Tomb Raider im Test: Eine Studentin auf Abwegen

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Sasan Abdi
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Tomb Raider auf einen Blick (Forts.)

So gelungen die inhaltliche Gestaltung in puncto Story – vor allem aber mit Blick auf Laras Charakter – ist, so konventionell ist das Korsett, in das diese Inhalte gezwängt werden. Bei den Spielmechaniken verlässt man sich bei Crystal Dynamics nämlich auf eine Standard-Konzeption. Dementsprechend wird der Spieler von Trigger zu Trigger gelotst, wobei die dann ausgelösten Zwischensequenzen immer wieder von knackigen aber nicht immer überraschenden Quicktime-Events aufgepeppt werden.

Das dabei verfolgte Ziel ist klar: Mehr interaktiver Film als reines Videospiel, wird auf diesem Wege ein extrem flüssiger, glatter Erzählfluss erreicht, der durchaus dazu beiträgt, dass „Tomb Raider“ den Spieler in seinen Bann zieht. Dieser positive Aspekt hat aber auch eine Kehrseite: Die spielerische Freiheit leidet, wobei aufgrund von teilweise zu eindeutig vorgegebenen Pfaden und Richtungen sowie wegen einer allzu gütigen, unpräzise Eingaben des Spielers sehr stark tolerierenden Steuerung ab und an ein Autopilot-Gefühl aufkommt, dass den ansonsten hervorragenden Eindruck von „Tomb Raider“ ein wenig trübt. Dies gilt insbesondere für die spätestens ab der zweiten Spielhälfte einigen Raum einnehmenden Klettereinlagen, die viel zu wenig Timing und Geschick erfordern.

Dazu passt auch gut, dass man per Tastendruck jederzeit einen Layer aktivieren kann, der interaktive Objekte hervorhebt. Auf diesem Wege und in Verbindung mit den häufig zu eindeutigen Richtungen zum nächsten Trigger verliert das neue „Tomb Raider“ einen kleinen aber feinen Teil des Esprits der Serie, da das Knobelmoment durch diese Verbindung merklich verkürzt wird. Denn statt minutenlang nach dem richtigen Weg oder dem richtigen Hebel suchen zu müssen, kann man sich häufig auf die geradlinige Spielführung und im Zweifel auf den besagten gottgleichen Layer verlassen.

Tomb Raider im Test
Tomb Raider im Test

Doch auch wenn die Rätselei im neuen „Tomb Raider“ längst nicht so tough ausfällt, wie sich dies mancher Veteran wünschen würde: Dank manch cleveren, häufig mit den Grundelementen wie Feuer oder Wasser zusammenhängenden Aufgabenstellungen bleibt trotz dieser Vereinfachung doch ein guter Teil des dahingehenden Charmes erhalten. Wenn man zum Beispiel direkt am Anfang des Spiels Minuten damit verbringt, unter Einbeziehung von unterschiedlichen Faktoren eine blockierende Kistenansammlung in Flammen zu setzen, ist sofort wieder das alte „Tomb Raider“-Gefühl präsent – recht so!

Weniger gut gefällt uns dagegen die übermäßige Einstreuung von Kampfsequenzen. Hierbei handelt es sich um einen alten Streitpunkt, der letztlich auf die Frage zurückzuführen ist, ob eine Lara Croft vor allem eine recherchierende Archäologin oder aber eine ballernde Action-Figur ist. Doch selbst wenn man zu letzterer Sicht tendiert: So richtig überzeugend sind die Action-Einlagen nicht. Dies liegt zum einen an der nicht übermäßig kompetenten Gegner-KI und zum anderen am klassischen Auto-Heal-System und einem grundsätzlich etwas zu laschen Schwierigkeitsgrad – ein Gemenge, das das grundlegende Setting konterkariert. Denn wo Lara einerseits als ziemlich normaler Mensch charakterisiert wird, der erst mal mit den Umständen umgehen muss, erscheint es ziemlich abwegig, dass ebendiese Lara zig Schüsse einstecken und dabei ein gutes Dutzend Söldner im Frontalkampf ausschalten kann.

Die zur Inselwelt verbundenen Kartenabschnitte sind anhand der eben beschriebenen Spielmechanik konzipiert. Dementsprechend wechseln sich extrem enge Areale wie Tempelgänge und Katakomben mit weitläufigeren Gebieten ab, die allerdings stets ebenfalls über eindeutige Begrenzungen in Form von unüberwindbaren (aber immerhin sichtbaren) Hindernissen verfügen. Allerdings muss dazu fairerweise angemerkt werden, dass die Entwickler durchaus Versuche machen, den Standard-Spielfluss aufzubrechen. So kann man über ein Lagerfeuersystem jederzeit in die bereits durchlaufenen Areale zurückreisen. Dort angelangt, steht dann nicht mehr die Handlung bzw. der nächste Trigger im Vordergrund. Stattdessen kann man die Umgebung detaillierter erkunden, wobei man immer wieder auf Verstecke und Items stößt, die zuvor etwa mangels Fertigkeiten noch nicht zugänglich waren, was gerade sammelfreudige Spieler zu längeren Ausflügen in die Inselwelt ermutigen dürfte.

Tomb Raider im Test
Tomb Raider im Test

Das Hin- und Herreisen ist teilweise zur Jagd auf Relikte, Dokumente und Verstecke auch zwingend notwendig, da Lara anfänglich nicht jedes gefundene Versteck erreichen kann. Denn nicht nur der Charakter von Lara entwickelt sich, auch ihre Fähigkeiten verändern sich. Dies funktioniert zum einen über Erfahrungspunkte, die regelmäßig in Skill-Punkten kumulieren und am Lagerfeuer in Vorteile wie bessere Jagdfähigkeiten oder kämpferische Elemente investiert werden können. Zum anderen tragen auch die besagten Relikte zur Weiterentwicklung bei, weswegen sich die Schatzsuche nicht nur zu Erkundungszwecken anbietet. Auf diesem Wege nähert sich Lara wie bereits beschrieben langsam dem „Endprodukt“ aus den Vorgängertiteln an: Anfangs nur mit Pfeil und Bogen bewaffnet, malträtiert man die Gegner später mit Feuerpfeilen, Pistolen und Shotguns und erklimmt auch den letzten Felsvorsprung gekonnt mit Pickel und Seilpfeilen.

Tomb Raider im Test
Tomb Raider im Test

Auch technisch bewegt sich das neue „Tomb Raider“ auf einem sehr guten Niveau, wobei die authentisch in Szene gesetzte Spielwelt einer pazifischen, tropischen Insel maßgeblich zur Spielatmosphäre beiträgt. Dabei ist hervorzuheben, dass Crystal Dynamics zusammen mit den Partnerentwicklern von Nixxes mit der PC-Version keine bloße Portierung anbietet, sondern die Vorteile der Plattform durchaus ausnutzt. So bietet die PC-Version erhöhte Details, Tessellation, verbessertes Screen Space Ambient Occlusion (SSAO) und hochaufgelöste Texturen und Schatten, was erklärt, warum die PC-Version deutlich besser aussieht, als die Konsolen-Pendants.

Darüber hinaus können die Verantwortlichen mit der Haarsimulation TressFX Hair aus dem Hause AMD als erste ein neues, kleines Gimmick anbieten, das von Crystal Dynamics und AMD als „weltweit erste Echtzeitsimulation zur physikalisch korrekten Darstellung und Ausleuchtung von Haar in einem PC-Spiel“ gefeiert wird.

All das fordert durchaus Tribut, sodass man schon über ein aktuelles System verfügen sollte, um „Tomb Raider“ in hohen Details genießen zu können. Auf unserem Testsystem lief der Titel dementsprechend bei „höchsten“ Details in einer Auflösung von 1.920 × 1.080 überwiegend mit noch akzeptablen 40 FPS, wobei die Bilderrate in fordernderen Situationen aber durchaus auch mal auf die 30 zuging.

AMD TressFX

Und auch die Sound- und Sprachumsetzung können überzeugen. Da ist auf der einen Seite der exzellente Soundtrack, für den der Komponist Jason Graves (u.a. „Dead Space“, „F.E.A.R“) verantwortlich zeichnet und bei dem sich orchestrale Klänge ab und an gekonnt mit Rasseln und Trommeln zusammenfinden. Garniert wird das Ganze von knackigen Ambiente-Sounds, die ebenfalls entscheidend zur Spielatmosphäre beitragen.

Auf der anderen Seite ist schließlich eine deutsche Sprachausgabe, die mit teils hervorragenden Sprechern zu punkten weiß. Dazu gehört auch die PR-trächtig als deutsche Lara-Stimme engagierte Nora Tschirner, die die Protagonistin in Summe exzellent bespricht.

Multiplayer

Wer auch nach dem Einzelspieler-Modus Lust auf das neue „Tomb Raider“ verspürt, kann sich – und hier findet sich eine ziemliche Neuerung – für weitere Stunden im Multiplayer versuchen. Auch in dieser Hinsicht überrascht der Titel mit einem gelungenen Kniff: Statt einfach ein hingepfuschtes Death-Match-Addon anzubieten, wirkt der von Eidos Montreal implementierte Mehrspielerpart entgegen vieler anderslautender Prognosen auf den ersten Blick erstaunlich ausgefeilt.

Dies liegt vor allem am neben klassischen (Team)-Death-Match-Modi verfügbaren „Rettung“-Modus. Hier treffen mit den Überlebenden und den Plünderern die beiden aus dem Einzelspieler bekannten Fraktionen aufeinander, wobei man ab Level 60 auf der ersteren Seite sogar als Lara Croft in die Schlacht ziehen kann. Gelungen ist dabei, dass beide Parteien über unterschiedliche Fähigkeiten verfügen. So ist mit den Plünderern ein aggressiverer, brutalerer Spielstil möglich, während die Überlebenden mit den Fähigkeiten von adrenalingeladenen, maximal bedrohten Menschen ausgestattet wurden. Dementsprechend verfügen die Schiffbrüchigen über eine Art „Last Stand“-Fähigkeit, die es für die Plünderer notwendig macht, sie final im direkten Nahkampf zu beseitigen.

Tomb Raider im Test (Mehrspieler)

Die Mechanik ist an Altbekanntes angelehnt, sodass das Capture-the-Flag-Prinzip zugrundeliegt, wenn die Überlebenden eine bestimmte Anzahl von Medipacks an einen Punkt liefern müssen, während die Plünderer genau dies zu verhindern haben.

Trotzdem erfrischt beim Spielen auf den vielseitig konzipierten Karten, dass es dabei tatsächlich stark auf das Zusammenspiel ankommt: Nur wer als Überlebender ein geschicktes Ablenkungsmanöver startet und die Medpack-Träger bis zum letzten Moment schützt, wird erfolgreich sein. Dies bedeutet aber auch, dass man in vielen Situationen auf Gedeih und Verderb an der Kompetenz seiner Mitspieler hängt, was der Natur der Sache nach auch mal zu frustrierenden Momenten führen kann.

In diesen Momenten kann man sich dem direkten Teamplay aber auch entziehen und als Unterstützer wirken. So kann es zum Beispiel schon sehr hilfreich sein, mit Pfeil und Bogen durch das Unterholz zu schleichen und die den Abgabepunkt bewachenden Plünderer aus dem Hinterhalt unter Druck zu setzen oder aber die von dem Gegner ausgelegten Fallen zu identifizieren. Auch in diesen Momenten überzeugt der Mehrspielerpart, weil er unterschiedliche Spielweisen zulässt.

Zusammengenommen ist so verzeihbar, dass das Erfahrungssystem viel zu großzügig ist. Ganz gleich wie man spielt: Ein rasanter Aufstieg in bester „Call of Duty“-Manier und dementsprechend in Verbindung mit allerlei Perks ist garantiert, was nicht so recht zu „Tomb Raider“ passen mag, den guten Eindruck vom Multiplayer-Modus aber nur minimal trüben kann.