Crystal Dynamics im Interview: „Der Fokus liegt auf Tomb Raider“
„Tomb Raider“ im Fokus
Im vergangenen Jahr war Square Enix auf der Plattform PC eher mäßig präsent – jetzt hat der Publisher mit dem von IO Interactive entwickelten „Hitman: Absolution“ und dem aus dem Hause Crystal Dynamics stammenden „Tomb Raider“ gleich zwei Multi-Plattform-Titel in der Pipeline, die potentiell auch und gerade PC-Spieler verzücken könnten.
Nach dem für den 19. November geplanten „Hitman: Absolution“ (vgl. unsere Vorschau zum Spiel) liegt die Aufmerksamkeit seit der vergangenen Electronic Entertainment Expo nun im Besonderen auf „Tomb Raider“. Kein Wunder, denn immerhin haben die Entwickler von Crystal Dynamics der altehrwürdigen und alles in allem recht erfolgreichen Spielemarke im Rahmen des aktuellen Projekts einen gründlichen Neustart gegönnt, um dem neuesten Ableger so auch im Jahr 2013 – als Releasedatum wird derzeit der 5. März für PC, Xbox 360 und PlayStation 3 anvisiert – alle (vermeintlichen) Merkmale eines ordentlichen Verkaufsschlagers verpassen zu können.
Die ersten, vom (Pre-)E3-Trailer-Material herrührenden Eindrücke zeigen dabei, in welche Richtung sich die Reihe entwickeln könnte (siehe Trailer unten): Actionreich fällt Lara hier in die Hände von dubiosen Schergen, deren Motivation für ihre Gewalttätigkeit kaum erkennbar ist – eine rasante, zu kontroversen Diskussionen um die Darstellung von Frauen in Videospielen führende Fluchtsequenz inklusive. Dabei wird deutlich, dass die Protagonistin zumindest in diesen Szenen von der absolut furchtlosen Jägerin (so wurde Lara in den Vorgängern in aller Regel charakterisiert) zur – zurecht – verängstigten Gejagten transformiert ist, was abseits des lauten Geschreis um die „Vergewaltigungsszene“ das eigentlich Interessante an dem Video darstellt – doch dazu gleich mehr.
Auch wenn um die Konzeption und Ausgestaltung des neuen „Tomb Raider“ auch in den nächsten Monaten weiterhin vorzüglich gestritten werden kann, hat die starke, mit den eben beschriebenen Eindrücken verbundene Resonanz auf das Material zu Laras neuen Abenteuern doch bewiesen, dass das bisher Gezeigte einen Nerv trifft. Nicht all zu häufig hat ein Spiel, zu dem bisher noch nicht gerade viel bekannt ist, derart polarisiert – und selten konnte man in den einschlägigen Foren teils derart euphorische Reaktionen erleben. Die Spielewelt, so die daraus ableitbare Implikation, erwartet das neue „Tomb Raider“ bereits jetzt mit einiger Spannung.
Vor diesem Hintergrund hatten wir die Gelegenheit, mit Karl Stewart, seines Zeichens Global Brand Director bei Crystal Dynamics, über die Entwicklung des Spiels zu sprechen. Auch wenn Stewart unter Verweis auf das relativ frühe Entwicklungsstadium noch nichts richtig Konkretes zu den Inhalten kommunizieren wollte, ließen sich im Interview doch einige Erkenntnisse gewinnen, die unter anderem den Entwicklungsansatz, aber auch einige konzeptionelle Details betreffen und dabei klarer erscheinen lassen.
Der vielleicht wichtigste Punkt, der bei der Betrachtung des bisherigen Trailer- und Screenshot-Materials sehr deutlich wird, hat zunächst mit der Konzeption des Charakters der Protagonistin zu tun: Lara ist längst nicht mehr (bzw. noch nicht) das toughe, ohne Scheu Gegner metzelnde, in allerlei Dingen als Expertin auftretende Superbabe. Stattdessen beginnt die neue Lara ihren „Tomb Raider“-Auftritt in vielerlei Hinsicht weitgehend als normaler Mensch, was explizit beabsichtigt ist und das vielleicht wichtigste Kriterium bei der Entwicklung darstellt: „Wir möchten, dass Lara gemeinsam mit dem Spieler an den gestellten Aufgaben und Herausforderungen wächst“, erklärt Stewart den Ansatz. „Wir könnten Lara einfach zwei Waffen in die Hand drücken und die Geschichte in Rückblenden erzählen. Aber was wir uns stattdessen wünschen, ist, dass der Spieler diese Entwicklungen, den langsamen Aufstieg, miterlebt“, so Stewart weiter. Auf diesem Wege könne der Spieler teilhaben und so im späteren Spielverlauf ein intensiveres Spielerlebnis erleben.
An dieser Stelle findet sich auch der Ursprung zu dem Umstand, dass das neue „Tomb Raider“ als „Reboot“ der Marke proklamiert wird. Dementsprechend ist die Handlung als Prequel angesetzt: Die junge, gerade aus dem College geschlüpfte Lara Croft begibt sich auf die Suche nach dem Abenteuer ihres Lebens – doch muss sie nicht lange suchen, da dieses Abenteuer sie schneller einholt, als ihr lieb ist: Das Forschungsschiff, das Lara in neue, spannende Gefilde bringen sollte, strandet wegen eines dramatisch in Szene gesetzten Sturmes, was den Anfang zu allerlei Mysterien, Fragen und Kampfhandlungen in einer malerischen aber unwirtlichen Umgebung bedeutet (siehe Trailer unten).
Zusammengefasst ist Lara in dieser Einführungssequenz eine junge, unschuldige, vielleicht auch etwas naive aber abenteuerlustige Frau, wobei man sie der Idee nach in den folgenden Spielstunden bei ihrer Entwicklung hin zu jener Protagonistin begleitet, wie man sie aus den zeitlich nach dem Prequel spielenden Vorgänger-Titeln kennt.
Mit Blick auf diesen Rahmen macht es dann auch deutlich mehr Sinn, dass Lara in den Szenen des E3-Trailers so verängstigt, verstört und verletzlich wirkt – sie wird eben weitaus menschlicher und normaler gezeichnet, auch wenn es sich hierbei wie eben angedeutet nur um einen Ausgangspunkt für die mitunter im Zentrum stehende Charakterentwicklung handelt, die der Spieler miterleben soll: „Wir haben sehr viel Zeit und Gedanken in die Charakterentwicklung investiert“, betont Stewart mehrfach. Aus diesem Grund werde man miterleben können, welche Person Lara vor ihrem Dasein als toughe Action-Heldin war und welche Meilensteine sie auf ihrem Weg zu absolvieren hatte.
Doch nicht nur die Entwicklung von Laras Charakter, auch die damit verbundene Story soll fesseln, weswegen man bei Crystal Dynamics auch einige Zeit in die Entwicklung von ebendieser investiert hat: „Wir haben einige Zeit damit verbracht, unterschiedliche Kunstformen wie TV-Serien und Videospiele zu analysieren, um das bestmögliche Spielerlebnis zu ermöglichen“, erklärt Stewart. Dabei ließe man sich mit Blick auf die vergleichsweise lange Entwicklungsphase bewusst Zeit, um alles richtig zu machen und ein wirklich fertiges, rundes Produkt abliefern zu können.
Ein interessanter Punkt in der Auseinandersetzung und Bewertung wird allerdings auch die grundsätzliche Spielmechanik sein. Hier lag auf Basis des verfügbaren, spärlichen E3-Trailer-Materials die Vermutung nahe, dass die für „Tomb Raider“ bisher so typischen und wichtigen Adventure-Anteile zugunsten einer cineastischen Action-Präsentation zusammengestrichen werden. In dieser Hinsicht kann Stewart allerdings Entwarnung geben: „Im weiteren Verlauf des Spiels wird es auch altbekannte Elemente wie Rätsel geben.“ Darüber hinaus werden auch gewisse Rollenspielelemente Eingang finden, die neben den inhaltlich-storytechnischen Aspekten zur Entwicklung von Laras Charakter beitragen sollen.
Auf die ebenfalls mit der Spielmechanik verbundene Frage nach dem Ausmaß der Spielerfreiheit erwiderte Stewart, dass das neue „Tomb Raider“ ausdrücklich kein klassisches „Open World“-Spiel sei. Zwar würden dem Spieler abseits der eigentlichen Handlung umfassende Möglichkeiten zur Erkundung der bereits freigeschalteten Areale bereitgestellt werden, wobei man auch immer wieder mit Gimmicks und versteckten Arealen belohnt werde; eine absolute und vor allem stufenlose Bewegungsfreiheit, wie man sie vor allem aus dem Rollenspielsegment kennt, wird es dagegen erwartungsgemäß nicht geben. Richtig „Open World“ ist das neue „Tomb Raider“ demnach also nicht; ultra-linear, auf diese Feststellung legt Stewart wert, allerdings auch nicht. Aus diesem Grund wird es für Freunde von einem Mindestmaß an spielerischer Freiheit vor allem darauf ankommen, wie groß die besagten Areale am Ende tatsächlich ausfallen und welche über die Kern-Handlung hinausgehenden Möglichkeiten sich hier bieten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es bezüglich richtig handfester Informationen zu „Tomb Raider“ bis dato noch nicht viel zu berichten gibt. Darum bleibt abzuwarten, welche Qualität Laras neue Abenteuer auf der geschilderten Basis tatsächlich erreichen werden. Das bisher Bekannte macht in jedem Fall Lust auf mehr – die umfassende Aufmerksamkeit, die dem neuen „Tomb Raider“ zuletzt zu teil wurde, ist also definitiv berechtigt, wobei die nächsten Monaten zeigen müssen, ob Lara wirklich hält, was sie verspricht.
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