Carrier Command: Gaea Mission im Test: Das Anti-Casual-Spiel
2/4Carrier Command im Überblick
Schaut man gleich zu Beginn auf die grundlegenden Details, wird deutlich, dass das neue „Carrier Command“ dem großen Vorbild und Vorgänger treu bleibt. So kommt es auch hier im Kern darauf an, mit einem massiven, futuristischen Kriegsschiff – dem Carrier – das Pendant des Gegners zu zerstören. Was zunächst nach einer schnell erledigten Angelegenheit klingt, entpuppt sich allerdings als anhaltender Wettstreit um Ressourcen, Ausstattung und die richtige Taktik, sodass CC potentiell für zig Stunden unterhalten kann.
Dies liegt auch daran, dass als Spielwelt ein großes Archipel mit 33 unterschiedlichen Inseln dient. Diese unterscheiden sich nicht nur in ihrer Vegetation, sondern auch bezüglich der Ressourcen, die zur Verfügung stehen. Letztere werden wiederum benötigt, um Einheiten bauen zu können, was deutlich macht, dass im Zentrum der Kampf, die Übernahme und die Sicherung der Inseln steht. Aus diesem Grund gehört es zum guten Ton von „Carrier Command“, dass sich die Hauptquartiere der Kontrahenten – die Carrier – in aller Regel erst im späteren Spielverlauf direkt gegenüberstehen, während vorher einzelne Einheiten – vom Carrier ausgehend – um die Beherrschung der Inseln kämpfen. Um diese zu erlangen, muss die jeweilige Befestigung umgangen oder ausgeschaltet werden, um dann das Hauptquartier zu hacken. Ist dies geglückt, kann der Spieler über alle Gebäude und die dort stattfindende Produktion der Insel verfügen.
Was komplex klingt, geht sich auch durchaus komplex an, zumal man aufgrund der Konzeption als Strategie-Action-Hybrid ständig die Perspektive und die Rolle wechseln kann und muss. So kann man entweder auf die KI vertrauen und seine Vehikel automatisch in die Schlacht schicken – oder man führt sie am Steuer von einem der Fahrzeuge selbst an. Zentrales Bedienfeld ist dabei stets der Carrier-Bildschirm, über den nicht nur Reparaturen am Schiff vorgenommen, sondern auch Einheiten gebaut und mit Zusatzausrüstung versehen werden können. Darüber hinaus kann über insgesamt acht weitere Slots verfügt werden, von denen je vier eine Art Flugzeug – die Mantas – und ein Amphibienfahrzeug – die Walrus – beherbergt.
Diese Fahrzeuge können einzeln an- und abgedockt werden, sodass man je nach Einsatzschwerpunkt mit einem Fahrzeug erkunden oder aber mit voller Kampfstärke einen Frontalangriff starten kann. Außerdem können sie dank der zusätzlichen Module im Verlauf des Spiels spezialisiert werden: Wer einen Manta zum wendigen Spion mit einer hohen Reichweite machen möchte, wird an Dingen wie der Panzerung sparen – und dafür jedes Terrain vorm Betreten bestens erkunden können. Walruse können dagegen beispielsweise zu wuchtigen Fast-Panzern, Erkundungsfahrzeugen oder mobilen Anti-Luft-Einheiten umgebaut werden, was den strategischen Tiefgang und die Möglichkeiten und Notwendigkeiten auf dem Schlachtfeld erhöht.
An dieser Stelle kommt allerdings leider die typische Bohemia-Problematik ins Spiel, die sich auch bei „ArmA“ beobachten lässt: So clever und gut die Spielmechanik durchdacht und im Ansatz auch umgesetzt ist – es hapert gerade kurz nach Veröffentlichung des Spiels doch immer an vielen Ecken und Enden, was zunächst vor allem auf einen baldigen Patch hoffen lässt.
Ein vorerst weniger gravierender Aspekt ist, dass der Action-Part von „Carrier Command“ wie ein unschöner Wurmfortsatz wirkt. Denn so sinnvoll es ist, den Spieler nicht nur aus der Kanzel des Carriers, sondern auch live vor Ort ins Geschehen einzubeziehen: Die Abschnitte, in denen man selbst ans Steuer (oder hinters Gewehr) wechselt, fallen ziemlich öde aus. Dies liegt nicht nur an der schwammigen Steuerung oder der manchmal seltsamen Physik (man bleibt öfter hängen), sondern vor allem daran, dass man so einfach zum Ziel gelangt. Kurzum: Gegnerische Fahrzeuge, Befestigungen und Soldaten sind eher Kanonenfutter als ernstzunehmende Gegner.
Wirklich ärgerlich ist, dass es trotzdem faktisch zwingend notwendig ist, sich selbst per Tastendruck durch die Fahrzeuge seiner Kampftruppe zu schalten. Der Grund hierfür ist, dass die KI der eigenen Truppen mit massiven Problemen zu kämpfen hat, sodass man auf dem Schlachtfeld kaum umhin kommt, immer wieder per Mikromanagement Ordnung in die eigenen Reihen zu bringen: Von der KI gesteuerte Walruse bleiben hängen, lassen sich grundlos zurückfallen, finden ihren Wegpunkt nicht und fahren auch gerne mal quer durch die gegnerische Hauptbefestigung; Mantas fliegen wirr umher, anstatt die Bodenkräfte zu unterstützen und scheinen es fast schon zu lieben, über gegnerischen Flakstellungen zu kreisen.
Diese Problematik ist nicht nur bedauerlich, sie ist auch frustrierend, weil man so dazu gezwungen wird, sich umfassend dem – in puncto Spielspaß wie angedeutet eher mäßigen – Action-Teil zu widmen. Aus diesem Grund erwischt man sich schnell bei dem Wunsch, Bohemia hätte auf das Wechseln in die Fahrzeuge zu Gunsten einer clevereren KI verzichtet.
Typisch Bohemia ist auch die gehabt rudimentäre Einführung des Spielers in die komplexe Materie. Zwar handelt es sich bei der knapp 20 Stunden währenden Einzelspieler-Kampagne (die sehr rudimentäre Hintergrundhandlung ist nicht der Rede wert) um nichts anderes als ein riesiges, langatmiges Tutorial, doch wird man auch hier immer wieder allein gelassen. Das Motto lautet deswegen auch bei diesem Bohemia-Tital „Trial and Error“, was für geduldige Spieler kein Problem und sogar eine Herausforderung darstellt, für die Casual- und Standard-Fraktion aber sehr schnell äußerst frustrierend ausfallen dürfte. „Carrier Command: Gaea Mission“ ist deswegen (und das ist in diesem Fall kein echtes Lob) absolut „Anti-Casual“.
Wer die ersten Stunden und besser noch die Kampagne übersteht, darf sich aber auf einen spannenden Skirmish-Modus freuen. Hier kommt bei überwiegend verteilten Inseln von Beginn an das komplette Spektrum der Möglichkeiten zum Einsatz, wobei man das Ganze dank der Lehrstunden aus der Kampagne auch einigermaßen handhaben kann. Wirklich enttäuschend ist in dieser Hinsicht allerdings schließlich, dass kein wie auch immer gearteter Mehrspielermodus existiert. Dieser hätte das Angebot massiv aufwerten können, da man so nicht nur gegen die – auf Gegnerseite immerhin ziemlich kompetente – KI, sondern auch gegen echte Gegner hätte ins Feld ziehen können.