Kommentar: Google wegen Persönlichkeitsrecht am Pranger – zu Recht?

Andreas Frischholz
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Kommentar: Google wegen Persönlichkeitsrecht am Pranger – zu Recht?
Andreas Frischholz

Google am Pranger

Islamisten zetteln im nahen und mittleren Osten wegen eines Mohammed-Schmähvideos gewalttätige Aufstände an, während in Deutschland die ehemalige Präsidentengattin Bettina Wulff gegen üble Gerüchte kämpft – und in beiden Fällen steht Google in der Kritik. Weil der Internetkonzern Informationen über die Suchmaschine oder YouTube weitestgehend ungefiltert verbreitet. Die Kritik geht mittlerweile soweit, dass sogar der Iran Google als Argument vorschiebt, um das innerstaatliche Zensurprogramm voranzutreiben. Allerdings schrammen die Vorwürfe gegen Google an den eigentlichen Ursachen der jeweiligen Probleme vorbei und verdecken die Risiken, die aufgrund der Position von Google als zentraler Informationsverwalter im Web bestehen.

Sinnbildlich steht dafür der Konflikt um den Mohammed-Schmähfilm, der als Auslöser für die aktuellen, gewalttätigen Ausschreitungen im arabischen Raum gilt. Google soll mitverantwortlich sein, weil Ausschnitte des Films auch auf Googles Video-Plattform YouTube zu sehen sind. Der Vorwurf entspricht der in hiesigen Gefilden populären Vorstellung, beim Arabischen Frühling handele es sich um eine „Twitter-Revolution“, was die Rolle der sozialen Medien in den arabischen Regionen überschätzt. Die Informationsverbreitung verläuft weitestgehend über informelle Kanäle und Mund-zu-Mund-Propaganda, dementsprechend sind auch die Bedeutung von YouTube und der Einfluss von Google auf die Aufstände einzuordnen – so hilft es auch wenig, dass der Film in den betroffenen Ländern mittlerweile nicht mehr abrufbar ist.

Eine der Schauspielerinnen – die angeblich nicht wusste, in was für einem Machwerk sie mitspielt – will infolge zahlreicher Morddrohungen gerichtlich gegen Google vorgehen, weil durch den über YouTube abrufbaren Film eine „Bedrohung ihres Persönlichkeitsschutzes“ entstanden sei. Die zusätzliche Forderung, Google soll zumindest die Szenen löschen, in denen sie zu sehen ist, wurde von einem Richter mittlerweile zurückgewiesen – mangelnde Aussicht auf Erfolg. Dass Google sich weigert, das Video in den USA und anderen westlichen Staaten zu löschen, entspricht schlicht dabei der amerikanischen Vorstellung von Meinungsfreiheit. Diese genießt eine höhere Priorität als in Deutschland, wobei selbst hierzulande ist es fragwürdig, ob die Verbreitung des Machwerks verboten werden kann.

Letztlich wirken beide Vorwürfe reichlich konstruiert. Das Video ist bereits publik, die Aufstände sind ausgebrochen, die Löschanträge kommen schlicht zu spät – zumal YouTube in der arabischen Welt nur eine untergeordnete Rolle spielt. Vielmehr spricht einiges dafür, dass der Film von den Strippenziehern der radikalen Bewegungen gezielt lanciert wurde, um die ohnehin stetig zunehmenden Proteste in der Region anzustacheln. So erklärt sich auch, dass das Video mehrere Wochen abgerufen werden konnte, ohne dass jemand Notiz daran nahm.

Ähnlich steht es um die hierzulande aufgekochte Debatte nach Biographie-Veröffentlichung von Bettina Wullf. Die Verleumdungen um die angebliche Rotlicht-Vergangenheit der ehemaligen Präsidentengattin stammen aus der niedersächsischen CDU und wurden über klassische Medien publik. Danach kam Google ins Spiel, zusammen mit einer sensationslüsternen Öffentlichkeit, die mit zahlreichen Suchanfragen Interesse an der Vergangenheit der damaligen Präsidentengattin zeigte. Seitdem ergänzt die Autovervollständigung der Google-Suche ihren Namen um Begriffe wie „Escort“ oder „Prostitution“ – der Streisand-Effekt lässt grüßen. So lässt sich über Googles Autovervollständigung treffend streiten, allerdings geht der Vorwurf zu weit, Google verletze die Persönlichkeitsrechte von Bettina Wulff. Insbesondere aus dem Mund von Innenminister Hans-Peter Friedrich, der besser mal bei seinen Unionskollegen in Niedersachsen nachfragen sollte, wo die ihre gutbürgerlichen Sitten gelassen hatten. Aber bevor man gegen die Verursacher vorgeht oder die klassischen Medienbetriebe hinterfragt, die das Gerücht leichtfertig lanciert haben, drischt man lieber auf Google ein.

Ein Überbringer schlechter Nachrichten ist selten beliebt.

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