Kommentar: Bei geistigem Eigentum regiert die Ahnungslosigkeit

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Andreas Frischholz
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Streit um Worthülsen

Das Gezanke um das Urheberrecht trägt ohnehin die Hypothek, dass es die meisten nicht kümmert. Nach wie vor gilt Sascha Lobos „deine Mutter interessiert das Urheberrecht nicht“, ebenso passend Johnny Häuslers Replik: „Meine Söhne interessiert das Urheberrecht nicht.“ Trotzdem sind Mütter und Söhne nicht vor Abmahnungen gefeit, die eine essentielle Ursache für die Spaltung des klassischen Kulturbetriebs und der Netzgemeinde darstellen. Entstanden ist im Laufe der Jahre eine regelrechte Abmahnindustrie, mit Einnahmen von bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr. Von den eigentlichen Konsumenten, zum Schutz des geistigen Eigentums.

„Wir sind Urheber“-Aufruf
„Wir sind Urheber“-Aufruf (Bild: wir-sind-die-urheber.de)

Allein die ideologische Strahlkraft dieses Begriffs erstickt eine ernsthafte Debatte praktisch im Keim. Dabei handelt es sich bei geistigem Eigentum grob formuliert nur um einen Sammelbegriff für Schutzrechte wie das Urheberrecht, das Nutzungsrecht oder das Markenrecht. Politisch wird der Begriff erst durch die Bedeutung, die vornehmlich von Seiten der Rechteverwerter hinein interpretiert wird. So beschreibt etwa das Handelsblatt in der haarsträubenden „Mein Kopf gehört mir“-Kampagne das geistige Eigentum als zentralen Baustein für den Wohlstand und die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, weswegen ein stärkerer Schutz essentiell für die Zukunft des Landes sei. Abweichende Meinungen werden rigoros als Ideenkommunismus niedergewalzt. Dass der Begriff seit jeher umstritten ist – was soll's.

Vorgeworfen wird den Rechteverwertern, geistiges Eigentum als Kampfbegriff für die Ausweitung geistiger Monopole zu missbrauchen, zudem verschleiert er die Unterschiede von materiellen und immateriellen Gütern. Entgegengesetzt wurde der neutraler formulierte Begriff „immaterielle Güterrechte“, der im Endeffekt dasselbe meint und beispielsweise von der Piratenpartei benutzt wird. Politisch gebranntmarkt ist der Begriff aber nicht erst seit den Piraten, jene entsteht bereits allein durch die Konkurrenz zum geistigen Eigentum.

Einer der grundlegenden Streitpunkte in der Urheberrechtsdebatte ist also die reine Definitionsgeschichte eines Begriffs, in den mittlerweile jeder hinein interpretiert, was ihm gerade in den Kram passt. Das führt inzwischen zu Stilblüten wie der Äußerung von CDU-Politiker Siegfried Kauder, nach dessen Ansicht geistiges Eigentum dasselbe ist wie ein Fahrrad. Damit reiht Kauder sich in die Garde derjenigen ein, die nicht Willens sind zu verstehen, um was es im Kern überhaupt geht. Der Wille ist aber notwendig, beim Urheberrecht handelt es sich um eine komplexe Materie mit zahlreichen Fallstricken und Abwägungen.

Nur zählt ein schnödes Fahrrad zu den Sachgütern, die man etwa verschenken oder verlieren kann – und wenn es weg ist, ist es weg. Dann erhält man vom Fahrradhändler auch kein neues, nur weil das alte schon dort gekauft wurde. Anders bei Rechten, ein Account bei Online-Plattformen wie Steam oder Origin lässt sich etwa nach zwei Jahren wieder aktivieren. Die Dateien sind nach so einer Zeitspanne vermutlich nicht mehr auf dem heimischen Rechner, die Nutzungsrechte an den einst gekauften Spielen sind aber nach wie vor mit dem Account verknüpft und die Dateien können dementsprechend erneut heruntergeladen werden – ohne für die Spiele nochmals etwas zahlen zu müssen.

Vermutlich wäre es das Beste, die anstehende Urheberrechtsreform mit komplett neuen Begriffen zu gestalten. Die Unzulänglichkeiten in dieser Urheberrechtsdebatte sind beispielhaft für ein zentrales Problem in einer Mediendemokratie: Komplexe Themen werden mit einfachen, aber nur vage zutreffenden Begriffen veranschaulicht. Im Laufe der Debatte gerät die Komplexität in den Hintergrund, stattdessen werden die oberflächliche Begriffe vereinnahmt und mit neuen Spins oder Narrativen beladen. So entfernt sich eine Debatte immer weiter vom eigentlich Kern und verkommt zur reinen Phrasendrescherei.