Microsoft-Studie zu den Kosten der Linux-Migration in München
Wie am Sonntag das Magazin Focus-Money-Online berichtete, hat Microsoft bei Hewlett-Packard eine Studie über die Kosten der Umstellung der Stadtverwaltung München von Microsoft-Produkten auf die eigens entwickelte Linux-Distribution LiMux in Auftrag gegeben. Die Studie kommt zu dem Schluss, Windows wäre viel günstiger gewesen.
Zuletzt im November 2011 legte die Stadt München ein Papier als PDF vor, das errechnete, mit der Umstellung auf Linux habe die Stadt einen zweistelligen Millionenbetrag eingespart.
Die von Microsoft in Auftrag gegebene Studie, für die Jan-Jürgen Eden bei HP verantwortlich zeichnet, kommt jedoch zu dem Schluss, München habe für die Migration zu Linux insgesamt 60,7 Millionen Euro bezahlt, wogegen eine weitere Zusammenarbeit mit Microsoft im gleichen Zeitraum „ohne Lizenzkosten“ nur rund 17 Millionen Euro gekostet hätte. Die Studie berücksichtigt dabei nur Faktoren wie die Bereitstellung, Support und Migrationskosten und vergleicht dabei Windows XP inklusive Office 2003 mit Ubuntu 10.04 und Apache OpenOffice (vormals OpenOffice.org), klammert dabei aber merkwürdigerweise die Lizenzkosten für Microsoft-Produkte sowie Schulungskosten aus. Gerade die Lizenzkosten waren auf lange Sicht 2003 ausschlaggebend für die damals begonnene Migration zu Linux und Open-Source.
Die von der Stadt München im November 2012 vorgelegte Aufrechnung geht von 15.000 umgestellten OpenOffice-Installationen und 7.500 auf LiMux umgestellten Rechnern aus und stellt dem die Kosten ebenso vieler Installationen von MS Office 2010 und dem damals aktuellen Windows 7 gegenüber. Hierbei werden als Kosten für Windows 7 mit OpenOffice rund 2,5 Millionen Euro veranschlagt, dazu sieben Millionen Euro an Lizenzkosten. Da Windows 7 im Vergleich mit dem 2003 verwendeten NT4 neben Schulungsbedarf auch neue Hardware bedingt, wurden dafür weitere 4,5 Millionen Euro in die Rechnung einbezogen. Die restlichen Kosten wie etwa notwendige Schulungen und die Anpassung an das proprietäre Vorlagensystem Wollmux wurden für beide Alternativen gleich hoch veranschlagt.
Karl-Heinz Schneider, Chef des städtischen IT-Dienstleisters IT@M hat jetzt zu der Studie Stellung bezogen (PDF). Einleitend stellt er klar: „Selbstverständlich werden wir uns mit dieser Kritik gerne auseinandersetzen. Ich habe deshalb Microsoft sofort aufgefordert, uns diese Studie zur Verfügung zu stellen. Was ich bislang der Presse entnehmen konnte, wirft allerdings erhebliche Zweifel an der Aussagekraft der Studie auf.“ Er moniert die in der Studie nicht enthaltenen Lizenzkosten für die Microsoft-Produkte. Weiterhin sei es unrichtig, dass beim Verbleib auf der Windows-Schiene überhaupt keine neuen Versionen erforderlich gewesen wären. Schneider dazu: „Ein wesentlicher Auslöser für die Entscheidung, die Betriebssystem-Architektur auf den Prüfstand zu stellen, war ja gerade die Ankündigung von Microsoft, den Support für das damals als Standard bei der Stadt eingesetzte Windows-NT-Betriebssystem einzustellen. Eine Migration auf ein neues Betriebssystem war also unvermeidlich.“
Als falsch bezeichnet Schneider die Aussage, die Stadt hätte die Kosten einer aktuellen Windows-7-Version mit einer zehn Jahre alten Linux-Version verglichen. Dazu merkt Schneider an: „Selbstverständlich ist der LiMux-Client sukzessive optimiert worden. Die aktuelle Version ist mit dem ursprünglichen Client zum Projektstart nicht mehr zu vergleichen und braucht einen Vergleich mit Windows 7 nicht zu scheuen.“
Unrichtig sei weiterhin die Aussage, ein Viertel der Rechner in der Münchner Stadtverwaltung laufe noch unter Windows und sei aufgrund von bestimmten Fachverfahren gar nicht migrierbar. Schneider stellt richtig: „Richtig ist, dass nicht alle Fachverfahren auf Linux umgestellt werden können. Da wurde offensichtlich aus einem „nicht alle“ ein „alle nicht“ gemacht. Alle web-basierten Fachverfahren können ohne Umstellungsaufwand unter LiMux genutzt werden und die meisten Verfahren, die eng mit Microsoft integriert sind, können über andere Standardtechniken ebenfalls vom Linux-Client aus benutzt werden. Auch die Zahl der verbleibenden städtischen Windows-Rechner ist zu hoch gegriffen. Statt der in der Studie behaupteten 75 Prozent haben wir bereits jetzt 13.000 der geplanten 15.000 Arbeitsplätze auf LiMux umgestellt – das sind knapp 87 Prozent.“
Microsoft will die Studie angeblich nicht veröffentlichen. Microsoft Deutschland wollte sich bisher auch nicht zu der Studie direkt äußern, ließ aber mitteilen, man wünsche sich zukünftig eine sachlichere Auseinandersetzung bei IT-Einsätzen in den Kommunen.
Münchens Bürgermeister Christian Ude hat sich jetzt in einem Interview mit dem Linux-Magazin zu der „Studie“, die angeblich Microsoft nur zu internen Zwecken dienen sollte und nur versehentlich in die Medien gelangt sei, Stellung bezogen. Er spricht von durchsichtiger politischer Instrumentalisierung und fährt fort, man erkenne „sowohl die kommerzielle als auch die politische Absicht.“
Der Vorsitzende der Open Source Business Alliance (OSBA), Peter Ganten, spricht die etwas unglückliche Rolle der Presse in dieser Sache an. Nicht genug, dass Focus Money reißerisch aufmacht, ohne Belege für die Behauptungen vorlegen zu können, auch andere Presseorgane – Ganten erwähnt Heise und zahlreiche internationale Publikationen – haben nach seiner Meinung ohne weitere Recherche die Berichterstattung von Focus Money übernommen. Weiterhin sagt er, es sei klar, dass Unternehmen solche internen Berichte erstellen (lassen), das seien sie sogar ihren Aktionären schuldig. Wer allerdings den Bericht an die Öffentlichkeit ließ, ist unklar. Jedenfalls ist laut Gantens Aussage Microsoft derzeit damit beschäftigt, das Kind aus dem Brunnen zu holen. Konkret sagt er: „Nach dem, was uns Microsoft mitgeteilt hat, arbeitet die Firma gerade daran, die interne Studie so aufzuarbeiten, dass sie sich damit der Diskussion stellen kann. Darauf freuen wir uns.“