Kommentar: Zwei Meinungen zu Windows Phone 8

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Nicolas La Rocco (+1)
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Pro

von Sasan Abdi

Mit den Smartphones ist es ein wenig so wie beim Boxen: Steht man erstmal in der Ecke, wird die Masse schreien und johlen, werden die Faustschläge weiter niederprasseln, bis man endlich in die Knie geht – und alle zufrieden nach Hause gehen können. Bildlich gesprochen befindet sich Microsoft derzeit zumindest bei den Smartphones in einer ganz ähnlichen Situation: Sehr spät in einen äußerst umkämpften Markt (neu)gestartet, wollen viele Analysten, aber auch mancher potentielle Käufer die mit Windows Phone 8 (WP 8) verbundenen Versuche zur Etablierung einer weiteren Marktmacht neben Android und iOS schon heute als gescheitert ansehen, was erklärt, weshalb ebendieses Scheitern regelmäßig herbeigeredet wird.

Diese Perspektive wäre trotz des eingenommenen übertriebenen hellseherischen Standpunktes absolut legitim, wenn sie denn wenigstens auf einer fundierten Grundlage basieren würde. Stattdessen hat man immer wieder den Eindruck, dass viele Stimmen um des Kritisierens wegen kritisieren. Dementsprechend reicht die Standard-Kritik von subjektiven Oberflächlichkeiten („die Kacheln sehen doof aus“) über uninformierte Unwahrheiten („keine microSD-Unterstützung – geht ja gar nicht“) bis hin zu dem immer gern vorgebrachten (aber inhaltlich dann doch vor allem formalen und weniger gehaltvollen) Kritikpunkt der noch sehr übersichtlichen App-Verfügbarkeit.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Windows Phone 8 ist längst nicht perfekt und garantiert kein „Über“-Smartphone-Betriebssystem, sodass derlei Kritik auf einem subjektiven Level völlig legitim ist. Außerdem ist völlig klar, dass Apple und Google sich nicht schon heute warm anziehen müssen, denn natürlich: Eine alles verändernde Revolution sieht anders aus.

Doch so unwahr die Behauptung dieses Extrems wäre, so unwahr ist auch das andere Extrem. Bizarr ist dabei, dass dieses andere Extrem – die absolute Negativ-Prognose für WP 8 und eine mancherorts fast schon hasserfüllte Einstellung gegenüber dem Betriebssystem und den Geräten – die Mehrheitsmeinung darstellt, die trotz aller Faktenferne sehr salonfähig ist und irgendwie als „edgy“ gilt.

Ein wenig Küchenpsychologie angewandt, sind derlei Reaktionen und Haltungen aber leider gar nicht so abwegig. Zum einen stammt Windows Phone 8 nämlich aus der Feder eines Konzerns, der in vielen Kreisen ohnehin als super-uncool gilt. Zum anderen hat es ein solcher Spätstarter automatisch schwer, da die iOS- und Android-Fangemeinschaften schon überaus etabliert sind und sich nach erschöpfenden verbalen Auseinandersetzungen gegeneinander zwischendurch gerne an der vermeintlichen Minderwertigkeit des Konkurrenten aus Redmond reiben.

Die Krux an der Geschichte ist, dass diese Minderwertigkeit schon mit Windows Phone 7 kaum mehr existierte, mit Windows Phone 8 aber endgültig ausgemerzt wurde. Konnte man Microsofts Ambitionen im Smartphone-Bereich mit Windows Mobile noch belächeln und konnte man bei WP 7 noch zurecht die Kinderkrankheiten bemängeln, ist WP 8 zwar weiterhin längst nicht perfekt, aber mittlerweile was Systemarchitektur und Features anbelangt doch auf einem Niveau angelangt, auf dem es der einschlägigen Konkurrenz durchaus die Stirn bieten kann.

Da ist die besagte neue Systemarchitektur, die Windows Phone 8 nicht nur eng mit dem Desktop-Bruder verknüpft, sondern auch standesgemäße Optionen wie die Integration von Mehrkern-CPUs und einem microSD-Kartenslot mit sich bringt. Da ist ein neuer Browser, der ein butterweiches Surf-Erlebnis ermöglicht, sich auch in Benchmarks nicht vor der Konkurrenz verstecken muss und diese in Teilen sogar übertrumpft. Da ist eine sehr gute Karten-Anwendung, deren Exklusivität Microsoft zugunsten der gesamten Plattform von Nokia abgezogen hat und die sich ebenfalls locker auf Höhe der Zeit bewegt. Und da ist eine elektronische Geldbörse, die aktuell – wohlgemerkt: wie auf anderen Plattformen auch – zwar einen geringen Nutzen hat, in den kommenden Jahren mit Blick auf die Verbreitung von NFC aber ein entscheidendes Feature darstellen könnte.

Muss man die Live-Tiles deswegen lieben? Muss man die an einigen Stellen tatsächlich nicht sonderlich übersichtliche Menüführung mögen? Muss man mit dem eher saftigen Preisgefüge einverstanden sein? Muss man die derzeitige Obergrenze bei Dual-Core-CPUs akzeptieren? Nein, man muss nicht und ja, man darf und soll kritisieren. Entscheidend ist, dass sich aus all diesen Punkte nur eines nicht mehr ableiten lässt: Dass Microsoft mit Windows Phone grundsätzlich gescheitert ist und auch mit Version 8 keine Chance mehr darauf hat, sein kleines Stück des Kuchens über kurz oder lang zu vergrößern.

Was immer wieder sauer aufstößt und dafür sorgt, dass man trotz aller eigenen Bedenken und trotz der Haltung als neutraler Beobachter (ich nenne kein iOS-, Android- und WP-Gerät mein eigen!) gerne eine Lanze für das (wie gesagt: wirklich nicht perfekte) Windows Phone 8 bricht, ist also nicht, dass hier eine heißgeliebte Plattform fundiert kritisiert wird, sondern dass sie allzu oft auf einer völlig schwammigen Basis verdammt wird, wobei in der Argumentation Objektivität vorgegeben, de facto aber nur Subjektivität geliefert wird.

Auf dieser Grundlage ist die damit verbundene grundsätzliche Negativprognose für die Plattform in sehr vielen Fällen nichts weiter als ein Sammelsurium von Unkenrufen, die sich möglicherweise bewahrheiten werden – genauso gut aber auch nicht eintreffen können. Seriös eingeschätzt muss man nämlich sagen, dass erst die nächsten Jahre zeigen werden, ob Microsoft im Smartphone-Bereich tatsächlich gescheitert ist.

Bis dahin gilt: Windows Phone muss sich mit Version 8 nicht mehr vor der Konkurrenz verstecken, wobei sich das Potential erkennen lässt, mittelfristig eine größere Rolle zu spielen, sofern die Entwickler den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen und für die nächsten Updates eventuell sogar mal einen Vorsprung bei innovativen Features erarbeiten können.

Schlussworte

Windows Phone 8 wird – wie auch Android und iOS – die Gemüter auch im Jahr 2013 weiter erhitzen, wobei sich für allerlei Ansichten auch auf dem Boden der Sachlichkeit tragende Argumente finden lassen. Und wie stehen unsere Leser zur neuesten Version des mobilen Betriebssystems von Microsoft? Wir freuen uns auf zahlreiche Kommentare!

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