Beschwerde gegen Hersteller von Überwachungssoftware
Die fünf Menschenrechtsgruppen haben wie angekündigt bei der OECD Beschwerde gegen die Unternehmen Trovicor und Gamma Groupe eingereicht, beides Entwickler von digitaler Überwachungssoftware. Nun soll geklärt werden, ob die Firmen die Technologie bewusst an autokratische Staaten geliefert haben.
Die Menschenrechtsorganisationen rund um das Bahrainische Zentrum für Menschenrechte werfen den beiden Firmen vor, bewusst Überwachungssoftware an Staaten wie Bahrain geliefert zu haben, bei denen spätestens nach der Niederschlagung der Proteste des Arabischen Frühlings offensichtlich war, dass diese für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden. Nun sollen auch „diejenigen zur Rechenschaft gezogen werden, die zu ihnen beigetragen haben“.
Die Frage ist nun, ob beide Firmen bewusst entsprechende Technologie nach Bahrain geliefert haben und damit gegen OECD-Leitsätze verstoßen haben. Diese sehen vor, dass multinationale Unternehmen weder direkt noch indirekt zu Menschenrechtsverletzungen beitragen dürfen. Die deutsche Firma Trovicor und die britisch-deutsche Gamma Groupe bestreiten grundsätzlich, gegen geltende Exportgesetze verstoßen zu haben. Zudem hat die Gamma Groupe bereits erklärt, eine Demoversion ihres Überwachungsprogramm „FinFisher/FinSpy“ wurde auf einer Messe gestohlen, modifiziert und dann in Bahrain eingesetzt.
Die Menschenrechtler sehen das anders. Eine bahrainische Journalistin bemerkte, dass ihr Computer mittels einer E-Mail mit FinFisher/FinSpy infiziert werden sollte. Sie leitete diese an Analysten weiter, die mehrere Hinweise entdeckten, dass sowohl der Trojaner als auch die Server in Bahrain aktualisiert wurden – zeitgleich mit anderen Kunden von Gamma Groupe, weswegen nach Ansicht der Analysten nur die Hersteller selbst für die Updates in Frage kommen. Ebenso liegen den Menschenrechtsaktivisten Anhaltspunkte vor, dass Trovicor unter anderem in Bahrain Software wartet, mit deren Hilfe Sicherheitsbehörden und Geheimdienste große Datenmengen aus Telefon- und Computerüberwachung abfangen und analysieren können. Zudem soll die Technologie von Trovicor mit Trojanern wie dem FinFisher/FinSpy von Gamma kompatibel sein.
Die Menschenrechtsorganisationen fordern nun von Trovicor und Gamma, ihre Verträge mit Bahrain und anderen autoritären Staaten offenzulegen und auf die Verträglichkeit mit den Menschenrechten zu prüfen. „Da die Regierungen Exporte von Überwachungstechnologie nicht ordentlich überwachen, werden Firmen wie Gamma und Trovicor ausschließlich durch ihren eigenen moralischen Kompass reguliert”, sagte Eric King, Forschungsdirektor von Privacy International.
Langfristig fordern sie aber auch von der Politik, digitale Überwachungstechnologie denselben Exportbestimmungen wie Rüstungsgüter zu unterwerfen. „Der unregulierte Handel mit Überwachungstechnologie in autoritären Staaten ist eine der größten Bedrohungen für Pressefreiheit und Menschenrechtsarbeit im Internet“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen.
Die beiden betroffenen Unternehmen halten sich bedeckt. Die Gamma Groupe will die Beschwerde nicht kommentieren, bis die OECD eine Entscheidung getroffen habe. Trovicor bestreitet die Vorwürfe gegenüber Golem, das Unternehmen stelle nur Datenbanken für Systemanlagen her, jedoch keine Trojaner oder andere Hackertools. Zudem halte man sich an internationalen Export- und Liefergesetze sowie deutsche Gesetze.
Nun gehen die Beschwerden an die zuständigen OECD-Kontaktstellen in London (Gamma Groupe) und beim Bundeswirtschaftsministerium (Trovicor), welche die Beschwerde annehmen müssen, um zumindest ein Mediationsverfahren zwischen den Beteiligten in die Wege zu leiten. Neben den Beschwerdeführern, das Bahrainische Zentrum für Menschenrechte, beteiligen sich Privacy International, das European Center for Constitutional, Human Rights sowie Bahrain Watch und Reporter ohne Grenzen an der Beschwerde.