Bundestag beschließt Leistungsschutzrecht
Die schwarz-gelbe Koalition hat das Leistungsschutzrecht für Presseverlage gegen die Stimmen der Opposition verabschiedet. Damit sollen die Inhalte der Verlage lizenzpflichtig sein, wenn gewerbliche Suchmaschinenanbieter und News-Aggregatoren jene nutzen wollen – zumindest in der Theorie.
Von den im Bundestag anwesenden Abgeordneten stimmten 293 für den Entwurf, 243 dagegen und drei enthielten sich – zu den Gegnern zählten allerdings auch Netzpolitiker aus den Reihen der schwarz-gelben Koalition. Kurz vor der Abstimmung versuchten die Grünen noch vergeblich, die Abstimmung von der Tagesordnung zu entfernen, weil mit dieser die Rechte der Opposition verletzt werden. Abgeschlossen ist der Gesetzgebungsprozess für das Leistungsschutzrecht allerdings noch nicht, mit dem Bundesrat wartet Anfang Mai die nächste Hürde.
Die Bundestagsdebatte nutzte indes die Union, um erneut auf die angebliche Notwendigkeit des Gesetzes hinzuweisen. Mit dem Leistungsschutzrecht werde eine Lücke im Urheberrecht beschlossen, die durch das Internet als neuen Vertriebsweg für Verlage entstanden sei, sagte Günter Krings, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion. Distanzierter äußert man sich bei der FDP, der Abgeordnete Stephan Thomae spricht von einem ausgewogenen Gesetz, das sowohl die Interessen der Verlage schütze als auch die Funktionsweise des Internets erhalte.
Die Opposition blieb ihrer ablehnenden Haltung treu. Grundsätzliche Kritik übte Petra Sitte von der Linken, „wie Lemminge“ würde die Regierung den Forderungen von Medienkonzernen folgen und ein unnötiges und schädliches Gesetz verabschieden, das obendrein noch Verunsicherung verbreite. SPD und Grüne gingen indes auf die in dieser Woche kurzfristig umgesetzte Änderung ein, nach der „einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte“ nicht mehr unter das Leistungsschutzrecht fallen. Was unter „kleinste Textausschnitte“ zu verstehen ist, sorgte schon im Vorfeld der Debatte für Unklarheit, nun stellte die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ebenfalls die Frage in den Raum, wie diese Passage überhaupt zu definieren ist. Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen, sprach ebenfalls von einer „Verschlimmbesserung“ des Gesetzes.
Der von CDU/CSU und FDP durchgesetzte Änderungsantrag entstand offenbar als Reaktion auf verfassungsrechtliche Bedenken und Befürchtungen, das Leistungsschutzrecht umfasse sogar „sprechende Links“ sowie Social-Media-Angebote wie Facebook und Twitter. Die neue, ebenfalls unpräzise Formulierung löst die Probleme jedoch nicht, sondern schafft vielmehr neue: Juristen gehen davon aus, dass Anbieter von Suchmaschinen und News-Aggregatoren wie Google von dem Gesetz nicht mehr betroffen sind, obwohl es sich gerade gegen diese richten soll. Doch auch hierbei ist man uneins, so erklärte etwa der CDU-Abgeordnete Krings, die zulässige Länge der Anrisse („Snippets“) müssten die Suchmaschinenanbieter mit den Verlagen aushandeln.
Stimmen von Bürgerrechtlern, Verlagen und Unternehmen
Der Bürgerrechtsverein Digitale Gesellschaft hatte kurzfristig zu einer Demonstration gegen das Leistungsschutzrecht vor dem Brandenburger Tor aufgerufen. Bei der kleinen, kurzfristig anberaumten Kundgebung verkündeten die Demonstranten oftmals ironisch ihren Unmut, mit Verballhornungen wie „Das Recht darf kein netzfreier Raum sein“ und „Presserzeugniszugangserschwernisgesetz“ wurden Sprüche und Gesetzesinitiativen von Befürwortern eines strikteren Urheberrechts persifliert. Mit dem Plakat „Unser Anwalt klärt, ob wir das bloggen dürfen“ wurde allerdings auch auf die Gefahr von Abmahnwellen hingewiesen, die der deutschen Netzgemeinde durch den vage formulierten Gesetzestext blühen.
Allerdings waren auch die Verlage mit einem Plakatwagen vor Ort, über den Forderungen wie „Nein zu kommerziellem Content-Klau“ transportiert wurden. Ausführlicher äußerte sich der Bundesverband der Zeitschriftenverleger (VDZ) in einem Statement, in dem der Beschluss des Bundestags begrüßt wird. Die aktuelle Fassung erfülle zwar nicht sämtliche Vorstellungen der Verlage, dennoch erhalte man nun ein Recht, um bestimmen zu können, unter welchen Bedingungen Suchmaschinen und Aggregatoren auf Verlagsinhalte zu gewerblichen Zwecken zugreifen dürfen.
Kritisch äußert man sich auch seitens der Industrie, der IT-Branchenverband Bitkom hält das Gesetz für „schlicht überflüssig“, die Regierungskoalition habe sich in dieser Frage leider weitgehend erkenntnisresistent gezeigt. Trotz zahlreicher Änderungen würden weiterhin verfassungsrechtliche und europarechtliche Fragen bestehen, obendrein sei nun aber noch unklar, gegen wen sich das Gesetz überhaupt richtet. So bestehe etwa nach den letzten Änderungen auch bei den Abgeordneten noch Uneinigkeit, ab welchen Umfang Textausschnitte nun erlaubt sind. Die Bundesregierung nehme mit dem Gesetz jedoch rechtliche und ökonomische Unsicherheiten in Kauf, indem die Abwägung Gerichten überlassen wird. Das schadet vor allem Internetunternehmen und Startups, so der Bitkom. „Wenn schon der Gesetzgeber die Folgen seines Gesetzes nicht absehen kann, ist jahrelanger Rechtstreit vorprogrammiert“, so Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder.
Bei Google setzt man derweil die Hoffnungen auf den Bundesrat, auch wenn der Suchmaschinenanbieter von dem Gesetz möglicherweise nicht einmal mehr betroffen ist. „Das Gesetz ist weder notwendig noch sinnvoll, es behindert Innovation und schadet der Wirtschaft und den Internetnutzern in Deutschland", so Google-Sprecher Kay Oberbeck.
Nun entscheidet der Bundesrat
Dem Bundesrat wird das Leistungsschutzrecht nun Anfang Mai vorgelegt, jedoch verfügen CDU/CSU und FDP über keine Mehrheit in der Länderkammer. Allerdings handelt es sich beim Leistungsschutzrecht um ein sogenanntes Einspruchsgesetz, dass heißt, der Bundesrat kann das Gesetz nicht kippen, sondern lediglich in den Vermittlungsausschuss schicken, bei dem erneut über Änderungen verhandelt wird. Somit dürfte die Hängepartie rund um den Gesetzesentwurf noch einige Wochen und Monate weitergehen.