LC-Power Gold Series LC9450 400W im Test: 80Plus-Gold zu Unrecht
6/10Messungen
Effizienz
Den Wirkungsgrad bestimmen wir in vier üblichen Szenarien mit 10, 20, 50 und 100 Prozent Belastung. Zunächst simulieren wir dabei normalerweise einen Betrieb im nordamerikanischen 115-Volt-Stromnetz. Diese Werte sind für unsere Leser zwar wenig Praxis-relevant, sind aber perfekt geeignet, um zu prüfen, ob ein Netzteil zu Recht das 80Plus-Zertifikat trägt. Die anschließenden Messungen mit den in Europa üblichen 230 Volt Eingangsspannung dienen der eigentlichen Bewertung des Wirkungsgrads des Probanden.
Beim LC-Power Golden Series LC9450 können wir unsere gewohnten 115-Volt-Messungen nicht durchführen – LC-Power verzichtet laut Datenblatt auf einen Weitbereichseingang, das Netzteil ist ausschließlich im 230-Volt-Netz zu betreiben. An dieser Stelle geraten wir ins Grübeln: Effizienzmessungen nach dem 80Plus-Standard werden bekanntlich ausschließlich im 115-Volt-Netz durchgeführt. Der offizielle Testreport bestätigt, dass die Messungen mit 115 Volt Eingangsspannung durchgeführt wurden. Bei den Spezifikationen wurde jedoch angegeben, dass das Netzteil nur für den Spannungsbereich 200 bis 240 Volt zugelassen ist. Dafür gibt es lediglich zwei mögliche Erklärungen: Entweder kann das LC9450 auch mit 115 Volt betrieben werden und die Dokumentation ist falsch, oder das Muster für 80Plus war für das amerikanische Netz modifiziert.
Als nächstes nehmen wir die bei 80Plus verwendete Lastverteilung genauer unter die Lupe, denn diese entspricht auf den ersten Blick nicht den Vorgaben von 80Plus! Wir haben selbstverständlich noch einmal gründlich nachgerechnet und sind uns sicher, dass unsere Berechnungen richtig sind. Auf Anfrage von ComputerBase bestätigt 80Plus.org, dass die Berechnung für den offiziellen Testreport den veröffentlichten Richtlininen entspricht, aber auf einer Minor-Rail-Combined-Leistung von 80 Watt basiert – unser Netzteil hat jedoch 100 Watt. Das zu 80Plus eingeschickte Netzteil ist daher nicht mit der Verkaufsversion identisch, so dass die Verkaufsversion das 80-Plus-Gold-Siegel derzeit zu Unrecht trägt. Nebenbei erhalten wir auch eine im Vergleich zum 80Plus-Testbericht leicht veränderte Lastverteilung als Grundlage für unsere Messungen.
Da 115 Volt offiziell nicht unterstützt werden, machen wir es uns in diesem Fall einfach und messen lediglich im 230-Volt-Netz, wobei wir unsere für das vorliegende Testmuster korrekte Lastverteilung zugrunde legen.
Normalerweise sind Netzteile bei höherer Belastung im 230-Volt-Netz noch ein, zwei Prozentpunkte effizienter als im 115-Volt-Netz. Das LC-Power LC9450 fährt schon im deutschen Stromnetz jedoch relativ schlechte Ergebnisse ein. Bei 50 und 100 Prozent Last werden selbst die 115-V-Sollwerte leicht verfehlt! Auch der Vergleich mit dem Sea Sonic G550, das im ComputerBase Test 80Plus-Gold nur knapp erreicht, zeigt einen deutlichen Abstand und 1,3 bzw. über 2 Prozentpunkten (50 bzw. 100 Prozent Belastung) fehlen zum Gold-Niveau. 80Plus-Silber-Niveau könnten wir dem Netzteil noch bescheinigen, von Gold-Niveau ist der Spannungswandler jedoch ein gutes Stück entfernt.
Aufgrund des überraschenden Ergebnisses haben wir Rücksprache mit LC-Power gehalten. Demnach entsprechen alle verkauften Exemplare unserem Testmuster. LC-Power gab uns gegenüber an, dass der Fehler in diesem Fall auf Seiten des Auftragsfertigers liege: Das Testmuster für 80Plus wurde aus Zeitgründen direkt vom Werk zu 80Plus versandt, daher konnte die Abweichung zum bestellten Produkt nicht bemerkt werden. Wie es zu diesem Fehler kommen konnte, wird derzeit noch mit dem Auftragsfertiger geklärt – ein Ergebnis dieser Prüfung liegt unserem Wissen nach aber noch nicht vor. Sollte ein Kunde sein Netzteil aufgrund der geringeren Effizienz retournieren wollen, soll man sich bitte mit Kaufbeleg und Seriennummer unter info@lc-power.com an den Hersteller wenden.
Um derartige Unstimmigkeiten in Zukunft zu vermeiden, soll bei LC-Power zudem der Ablauf des Zertifizierungsprozesses verändert werden: Testmuster für 80Plus dieses Auftragsfertigers werden zukünftig immer erst nach interner Evaluation in Deutschland in die USA zu 80Plus gesendet, um die Übereinstimmung zwischen Testsample und Serienprodukten sicherzustellen. LC-Power hat ComputerBase gegenüber geäußert, man habe keinesfalls absichtlich ein abweichendes Samples – in der Branche "Golden Sample" genannt – zu 80Plus eingeschickt, um eine Zertifizierung zu erhalten.
Leistungsfaktorkorrektur (PFC)
Ein PC-Netzteil verhält sich im Stromnetz anders als gewöhnliche (ohmsche) Lasten wie z.B. eine Glühlampe. Die nicht Sinus-förmige Stromaufnahme bedeutet, dass neben der Wirkleistung sog. Blindstrom entsteht. Dies führt zum einen zu einer höheren gemessenen Scheinleistung, zum anderen zu einer Belastung für das Stromnetz. Ein Messwert von „1“ an dieser Stelle würde bedeuten, dass das Netzteil sich perfekt verhält und kein Blindstrom entsteht. In der Realität werden immer geringere Ergebnisse gemessen. Verbraucher bezahlen in Deutschland übrigens i.d.R. lediglich die Wirkleistung. Diese und alle folgenden Messungen werden mit 230 Volt Eingangsspannung durchgeführt.
Die Leistungsfaktorkorrektur des LC9450 arbeitet etwas unterdurchschnittlich. Die magischen 99 Prozent Leistungsfaktor werden nicht erreicht. Auch bei geringerer Last ergeben sich nur durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Werte. Glücklicherweise bezahlen Verbraucher in Deutschland i.d.R. lediglich die aufgenommene Wirkleistung, so dass die Leistungsfaktorkorrektur kein entscheidendes Kaufkriterium ist.