HTC One: Das neue Android-Flaggschiff ausprobiert
2/3Das HTC One ausprobiert
HTC verfolgt für die One-Familie eine etwas irritierende Produktbezeichnung: Auf das One X folgte unter anderem das One X+, das zuletzt als Android-Flaggschiff gelten durfte – und das jetzt durch ein Geschwistergerät übertrumpft wird, welches wiederum ohne „X“ und „+“ auskommt. Während die Frage, welche Steigerung wohl nach dem „einfachen“ One – Two?! – noch erfolgen könnte, bei der Deutschland-Vorstellung in Berlin unbeantwortet blieb, reicht der erste Umgang mit dem One doch für einen ersten Eindruck zu jenem Gerät, das HTC in den kommenden Monaten zu alter Stärke verhelfen soll.
Am auffälligsten ist beim ersten Kontakt mit dem One natürlich zunächst das Äußere. Bei einer Display-Größe von 4,7 Zoll folgen die Produktentwickler auch mit ihrem neuen Android-Vorzeigegerät und wie schon bei den Vorgängern weiterhin dem gegenwärtigen Trend hin zu immer größeren Geräten. Mit Blick auf die Maße von 137,4 × 68,2 × 9,3 mm wird allerdings auch schnell deutlich, dass das One durchaus groß, im Vergleich zu manchem Konkurrenten aber noch längst nicht überdimensioniert ist. HTC versucht also nicht das Wettrennen um das größte „Phablet“ zu gewinnen, sondern hält weiterhin konstanten Abstand zur 5-Zoll-Grenze.
In puncto Materialwahl und Design setzt sich der neueste HTC-Spross allerdings deutlich von seinen älteren Geschwistern ab. In dieser Hinsicht setzen die Produktdesigner nach langen Diskussionen mit den Technikern erstmals wieder auf ein Gehäuse aus Aluminium, das die komplette Schale ausmacht und dabei ohne bewegliche Teile und Spalten auskommt. Dies wird – Stichwort: Konnektivität – durch einen kleinen technischen Kniff ermöglicht, bei dem die Antennen des One in die Schale integriert werden, was sich in einer feinen Linierung auf der Rückseite niederschlägt. Sicher auch bedingt durch diese Konzeption ist es allerdings nicht möglich, die Schale abzunehmen, weswegen der Akku leider fest verbaut ist.
Trotz dieser Einschränkung weiß das Design auf den ersten Blick dank der hochwertigen Materialien und der klaren, minimal abgerundeten Formen in hohem Maße zu gefallen. Allerdings konnten wir uns beim ersten Umgang des – eventuell nicht ganz fairen – Eindrucks nicht erwehren, dass hier ein paar Merkmale von einem besonders starken Mitbewerber Eingang in die Konzeption gefunden haben. So erinnert das leicht angefräste, als Rahmen wirkende Finish an jenes vom iPhone 5 (ComputerBase-Test) – und auch die Rückseite lässt haptisch Erinnerungen an den Körper eines MacBooks aufkommen.
Sieht man hiervon ab, kann man den Produktdesignern aber durchaus bescheinigen, dem One eine eigene Note zu verleihen. Auf der Front dominieren neben dem Display akkurat ausgebohrte Grills für die Stereo-Lautsprecher sowie eine Knopfreihe, die durchaus ungewöhnlich ist: Links und rechts von einem tatsächlich nur als Logo fungierenden HTC-Schriftzug kann man auf einen „Zurück“ bzw. „Home“-Softtouch-Button zurückgreifen, wobei letzterer über eine doppelte Berührung auch den Taskmanager öffnet.
Auf der Rückseite prangt im oberen Teil zentral die 4,3-Megapixel-Kamera samt LED-Blitz. Kennzeichen ist hier neben Logos und den erwähnten Linierungen für die Antennen natürlich insbesondere die hochwertige Schale. Diese liegt dank einer leicht bauchigen Form exzellent in der Hand; allerdings gilt auch hier wie bei so manchem Konkurrenten, dass sich all jene, die das Smartphone zur Nutzung gerne auf eine ebene Fläche ablegen, deswegen mit einem leichten Kippeln abfinden müssen.
Ob man diese Nutzungsform häufiger wählen wird, darf allerdings auch wegen des Materials bezweifelt werden. Denn so schick die Aluschale wirkt und so stoßfest sie mit Sicherheit ist: Wir hatten aus Angst vor Kratzern ein ungutes Gefühl dabei, das One auf einen sauberen Tisch zu legen. Hinzu kommt, dass das Vorführgerät trotz des dahingehend abweisenden Materials – man denke an den extrem anfälligen Klavierlack – einige Fingerabdrücke aufwies. Gut möglich aber, dass dies auf die exzessive Nutzung zurückzuführen ist.
Hierbei handelt es sich allerdings um Kritik auf hohem Niveau, sodass betont werden kann, dass das One auf den ersten Blick über eine exzellente Verarbeitung verfügt, was in Kombination mit dem wertigen Material einen sehr guten ersten Eindruck bedingt. Löblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die an der rechten Seite unauffällig positionierte Lautstärkewippe genauso wie der an der Stirnseite neben der 3,5mm-Klinkenbuchse platzierte Powerknopf über einen ordentlichen Druckpunkt verfügt.
Letzterer beherbergt obendrein ein kleines aber feines Gimmick: Per integriertem Infrarotsensor kann das One auch als Universalfernbedienung für Flachbild-Fernseher und Receiver verwendet werden. Dieses Feature konnten wir nicht direkt testen; allerdings sprechen die riesige Liste der vorkonfigurierten, unterstützten Modelle und die übersichtlich wirkende, softwareseitige Steuerung dafür, dass es sich hierbei um ein zwar nebensächliches aber durchaus funktionierendes und relevantes Schmankerl handelt.
Gleiches gilt auch für die neue Kamerafunktion Zoe, bei der Foto und Video miteinander verquickt werden: Schießt man mit dem One im Zoe-Modus ein Foto, legt das Gerät im Hintergrund einen kurzen Videoausschnitt zum Motiv an. Das so über die Zeit gewonnene Material kann dann binnen weniger Augenblicke automatisch zu einem fertig geschnittenen, mit Musik unterlegtem Gesamtwerk verbunden werden, wobei die Schnittgeschwindigkeit je nach ausgewählter, vordefinierter Hintergrundmusik variiert. Schade ist, dass zur Untermalung keine eigene Musik ausgewählt werden kann; eine Möglichkeit, die wahrscheinlich mit der Schnitttechnik kollidieren würde. Hierbei handelt es sich sicher nicht um ein bahnbrechendes Feature, aber doch um eine clevere Idee, die beispielsweise dann besonders gut zum Tragen kommen kann, wenn man einen Urlaub schnell und unkompliziert Revue passieren lassen und das Ganze gegebenenfalls gar über soziale Netzwerke oder zumindest mit engen Freunden teilen möchte.
Eine damit verbundene weitere neue Kamerafunktion ist für Fotos gedacht, die in belebten Umgebungen entstehen – oder für Personen, die ihre Liebschaften gerne und häufig wechseln: Dank der Verquickung von Foto- und Videomaterial kann ersteres dahingehend editiert werden, dass durch das Bild laufende Personen im Nachhinein entfernt werden können. Dieses Feature wirkte beim Ausprobieren aber noch nicht ganz ausgereift, da das System bei einem guten Dutzend Personen, die nicht zum Fotografen schauten und sich normal bewegten, beispielsweise auch nur Arme als editierbare Objekte identifizierte – eine Eigenschaft, die für einen makaberen Spaß, aber nicht zum eigentlichen Zweck taugt. Allerdings konnte man die Einstellung auch einfach weiter laufen lassen, bis das System die Körper eindeutiger zuordnen konnte; mit etwas mehr Geduld funktioniert es also durchaus.
Die Kamera ist für HTC ohnehin ein entscheidendes Kriterium. Aus diesem Grund wurde man auch in Berlin nicht müde zu betonen, dass der Megapixel-Wahn irreführend sei. Statt auf eine dahingehend hohe Zahl zu setzen, habe man deswegen einen Sensor entwickelt, der bei 4,3 Megapixeln nicht möglichst viele, sondern möglichst große Pixel abbildet, was die Bildqualität merklich steigern und bessere HDR-Aufnahmen und -Videos ermöglichen soll. Ob dies tatsächlich der Fall ist, lässt sich trotz der exzellenten lokalen Darstellung der Ergebnisse zu diesem Zeitpunkt nur bedingt beurteilen; hier wird erst ein detaillierterer Test konkrete Erkenntnisse liefern.
Gleiches gilt für die Leistung. Diese bewegt sich gefühlt erwartungsgemäß auf einem hervorragenden Niveau, sodass das Navigieren auf dem One problemlos als „absolut butterweich“ bezeichnet werden kann. Dies verwundert allerdings auch nicht sonderlich, denn immerhin kommen der 1,7 Gigahertz schnelle, brandneue Qualcomm-S600-SoC mit seinen vier CPU-Kernen sowie satte zwei Gigabyte Arbeitsspeicher zum Einsatz. Auch hier wird erst im Rahmen eines umfassenden Tests zu klären sein, auf welchem Niveau sich diese potente Kombination platzieren kann.
Das von HTC versprochene, angeblich bisher noch nie dagewesene, faszinierende „BoomSound“-Erlebnis der Stereo-Lautsprecher können wir dagegen so nicht bestätigen. Sicher: Die Stereo-Lautsprecher sorgen für eine gute, laute und dabei nicht übersteuerte Klangausgabe – vom Hocker gehauen hat uns diese aber nicht.
Dies gilt schon eher für die Darstellung. Bei einer Auflösung von 1.920 × 1.080 Pixeln sehen Inhalte auf dem 4,7 Zoll großen IPS-Panel bei einer Pixeldichte von 468 ppi richtig knackig aus. In Kombination mit soliden Blickwinkel und einer auf den ersten Blick zumindest guten Helligkeit könnte sich hier eines der Top-Displays des aktuellen Angebots verbergen, wobei natürlich auch in diesem Punkt gilt: Näheres wird erst der Test Anfang März zutage befördern.
Doch nicht nur bei der Hardware, sondern auch bei der Software hat sich auf dem One einiges getan. Es kommt die relativ aktuelle Android-Version 4.1.2 zum Einsatz, wobei HTC bereits versprochen hat, auch Version 4.2 anzubieten. Optisch entscheidender ist allerdings, dass sich die nun „New Sense“ genannte HTC-eigene Oberfläche gehörig verändert hat.
Bei dieser stehen nicht mehr einzelne Homescreens, sondern eine zentrale Ansicht im Vordergrund, die vom verwendeten Paradigma her an Windows Phone 8 erinnert. So werden die Informationen in größentechnisch zufällig erstellter Kachelform präsentiert, wobei das vertikale gegenüber dem horizontalen Scrollen deutlich an Relevanz zulegt. Auf dieser zentralen Ansicht können nach persönlichen Vorlieben die Inhalte von insgesamt 1.400 Content Partnern angezeigt werden, sodass eine individuelle Einstellung möglich ist: Wer in allerlei sozialen Netzwerk aktiv ist, kann diese direkt ablegen; News-Junkies werden dagegen vor allem die Feeds von Nachrichtenseiten beziehen. Zu den Neuerungen gehört darüber hinaus ein Appdrawer, der zur Strukturierung nun auch Ordner beinhalten kann sowie ein optisch und strukturell aufgefrischter Musikplayer.
Da es sich hierbei um einen durchaus kräftigen Bruch mit dem alten Sense-Paradigma handelt, bietet HTC aber auch die Möglichkeit, per Wisch nach rechts auf die alten Homescreens zu wechseln. Dann können entweder wie gewohnt App-Reihen oder Widgets wie der Kalender angelegt werden, was als (nicht ganz konsequentes) Zugeständnis an all jene verstanden werden kann, die sich mit dem neuen „Look & Feel“ von Sense 5.0 nicht anfreunden können.