Provider müssen mehr Kundendaten herausgeben
Der Bundesgerichtshof stärkt die Auskunftsansprüche von Rechteinhabern gegenüber Providern bei Urheberrechtsverstößen ihrer Kunden. So müssen Provider zukünftig die Daten von Anschlussinhabern herausgeben, auch wenn diese nicht in einem gewerblichen Ausmaß gehandelt haben. Bürgerrechtler kritisieren das Urteil.
Demnach können Rechteinhaber den Namen und die Anschrift von allen Nutzern anfordern, die unberechtigt urheberrechtlich geschützte Musikstücke über Filesharing-Netzwerke verbreiten. Dabei hebelt der Bundesgerichtshof den bisherigen im Urheberrecht festgeschriebenen Grundsatz aus, laut dem Urheberrechtsverletzungen im gewerblichen Ausmaß erfolgen müssen. Diese Einschränkung sollte als Korrektiv dienen, um Bagatellklagen vorzubeugen. Dieser Ansatz widerspreche aber nach Ansicht der BGH-Richter dem Ziel des Gesetzes, Rechtsverletzungen im Internet wirksam zu bekämpfen.
Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz hätten Rechteinhaber nicht nur gegen Nutzer, die im gewerblichen Ausmaß handeln, sondern gegen jeden. Ansonsten wäre ein Rechteinhaber „faktisch schutzlos gestellt, soweit er bei Rechtsverletzungen, die kein gewerbliches Ausmaß aufweisen, keine Auskunft über den Namen und die Anschrift der Verletzer erhielte“. Zudem verweisen die Richter in der Urteilsbegründung auf die Provider, die „in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht“ hätten – und somit wohl verantwortlich sein sollen, wenn über ihre Leitungen urheberrechtlich geschützte Werke illegal verbreitet werden.
Bei Juristen stößt das Urteil allerdings auf wenig Gegenliebe. Nach Ansicht des Anwalts und Lawblog-Betreibers Udo Vetter gebe der Bundesgerichtshof mit diesem Urteil „Menschen zum Abschuss durch die Abmahnindustrie frei, die Tauschbörsen nur minimal genutzt haben“. Ohnehin war die Einschränkung auf ein gewerbliches Ausmaß nur ein schwaches Korrektiv, weil etwa der Austausch von aktuellen Filmen und Musikstücken stets in die Kategorie „Gewerblich“ eingestuft wurde – ganz gleich, in welchem Ausmaß die entsprechende Datei verbreitet wurde.
Darüber hinaus sieht Vetter bei der Gesetzesauslegung des BGH einen Konflikt mit dem Grundrecht auf das Telekommunikationsgeheimnis. Das werde von dem Auskunftsanspruch der Rechteinhaber eingeschränkt, weswegen Bagatellverstöße nicht erfasst werden sollten. Wäre der Auskunftsanspruch nicht auf ein gewerbliches Ausmaß beschränkt, hätte das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht wohl keinen Bestand gehabt. Es sei bereits ein „erhebliches Zugeständnis, dass ein so wichtiges Grundrecht wie das Telekommunikationsgeheimnis zu Gunsten privater wirtschaftlicher Interessen überhaupt eingeschränkt wird“, so Vetter.
Ähnlich kritisch äußert sich Markus Beckedahl von der Bürgerrechtsorganisation Digitale Gesellschaft. Das Urteil stelle das „komplette Haftungsregime im Internet in Frage. Bislang galt, dass Internet Provider nicht für die Inhalte ihrer Nutzer haftbar sind“. Ähnlich wie Vetter sieht er vor allem Abmahnanwälte als Profiteure der Entscheidung. Die Digitale Gesellschaft sieht nun die Politik in der Verantwortung, diese müsse ein präziseres Gesetz formulieren. Bislang fehle „eine wirksame Deckelung von Abmahnungen und eine Bagatellklausel für Urheberrechtsverletzungen im Internet“, so Beckedahl.