)]“.