Kommentar: Zwei Meinungen zu Windows Phone 8

Nicolas La Rocco (+1)
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Kommentar: Zwei Meinungen zu Windows Phone 8
Nicolas La Rocco

Vorwort

Der Kampf der mobilen Plattformen tobt intensiver denn je – und bedingt dabei auch immer stärker polarisierte Standpunkte und Meinungen in der potentiellen Käuferschaft und bei den Beobachtern. Besonders deutlich wird die Radikalisierung der Ansichten mit Blick auf Windows Phone 8 (ComputerBase-Bericht), mit dem sich Microsoft seit Ende Oktober anschickt, neben Apple und Google zu einem wichtigen Spieler im Segment zu werden.

Wir hatten in den vergangenen Wochen umfassend Gelegenheit, uns mit der neuen Version von Windows Phone auseinanderzusetzen und präsentieren vor dem eben beschriebenen Hintergrund je eine Pro- und Kontra-Sicht auf das mobile Betriebssystem aus dem Hause Microsoft.

Startbildschirme von Windows Phone 8
Startbildschirme von Windows Phone 8

Kontra

von Nicolas La Rocco

Im mobilen Bereich war Microsoft aus Redmond eigentlich ein Vorreiter und schon früh auf – nennen wir sie – Smartphones und den damals beliebten Pocket-PCs vertreten. Eine wirkliche Messlatte für „smart“ setzte aber erst 2007 der ewige Widersacher Apple aus Cupertino. Und bereits ein Jahr später zeigte sich das erste Mal Google aus Mountain View in Form von Android auf dem von HTC gefertigten Dream. Zwar nur auf dem US-amerikanischen und britischen Markt, aber schon damals ließ sich der Erfolg erahnen. Zu dieser Zeit versuchte Windows sein weniger smartes Auftreten mit neuer Kleidung in Form von optischen Retuschen zu kaschieren, doch auch die vielen Abkömmlinge von Version 6.x von Windows Mobile konnten die Gesamterscheinung nicht viel intelligenter wirken lassen. Der Umbruch erfolgte erst 2010 mit Windows Phone 7, das auch einen Vorgeschmack auf das zukünftige Aussehen von Windows im Desktop-Bereich geben sollte. Als einen ersten Fuß im kalten Wasser lässt sich der Auftritt beschreiben, wirklich aufmerksam wurden die restlichen Schwimmer im Becken aber nicht.

Doch jetzt, in der achten Auflage, auf einer Linie mit dem Desktop-Pendant, soll alles wieder besser werden, der Anschluss, nein sogar ein Vorbeiziehen an der Konkurrenz möglich sein. Der Ehrgeiz der Entwickler muss nach einer genauen Betrachtung von Windows Phone 8 aber in enge Schranken gewiesen werden. Es versucht vieles besser zu machen, kann aber dem geballten Funktionsumfang von Android oder der Komplettheit von iOS nichts anhaben. Ja, ich selbst habe mich schon seit Jahren der Buhlerei von Google hingegeben. Ein Umzug auf eine andere Plattform wäre aufgrund der gewaltigen Ansammlung von Apps, Einstellungen und Gewohnheiten äußerst schwierig. Da muss schon deutlich mehr geboten werden, als nur eine schick gestaltete Oberfläche. Die Oberfläche wirkt etwas durcheinander, Mitteilungen werden nicht an einer zentralen Stelle gesammelt, die mit der Bewegung eines Fingers in den Fokus gerückt werden kann. Von einer umfangreichen Statusleiste für Benachrichtigungen und allerlei anderen Dingen ist Windows Phone 8 noch sehr weit entfernt.

Mit der Unterstützung von Multi-Core-Prozessoren, verschiedenen Display-Auflösungen sowie Speicherkarten möchte Microsoft das Betriebssystem schmackhaft machen, doch darauf kann man nur erwidern, dass solche Funktionen längst zum Standard gehören. Mehr Farben für die Oberfläche, neue Tiles, Backups in der Cloud, Screenshots, mehr Effekte für die Kamera und Mehrfachauswahl in der Galerie sollen die großen Geschütze darstellen, die Microsoft auffährt. Doch eigentlich ist es nur ein Versuch, den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren. Auch wenn diese Funktionen nun endlich auch von Windows Phone beherrscht werden, muss man aber bedenken, dass die Mitbewerber womöglich schon den nächsten Hasen im Zauberhut bereit halten. Die wirkliche Innovation fehlt in der aktuellen Konstellation. Die Kreuzung aus Apples Passbook und Googles NFC-Funktionen, bei Windows Phone Wallet Hub genannt, ist ein guter Ansatz, doch scheitert dieser an der nicht vorhandenen Akzeptanz in unseren Regionen. Ein Blick über den Atlantik verdeutlicht aber immerhin die Inspiration für diese Funktionen.

Windows Phone sieht zwar schön aus, doch an den immer wieder gleichen und langwierigen Animationen sieht man sich schnell satt. Die zu Anfang schöne Optik und flüssige Darstellung wird durch lange Wartezeiten mehr als egalisiert. Mit großen Tönen möchte Microsoft Kunden für sich gewinnen, aber die großen Symbole und Schriftarten der Oberfläche bedürfen viele Seiten, bis man den Inhalt komplett wahrgenommen hat. Das Blättern durch großflächig verteilte Informationen ist mühselig. Auskünfte auf nur einer Seite auszugeben, das scheint Windows Phone nicht besonders zu liegen. An mehreren Stellen setzt es auf sehr große Schriftarten, die den Überblick verlieren lassen und die Bedienung unnötig erschweren. „Function follows form“ könnte man das nennen. Die Freiheiten, die man mit Android genießt, muss man sich bei Windows Phone 8 wieder abgewöhnen – denn eine andere Wahl lässt es dem Benutzer nicht. Viel modifizieren lässt sich am System und seiner Erscheinung nicht. Wer experimentieren und bei Bedarf sogar komplett neue Sachen ausprobieren möchte, dem erlaubt Microsoft dies nicht.

Auch das Angebot an Unterhaltung lässt zu wünschen übrig. Vieles lässt sich nur über Umwege oder gar nicht erledigen. Man kann das Betriebssystem nicht mal mit harten Zahlen mit der Konkurrenz vergleichen. Die passenden Apps beziehungsweise Benchmarks kennt die Plattform nicht. Es gibt auch kein deutliches Zeichen, dass in diesem Bereich in nächster Zeit deutlich nachgebessert wird. Die Entwickler meiden die Plattform, da sie für sie noch nicht attraktiv genug ist. Neue Apps werden in der Regel zunächst nur für die Konkurrenten angekündigt. Noch dazu klingelt Microsoft deutlich zu spät an der Tür, viele Kunden haben sich bereits für Android oder iOS entschieden, sie können es somit in erster Linie bei Neueinsteigern in die Welt der schlauen Telefone versuchen. Diese kennen die Vorzüge der Konkurrenz eventuell noch nicht und lassen sich von den Fähigkeiten des Betriebssystems überzeugen beziehungsweise wissen etwas mit ihm anzufangen. Dafür sollte aber das preisliche Niveau der Anschaffung nach unten korrigiert werden. Microsoft will die Masse erreichen, dann sollten sie auch massentauglich sein und neben all den High-End-Modellen nicht nur ein oder zwei etwas preiswertere Modelle bieten!

Ja, Windows Phone hat in vielen Bereich aufgeholt, doch ein reines Aufholen reicht heutzutage nicht, um auf einem bereits aufgeteilten Markt erfolgreich zu sein. Herausstechende Funktionen lässt Windows Phone 8 vermissen. Ziehvater Steve Ballmer hat für meinen Geschmack doch etwas zu viel versprochen.