Crysis 3 im Test: B-Movie mit Grafikpracht
2/4Crysis 3 auf einen Blick
„Crysis 3“ bleibt in Anlehnung an den Serien-Charakter, bei dem dieser Teil einen inhaltlichen Endpunkt markieren soll, dem bekannten „Crysis“-Universum treu. Dementsprechend dreht sich in puncto Story weiterhin alles um die Bedrohung der Menschheit durch die außerirdischen Ceph und um die fiesen Machenschaften der Cell-Organisation.
Nachdem sich „Crysis“ samt „Warhead“ in der Südsee abspielte, wechselte das Setting mit „Crysis 2“ nach New York, wo unter anderem eine Ceph-Invasion dafür sorgte, dass der Spieler wieder alle Hände voll zu tun hatte. „Crysis 3“ ist vor diesem Hintergrund settingtechnisch so etwas wie eine Synthese, denn hier trifft der Urwald der tropischen Ling-Shan-Inseln auf die Straßenschluchten von New York.
Grundlage dieser verrückten Idee zur Umgebung ist natürlich die Handlung. Zu Beginn von dieser schlüpft der Spieler abermals in die Rolle des Nano-Suit-Trägers Prophet, der nach den wendungsreichen Geschehnissen aus dem zweiten Teil – war er's oder war er's nicht?! – viele Jahre ein tristes Dasein in einer gesicherten Eiskammer der Organisation Cell gefristet hat. Letztere hat die Zeit des Friedens auf Erden dazu genutzt, maximalen Profit aus der Verfügbarkeit der Ceph-Technologie zu schlagen: Über die damit verbundene unbegrenzte Energie wurde die Menschheit in die Abhängigkeit von der Organisation getrieben, wobei Cell kurz davor steht, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Nur gut, dass es aufrichtige Rebellen gibt, diese Machenschaften ins Feld zieht – und noch besser, dass einer von ihnen „Psycho“ gerufen wird und seinen alten Kumpanen Prophet aus der besagten Kammer befreit.
In der Welt der Lebenden angelangt muss Prophet schnell feststellen, dass sich New York verändert hat. Als Hauptbasis von Cell existiert die Stadt seit Jahren unter einer „Liberty Dome“ genannten Kuppel, was Feinde draußen und die Bevölkerung drinnen halten soll. Als Nebeneffekt hat das daraus resultierende subtropische Klima die Stadt transformiert: Die Natur sprießt durch den Asphalt und auf den Ruinen, sodass die erwähnte Synthese aus Südsee-Insel-Feeling und Metropole entsteht.
In diesem Setting versuchen die Rebellen, die Energiequelle von Cell zu zerstören, um so die weltumspannende Macht der Organisation zu brechen. Prophet, ganz seinem Namen entsprechend, ahnt dank gewisser Visionen aber sofort, dass es mit der Energiequelle mehr auf sich hat – und dass die Ceph-Bedrohung längst noch nicht aus der Welt ist.
Will man den sich daraus entspinnenden Plot bewerten, kommt man schnell auf das Vokabular, das schon für die Story von „Crysis 2“ relevant war. So werden die Geschehnisse einerseits wieder dicht und solide erzählt, sodass man sich kaum über Ungereimtheiten ärgern muss. Andererseits kann man auch hier wieder über die ein oder andere wahnwitzige Wendung schmunzeln, wobei die Handlung fast überwiegend im Standard-Repertoire von ausgelutschten SciFi-Erzählungen verweilt.
Doch auch wenn der Inhalt kritisch betrachtet wieder „B-Movie-Charakter“ hat, kann man ihm doch auch manches zugutehalten. So wird die mit „Crysis“ begonnene Geschichte erstens stringent weitererzählt, wobei der Wechsel vom zweiten auf den dritten Teil wesentlich weicher und gekonnter von statten geht, als noch vom ersten auf den zweiten Teil. Zweitens zeigt Crytek an gewissen Stellen, dass die Erzähltechnik im Vergleich zu den Vorgängern durchaus etwas erwachsener geworden ist. Gemeint ist an dieser Stelle vor allem der NPC-Charakter von Psycho, der als Sidekick von Prophet immer wieder längere Auftritte hat und dabei gekonnt als menschliches Gegenstück zum fast schon maschinenhaften, außerirdisch wirkenden Protagonisten gezeichnet wird.
Das hier vorhandene Potential wird allerdings nur angedeutet. Denn statt diese Karte – wie lange ist ein Mensch ein Mensch und was macht uns eigentlich zu dem, was wir sind? – konsequent auszuspielen und dabei nachdenklich, vielleicht auch ein bisschen philosophisch wie beispielsweise ein „Deus Ex: Human Revolution“ zu stimmen, sind die gelungenen Psycho-Szenen nur kleine Felsen der Hoffnung im weiten Meer des SciFi-Einerleis, das Crytek mit „Crysis 3“ anbietet. Unterm Strich steht also eine passable, in sich stimmige Story, die allerdings nur sehr selten aus gängigen Konventionen ausbricht – schade.
Immerhin: Das damit verbundene, neue Setting und die daraus resultierende neue Spielwelt überzeugen. Auch wenn man zurecht skeptisch sein durfte, ob ein verurwaldetes New York tatsächlich als Schauplatz trägt – diese Skepsis findet keine Bestätigung. Stattdessen bietet das „neue“ New York die Möglichkeit, „Crysis 3“ die notwendige Frischzellenkur zu verpassen und es so vom am selben Ort spielenden Vorgänger abzugrenzen: Statt klassischer Häuserschluchten, Wolkenkratzern und langen Straßenzügen sind nun langgezogene, mit hohem Gras versehene Flächen charakteristisch für die Spielwelt. Aufgebrochen wird die Natur immer wieder von futuristischen Cell-Komplexen – die Megacity der Zukunft trifft sozusagen auf einen gigantischen botanischen Garten.
Diese Synthese sorgt für eine frische Note, die nach dem etwas monotonen „Standard-New-York“ auf jeden Fall gut tut. Dabei muss allerdings auch festgehalten werden, dass das neue New York für keinen Paradigmenwechsel in puncto „Open World“ sorgt. War das erste „Crysis“ noch weitgehend als solche konzipiert, nutzten die Entwickler in „Crysis 2“ den Wechsel in die Stadt, um die Areale enger zu gestalten. Dies hatte den positiven Nebeneffekt, dass die Handlung dichter erzählt werden konnte, weil der Spieler von Trigger zu Trigger und damit von Zwischensequenz zu Zwischensequenz gejagt wurde; maximale Entscheidungsfreiheit liebende Puristen waren aber nicht ohne Grund enttäuscht.
Diesem Ansatz bleibt Crytek auch in „Crysis 3“ treu. Teils extrem kleine Gebiete wechseln sich dabei aber immerhin mit größeren, sowohl in der Horizontalen als auch vertikal frei erforschbaren Gegenden ab. Letztere Abschnitte belegen allerdings eindrucksvoll, dass ein „Crysis“ nur bedingt auf eine offene Spielwelt angewiesen ist: Sieht man von der Suche nach Suit-Upgrades ab, liefert das Spiel herzlich wenig Anreize dazu, von den vorgegebenen Pfaden zu Gunsten einer Erkundungstour abzuweichen. Trotzdem muss hervorgehoben werden: Die versprochene „Sandbox“ sieht anders aus.
So verschmerzbar die Begrenzung der Areale ist, so bedauernswert ist, dass das neue Setting kaum Einfluss auf die Spielmechanik hat: Natürlich passt es wunderbar, wenn die Ceph-Stalker das hohe, saftige Gras einer weiten Fläche zur Pirsch auf den Spieler nutzen und dieser nervös um sich blickend auf die Laute der Aliens lauscht, um sie möglichst frühzeitig aufs Korn nehmen zu können. Abseits davon schlägt „Crysis 3“ beim eigentlichen Spielen aber kaum Profit aus der neuen Spielumgebung.
Dies bedeutet, dass sich an der grundlegenden Spielmechanik wenig geändert hat. Nach wie vor kann der Spieler deswegen zumeist entscheiden, ob er lautlos oder gar kampfvermeidend oder in klassischer Rambomanier vorgehen möchte. Wählt man den letzteren Weg, spielt sich „Crysis 3“ wie ein konventioneller Shooter: Man stellt den Nano-Suit auf „maximale Schilde“ und heizt seinen Gegnern mit einem von zahlreichen menschlichen oder außerirdischen Schießprügeln mächtig ein. Ob im Urwald, in der Stadt oder am Südpol, die Umgebung spielt dabei kaum eine Rolle.
Wesentlich reizvoller ist die auf die Stealth-Funktion des Anzuges gestützte, umsichtige und lautlose Vorgehensweise. Hier kommt dem Spieler nicht nur zupass, dass man auf viele der besagten Wummen einen Schalldämpfer aufschnallen kann, sondern auch, dass mit einem futuristischen Bogen auch in „Crysis 3“ eine Waffe Einzug hält, die aktuell in der Spieleindustrie Konjunktur zu haben scheint.
Dieser vorab vielerorts belachte Bogen gehört in unseren Augen zu den größten neuen Errungenschaften von „Crysis 3“. Da man bei der Nutzung unsichtbar bleiben kann, rundet er die Möglichkeiten des lautlosen Vorgehens gekonnt ab, wobei die übersichtliche Verfügbarkeit von Pfeilen mit dazu beiträgt, dass man nicht übertreibt und sich ab und an sogar beim Wieder-Einsammeln der Geschosse erwischt – wer hätte das bei einem Spiel wie „Crysis“ gedacht?
Hinzu kommt, dass mit dem Bogen auch fiese Spielchen getrieben werden können. Stehen zahlreiche Gegner im Wasser, reicht ein Elektrogeschoss, um alle auszuschalten. Braucht man viel Feuerkraft, kann man auf explosive Köpfe wechseln und ein kleines Feuerwerk abfackeln.
So gut die Integration des Bogens gefällt, so deutlich wird hier doch, dass der urbane Urwald keinen Einfluss auf die Spielmechanik hat. Versuchten wir uns anfänglich bei niedriger Anzug-Energie noch im Gras zu verstecken, gaben wir dies schon nach wenigen gescheiterten Versuchen auf, da es für die gegnerischen Horden keinen Unterschied macht, ob Prophet nun im Unterholz hockt oder offen auf weiter Flur steht.
Hier macht einem also eine übertrieben gut sehende KI einen Strich durch die Rechnung, was dazu führt, dass der Stealth-Aspekt in vielen Abschnitten nicht konsequent verfolgt werden kann. So kommt es sehr häufig vor, dass man nur die ersten Minuten eines Abschnitts ungesehen verbringen kann, da die Gegner ihre lautlos ausgeschalteten Kumpanen einfach zu schnell entdecken. Sicher, „Crysis 3“ ist kein Stealth-Shooter, doch sollte dem Spieler doch die Möglichkeit geboten werden, das dahingehende Angebot auch auszukosten und selbst entscheiden zu können, wann er von „Sam Fisher“ auf „John Rambo“ wechseln möchte.
Immerhin lassen sich die Upgrades von Prophets Anzug in diesen Momenten über wenige Mausklicks anpassen, sodass man binnen Sekunden von Stealth-Orientierung auf maximale Panzerung und Kampfkraft umschwenken kann. Auch wenn diese Upgrades über Kits erst nach reiflicher Überlegung freigeschaltet werden wollen, findet sich hier doch ein Punkt, den mancher Zeitgenosse bedauern dürfte. Denn statt den Spieler zu einer Spezialisierung zu zwingen, kann sich dieser je nach Situation für eine Ausstattung entscheiden – ein einfaches, spielerfreundliches System, das allerdings auch als zu starke Vereinfachung interpretiert werden kann.