Kommentar: Google wegen Persönlichkeitsrecht am Pranger – zu Recht?
2/2Problem: Dominanz
Dass Google immer wieder in den Mittelpunkt rückt, liegt weniger an Google selbst als an der dominanten Marktstellung. Google ist lediglich ein Synonym für Probleme, die im Kern aus der Architektur des Internets hervorgehen – vergleichbar mit einem Boten im alten Rom. Dieser ist nicht derjenige, der Schlachten verliert, politische Forderungen stellt oder Gerüchte streut, die eigene Frau feiere wilde Orgien, muss aber beim ersten Wutausbruch den Kopf hinhalten. Trotzdem sollte man sich dreimal überlegen, ob man ihm zur Bestrafung für die miesen Nachrichten ein Bein abhackt. Das mindert womöglich den Frust, hat aber Folgen für die zukünftige Nachrichtenqualität – vor allem dann, wenn man nur einen Boten hat. Und Googles Suchmaschine ist mit einem Marktanteil von über 90 Prozent eben dieser eine Bote.
Quelle: StatCounter, global für August 2012
Bei der Regulierung und Einschränkung von Google sollte man also mit Bedacht vorgehen, zumal die Ergebnislisten bereits entsprechend der nationalen Gesetzeslagen gefiltert werden. In Deutschland werden etwa Webseiten mit strafbaren Inhalten wie der Holocaust-Leugnung nicht angezeigt, während der Schwerpunkt in den USA auf die Verfolgung von Webseiten mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ausgerichtet ist – das eine ist vernünftig, das andere zumindest nachvollziehbar, wenn auch diskussionswürdig.
Sollten nun aber noch Mechanismen geschaffen werden, um bei vermeintlichen Persönlichkeitsverletzungen regulierend einzugreifen, könnte die Filterung leicht überhandnehmen – man denke nur an die Abmahnwellen der letzten Jahre. Zudem können solche Instrumente leicht missbraucht werden, indem etwa Unternehmen unliebsame Kritik aus dem Fokus der Öffentlichkeit verbannen. Eine Google’sche Dystopie zeigt sich in China mit der staatlichen Zensur politisch nicht gewollter Inhalte.
Es bringt also wenig, Google mit Repressalien zu überziehen. Genauso gilt aber auch:
Es sind also nicht die sogenannten Missbräuche wirtschaftlicher Macht zu bekämpfen, sondern wirtschaftliche Macht selbst.
Walter Eucken, Mitbegründer der sozialen Marktwirtschaft
Die dominante Marktposition kann zum Problem werden, wenn sie es nicht schon längst ist. So birgt etwa die personalisierte Suche dieselben Risiken wie ein Bote, der nur erzählt, was man hören will: man nimmt die Welt nur noch aus einem erwünschten Blickwinkel wahr. Gefolgt von der Vorstellung, einen gläsernen Nutzer zu schaffen, dessen Verhalten im Web auf Schritt und Tritt verfolgt werden kann – bei einer ziemlich fragwürdigen Datenschutzhaltung. So entsteht aus den Sucheingaben der Nutzer ein präzises Abbild der Gesellschaft, das als eine Art Brennglas den Blick der Massen auf vormals unscheinbare Details lenken kann.
Im Internet tätige Unternehmen sind hingegen darauf angewiesen, einen möglichst hohen Rang in den Suchergebnislisten zu erzielen, um von den Nutzern wahrgenommen zu werden. Das spiegelt sich in den bis zu fünfstelligen Summen wider, die für Suchmaschinenoptimierung (SEO) ausgegeben werden. Doch der damit betriebene Aufwand gleicht letztlich einem Schuss ins Blaue, weil Google den Code für den Suchalgorithmus nicht freigibt. Verständlich, immerhin ist der Algorithmus das Tafelsilber des Unternehmens. Dennoch schürt die Geheimnistuerei und das vage Kommunikationsverhalten berechtigtes Misstrauen. Vor allem, wenn Google mit den regelmäßigen Code-Updates die Ergebnislisten durcheinander wirbelt, kommt es zu Manipulationsvorwürfen – die wohl letztlich unbegründet sind, aber eben auch kaum zu kontrollieren.
Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage, ob Google die dominante Marktstellung erst missbrauchen muss, damit dagegen vorgegangen wird – oder ob diese allein schon Grund genug dafür ist. Um die Risiken zu minimieren, bräuchte es vor allem Konkurrenz. Sozusagen mehrere Boten, die unabhängig voneinander Nachrichten übermitteln und damit gegenseitig zumindest eingeschränkt kontrollierbar sind. Doch für gravierende gesellschaftliche Probleme wie Verletzungen von Persönlichkeitsrechten, „Cyber-Mobbing“ und Aufrufe respektive leichtfertige Provokationen zu Gewalttaten ist Google nicht verantwortlich, diese beschränken sich nicht mal auf das Internet. Politiker sollten deswegen Vorsicht walten lassen mit Forderungen nach Gesetzen, die komplexe Probleme nicht lösen, aber neue schaffen. Wohin das führen kann, zeigt derzeit das Clean-IT-Projekt mit einem ins absurde ausufernden Maßnahmenkatalog, der jeder Überwachungsdystopie gerecht wird.
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