Nintendo Wii U ausprobiert: Ein erster Blick auf Marios Zukunft
Vorwort
Die Electronic Entertainment Expo (E3) 2012 stand zu einem guten Teil im Zeichen von Nintendos nächster Standkonsole, der Wii U. Denn während sich die Konkurrenz von Sony und Microsoft noch scheute, erste Details zu ihren „Next-Gen“-Projekten preiszugeben, gab Nintendo schon im Vorfeld mächtig Gas, um den für das Weihnachtsgeschäft anstehenden Verkaufsstart anzuheizen.
Wir hatten die Gelegenheit, die Wii U auf Nintendos Post-E3-Tour in Berlin anzutesten, was als Grundlage für diesen Bericht dient.
Wii U ausprobiert
Die Einführung einer neuen Konsolen-Generation ist immer mit einiger Spannung verbunden: Welcher Hersteller wird mit welcher Leistung aufwarten? Welcher Hersteller wird welche Zielgruppe ansprechen? Und wer kann dabei den höchsten Innovationsfaktor für sich verbuchen? So lauten einige der damit verbundenen zentralen Fragen.
Nintendo sorgte bei der letzten Runde der neuen Konsolen mit seiner Wii vor allem in der letzteren Hinsicht für Furore. Statt sich im aussichtslosen Kampf um die höchste Leistung mit der starken Konkurrenz von Sony und Microsoft zu verzetteln, verlegten sich die Japaner auf eine Nische, die sich im Verlauf der Zeit als echter Massenmarkt entpuppte. So vermochte es die auf einfach zugänglichen, schnellen Spielspaß ausgelegte Wii, mit dem Casual-Gamer-Markt eine riesige Zielgruppe zu eröffnen – und zwar derart erfolgreich, dass die besagte Konkurrenz nicht umhin kam, beim Grundstein des Erfolgs, dem Bedienparadigma, mit eigenen Lösungen nachzuziehen.
Dieser kurze Abriss ist deswegen wichtig, weil dieser Tage ein ähnlich gearteter Wettkampf ansteht. Während PlayStation 4 und Xbox 720 nach allem was man bisher weiß (oder zu wissen glaubt) wieder in die Performance- und Core-Kerbe schlagen werden, zeigt Nintendo mit der Wii U deutlich, dass es nach wie vor seinen eigenen Weg gehen will – bei der grundsätzlichen Marktpositionierung sind also keine Veränderungen zu erwarten.
Dementsprechend ist auch die abstrakte Idee hinter der Wii U nicht wirklich neu: Statt eine Vielzahl von Geräten zu nutzen und beim Gaming für sich zu bleiben, sollen die Spieler dazu ermuntert werden, kooperativ – und zwar nicht nur nebeneinandersitzend, sondern tatsächlich kommunizierend – ins Spielerlebnis einzutauchen.
Im Zentrum steht dabei das neue „Wii U GamePad“, das das Herz von Nintendos neuer Konsole darstellt. Auch wenn sich beim Design im Vergleich zum Prototypen noch mal einiges getan hat, erinnert das komplett in Kunststoff gehaltene GamePad nach wie vor an eine Mischung aus etwas klobigem Tablet und riesigem Controller. Dieser Eindruck rührt von den zum Einsatz kommenden Elementen her: Neben einem 6,2 Zoll großen Touchscreen wird die Front von den nintendo-typischen A-, B-, Y- und X-Knöpfen, einem klassischen Steuerkreuz und den ebenfalls bestens bekannten Start-, Select-, Power- und Home-Buttons dominiert. Auch die gängigen Schultertasten kommen zum Einsatz, während bei Bedarf auf der Rückseite zudem auf den integrierten Stift zur Bedienung zurückgegriffen werden kann.
Alles in allem ist der erste Kontakt mit dem „Wii U GamePad“ deswegen ein wenig irritierend. Aufgrund der Verquickung von Spiele-Tablet und Controller wird das gängige Bedienparadigma von Spiele-Konsolen nämlich von Beginn an aufgebrochen, sodass man sich als Anfänger schon was die Blickrichtung – Touchscreen oder TV? – angeht immer wieder hin und her gerissen fühlt. Hinzu kommt, dass man beim Spielen in vielen Fällen sowohl über die physischen Bedienelemente als auch über das Display aktiv werden kann – und beide Aspekte teilweise sogar kombiniert. Das erste Gefühl der Überforderung ist allerdings glücklicherweise schnell vergessen, da die Steuerung – zumindest bei den Spielen, die zum Testen bereitstanden (u.a. „Zombie U“, „New Super Mario Bros. U“, „Nintendo Land“ und „Wii Fit U“ – sehr intuitiv von der Hand geht, sodass man sich wie schon bei der Wii sehr schnell zurecht findet.
Die Idee hinter dem „Wii U GamePad“ ist dabei simpel und clever zugleich: Es erweitert den Bildschirm des TV-Gerätes, sodass dieses nicht mehr zwingend das Zentrum der Aufmerksamkeit darstellt. Dazu ist das GamePad im kleinsten Fall immerhin eine Art Addon, über das zusätzliche Informationen wie eine Umgebungskarte, ein Inventar oder Hilfestellungen visualisiert werden, wobei der Blick immer wieder vom Display des Controllers zum TV-Bildschirm wandert. Zugleich lassen sich in dieser Größenordnung auch Spielereien realisieren, sodass man im Spiel zu zweit dem mit einer konventionellen Wii-Remote gespielten Mario per Stift- oder Fingereingabe Hilfestellung geben kann, indem Gegner weggestupst oder schwer zugängliche Areale per aufpoppender Stufe erreichbar gemacht werden (siehe Bild unten).
Die Bedeutung für die Spielmechanik kann im Mehrspielerkontext aber auch deutlich zentraler sein, wobei das Schlagwort dann „asymmetrisches Spielen“ lautet. So erlaubt die Konzeption des GamePads als separate Mini-Konsole, die Spieldarstellung aufzubrechen: Mehrere Personen spielen denselben Inhalten, haben dabei aber unterschiedliche Perspektiven.
Ein gutes Beispiel ist das in der Minispiel-Reihe „Nintendo Land“ enthaltene „Luigi's Ghost Mansion“, bei dem bis zu vier Mii-Charaktere über die Wii-Remote per Taschenlampe einen Geist jagen. Letzterer wird von einem fünften Spieler und über das GamePad gesteuert: Während die vier Jäger – Kommunikation ist alles! – über das TV-Gerät spielen, konzentriert sich der Spieler, der den Geist übernimmt, voll auf den Bildschirm des Controllers und versucht, seine Widersacher möglichst von hinten anzufallen.
Gut verdeutlicht werden die Möglichkeiten auch in einer Tech-Demo, die mit Sightseeing zu tun hat: Während auf dem TV-Bildschirm statisch eine Busfahrt durch das nächtliche London präsentiert wird, lässt sich diese Perspektive auf dem Bildschirm des GamePads in 360-Grad-Perspektive verändern, was ein wesentlich dynamischeres Erlebnis ermöglicht und deutlich macht, wie autark bzw. gesplittet die Inhalte dargestellt werden.
Hierbei handelt es sich nur um zwei Beispiele von vielen, sodass sich sagen lässt, dass das „asymmetrische Spielen“ mit Blick auf das Potential im Mehrspieler-Segment zu den wichtigsten Features der Wii U zu zählen ist, wobei die Güte des Gebotenen aber ganz entscheidend von der Kompetenz und dem Willen der Spiele-Entwickler abhängt.