Nokia Lumia 820/920 im Test: Die neuen High-End-Modelle mit Windows Phone
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Auch wenn Microsoft wie schon bei Windows Phone 7 den großen Rahmen vorgibt: Hier und da haben die Hersteller dennoch die Möglichkeit, ihre Geräte den eigenen Vorstellungen anzupassen. Neben dem Design ist vor allem das Display ein solcher Bereich. Von Interesse sind hier vor allem Größe und Auflösung, aber auch die zugrunde liegende Technik. In allen drei Punkten unterscheiden sich Nokias Neulinge deutlich voneinander.
Lumia 820
Nach den äußerst guten Erfahrungen im Bereich der Verarbeitung und Haptik kommen wir mit dem Display zum ersten Kritikpunkt des Gerätes. Zwar fällt dieses mit einer Diagonale von 4,3 Zoll angenehm und nicht zu groß aus, doch stellen 480 × 800 Bildpunkte eine Auflösung dar, die man in dieser Preisklasse nicht erwartet hatte und die eher in Geräten des Baujahres 2010 zu finden ist. Das Resultat sind bescheidene 217 Pixel pro Zoll, wobei Nokia beim ClearBlack-AMOLED genannten Display auf eine RGB-Matrix setzt, was die Nachteile wieder etwas wett macht. Dabei scheint ein AMOLED-Display genau die richtige Wahl für die mit poppig bunten Kacheln versehene Oberfläche von Windows Phone 8 gewesen zu sein, denn zumindest auf dem Homescreen lässt sich die geringe Auflösung nicht erkennen. Vereinzelt lassen sich zwar Pixel ausmachen, doch im Großen und Ganzen stellt das Display, wenn auch anders erwartet, hier keinen Nachteil dar. Etwas anders sieht es bei den sehr auf Text setzenden weiteren Menüs aus, die etwas mehr Bildpunkte hätten vertragen können und leicht zum Ausfransen neigen. Aufgrund der von Microsoft gewählten Schriftarten hält sich das Problem aber in Grenzen.
Deutlich bemerkbar macht sich die Auflösung hingegen beim Betrachten von Webseiten im Browser. Hier mangelt es eindeutig an Fläche, sodass ein ständiges Scrollen in alle Richtungen notwendig ist, um den kompletten Inhalt einer Seite betrachten zu können. Auch HD-Material kann nicht in seiner nativen Auflösung auf dem Gerät dargestellt werden. Rein subjektiv schlägt sich das Display trotz seiner geringen Auflösung aber erstaunlich gut, denn ein Ablesen war auch unter extremen Blickwinkeln und äußeren Einflüssen stets gut möglich. Auch in Sachen Helligkeit kann die Anzeige punkten, wenngleich Windows Phone 8 neben der automatisierten Helligkeit nur drei Stufen zur manuellen Einstellung bietet. Im Folgenden werden wir klären, ob sich der subjektive Ersteindruck durch die Messwerte bestätigen lässt.
Als optimalen Weißpunkt sehen wir D65 an, also eine Farbtemperatur von 6.500 Kelvin (K). Dies entspricht nach gängiger Definition einem mittlerem Tageslicht und ist der Weißpunkt der gängigen Farbräume sRGB und AdobeRGB. Eine Abweichung von einigen hundert bis etwa 1000 K ist bei Mobiltelefonen als noch akzeptabel anzusehen, einige Displays – bauartbedingt vor allem OLED-Modelle – liegen allerdings beim Weiß und noch mehr bei Grautönen oft im Bereich um 10.000 K, was bereits als deutlicher Blaustich wahrnehmbar ist. Sehr viele Displays von Smartphones und Notebooks treffen zwar den Weißpunkt von 6.500 K relativ genau, weichen aber bei Grautönen und anderen mittleren Farbtönen deutlich mit einem Blaustich ab. Vor allem bei gleichzeitigem Auftreten von Grau und Weiß ist diese ungleichmäßige Graubalance wahrnehmbar.
Gegenüber der LCD-Technik weisen OLED-Bildschirme einige Besonderheiten auf, die sich teilweise in unseren Messungen niederschlagen und erklärungsbedürftig sind. Zum einen ist das der bekanntermaßen hohe Kontrast, der bei OLED durch die selbstleuchtenden Pixel möglich ist – es gibt hier kein Backlight, welches durch das Panel mehr oder weniger stark abgedunkelt wird, sondern ein schwarz angesteuerter Pixel ist tatsächlich komplett schwarz und leuchtet nicht. Da das Kontrastverhältnis den Quotienten zwischen der Helligkeit von Weiß und Schwarz angibt, ergibt die Kontrastmessung bei OLED-Displays theoretisch eine Division durch Null und damit ein nicht definiertes Ergebnis – in der Praxis gibt es bei der Schwarzmessung immer eine gewisse Resthelligkeit durch Streulicht und ein Signalrauschen beim Messgerät, sodass Kontrastergebnisse im fünfstelligen Bereich entstehen. Da die Darstellung dieser Kontrastwerte im Balkendiagramm den irreführenden Eindruck erzeugen, der Kontrast wäre bei OLED sichtbar um viele Größenordnungen besser, haben wir uns entschieden als Kontrast maximal 5000:1 darzustellen und auf diese Erklärung zu verweisen. Im Alltag ist der Unterschied allenfalls in sehr dunklen Umgebungen deutlich wahrnehmbar, bei Tageslicht sind Faktoren wie die Reflexionen der Displayoberfläche wesentlich wichtiger.
Die zweite Besonderheit ist die beim derzeitigen Stand der Technik verhältnismäßig geringe Lebensdauer der blauen Leuchtelemente bei OLED-Displays. Dies veranlasst die Hersteller dazu, zur Steigerung der Lebensdauer bei einigen Displays die klassische RGB-Subpixelmatrix durch alternative Anordnungen abzulösen. Bekannt ist dabei beispielsweise Samsungs „PenTile“-Matrix, deren Hauptmerkmal die Vergrößerung der blauen und roten Subpixel ist – allerdings bei gleichzeitiger Halbierung ihrer Anzahl. Das bedeutet, dass bei gleicher Nennauflösung diese Displays eine geringere Anzahl von Subpixeln aufweisen als Displays mit der bewährten RGB-Matrix. Jeder Pixel verfügt weiterhin über seinen eigenen grünen Subpixel, teilt sich aber den jeweiligen roten und blauen Subpixel mit seinem Nachbarpixel. Das ganze führt bei gleicher Nennauflösung zu einer geringeren tatsächlichen Auflösung und an Kontrastkanten zu Farbsäumen, die vor allem die Lesbarkeit von Text deutlich verringern können.
Nimmt man den OLED-typisch sehr hohen Kontrast aus der Gleichung, so bestätigen die Messergebnisse die subjektiven Eindrücken und bescheinigen dem Display gute, wenn auch nicht neue Maßstäbe setzende Eigenschaften. Bei der maximalen Helligkeit landet das Lumia 820 zwar nur im hinteren Mittelfeld, doch im Vergleich zu anderen mit einem OLED-Display ausgestatteten Geräten stellt dies einen sehr guten Wert dar. So kann sich das Gerät an die Spitze der OLED-Vertreter setzen und bietet satte 314 cd/m², sodass auch bei direktem Lichteinfall immer noch ein befriedigendes Ablesen möglich war. Etwas problematisch fällt die niedrigste Helligkeitsstufe aus, die mit 84 cd/m² zu hell ist. Hier ist der Fehler aber nicht unbedingt auf Seiten von Nokia zu suchen, denn Microsofts Windows-Phone-8-Einstellungen erlauben schlichtweg keine niedrigere Stufe und könnte in diesem Bereich durchaus vielfältigere Optionen für das Display vertragen.
So fällt das Fazit insgesamt gut aus, muss allerdings mit einem kleinen Aber versehen werden. Das Display punktet zwar mit seinen weiteren Eigenschaften wie der sehr guten Helligkeit, doch eine Auflösung von 480 × 800 Bildpunkten ist nicht mehr zeitgemäß. Gerade im Browser sowie beim Lesen von E-Mails und zum Teil auch beim Betrachten von Bildern und Videos macht sich diese Schwäche bemerkbar. Geräte zu einem vergleichbaren Preis bieten zum Teil deutlich mehr.
Lumia 920
Ähnlich und doch anders sieht es beim Lumia 920 aus. Nokia setzt hier anders als beim kleineren Modell auf ein herkömmliches IPS-Panel, stellt diesem aber ebenfalls die ClearBlack-Technik zur Seite. Auf 4,5 Zoll verteilen sich insgesamt 1.280 × 768 Pixel, die daraus resultierenden 331 ppi übertreffen unter anderem das iPhone 5 und sorgen für eine sehr scharfe Darstellung von Inhalten. Anders als beim AMOLED-Display des Lumia 820 fallen insbesondere die Schwarzwerte bauartbedingt schlechter aus, was sich nicht zuletzt beim Kontrast bemerkbar macht. Mit einem Verhältnis von nicht einmal 700:1 rangiert das neue Topmodell auf einem der unteren Plätze, in puncto Helligkeit mit 356 Candela pro Quadratmeter immerhin im Mittelfeld.
Dabei sind die Messwerte ein Stück weit trügerisch, denn der Gesamteindruck des Displays ist durchaus positiv. Farben werden knackig dargestellt, die Blickwinkel sind aufgrund des IPS-Panels großzügig. Im direkten Vergleich beider Modell geht das Lumia 920 eindeutig als Sieger vom Platz, die deutlich höhere Auflösung macht den eventuellen Vorteil des Lumia 820 durch AMOLED mehr als wett.