US-Studien über Zensur in chinesischen Online-Diensten
Dass chinesische Internetangebote zensiert werden, ist gemeinhin bekannt – wie genau, lässt sich allerdings kaum nachvollziehen. Für detailliertere Kenntnisse analysieren US-Forscher nun einen chinesischen Kurznachrichtendienst, zudem ist eine Wortfilterliste für die lokale Skype-Version mit über 1.000 Begriffen aufgetaucht.
Für die Untersuchung des chinesischen Kurznachrichtendienstes Sina Weibo, der ähnlich wie Twitter funktioniert und mittels dem 300 Millionen Nutzer rund 70.000 Nachrichten pro Tag verschicken, sind Forscher der Rice University in Houston (Texas) verantwortlich. Anhand von Beobachtungen wollten diese mehr über die Zensurmechanismen erfahren und zeichneten über einen Zeitraum von 15 Tagen die Beiträge von 3.500 Nutzern auf. Dabei stellten sie fest, dass 13 Prozent aller Beiträge entfernt werden.
Allerdings lässt sich nicht zweifelsfrei identifizieren, welche Beiträge von den Nutzern selbst und welche von den Dritten gelöscht werden. Die Forscher gehen davon aus, dass Beiträge mit der Fehlermeldung „Beitrag existiert nicht mehr“ zum Großteil von Nutzern selbst wieder entfernt wurden, während der Hinweis „Zugriff verweigert“ auf einen Eingriff der Überwacher hindeutet. Demzufolge würden ein Drittel der gelöschten Beiträge der Zensur zum Opfer fallen.
Gemäß der Studie wurden von den Beiträgen mit der „Zugriff-verweigert“-Meldung fünf Prozent während der ersten acht Minuten nach der Veröffentlichung entfernt, 30 Prozent verschwanden binnen 30 Minuten und im Laufe eines Tages waren dann 90 Prozent der entsprechenden Beiträge weg. Die chinesischen Zensurbehörden überwachen die bei Weibo veröffentlichten Beiträge offenbar in Echtzeit, so die Theorie der Forscher – mutmaßlich mit Hilfe eines automatischen Filtersystems, das auf bestimmte Begriffe und Schlagwörter wie „Regierung“, „Sex-Skandal“ oder „Politiker“ reagiert.
Funktioniert das Zensursystem wie von den Forschern beschrieben, benötigt es ihrer Einschätzung nach im Schnitt rund 1.400 Zensoren im Einsatz, um die Überwachung aufrecht zu erhalten. Eine Rolle spielt dabei allerdings die Tageszeit, Nachts geht die Löschquote laut der Studie zurück, steigt dafür aber am Morgen wieder an, während tagsüber noch ein kurzer Einbruch während der TV-Abendnachrichten um 19 Uhr erfolgt. Diese Abweichungen in der Löschquote interpretieren die Forscher als Hinweis, dass die Zensur nicht automatisch erfolgt, sondern Mitarbeiter der zuständigen Behörde zumindest daran beteiligt sind.
Die Untersuchung ist damit aber nicht abgeschlossen, nun soll der Schwerpunkt auf die Inhalte der gelöschten Beiträge verlagert werden. Die Forscher wollen herausfinden, nach welchen Kriterien die Zensoren vorgehen.
Filterliste der chinesischen Skype-Version publik
Dass die Theorie der Forscher von der Rice University nicht allzu abwegig ist, zeigen indes die jüngsten Meldungen über die Zensur und Überwachung bei der chinesischen Version von Skype, die Microsoft in Kooperation mit der chinesischen Internetfirma „TOM Online“ anbietet – das sogenannte TOM-Skype. Seit geraumer Zeit ist bereits bekannt, dass die beiden Unternehmen die Online-Kommunikation der TOM-Skype-Nutzer überwachen, um die Forderungen der chinesischen Administration zu erfüllen.
Nun hat der Student Jeffrey Knockel von der University of New Mexico sich die Kommunikations-Software nicht nur näher angesehen, sondern diese per Reverse Engineering analysiert. Dabei ist er auf eine Liste mit über 1.100 Begriffen gestoßen, die bei der chinesischen Administration offenbar auf der schwarzen Liste stehen. Tauchen in den Text-Nachrichten von TOM-Skype-Nutzern entsprechende Wörter auf, wird eine Kopie an einen TOM-Server geschickt – versehen mit Account-Namen, Datum, Uhrzeit und der Angabe, ob der Nutzer die entsprechende Nachricht verschickt oder empfangen hat. Wie die Informationen auf den TOM-Servern weiterverarbeitet werden, lässt sich anhand der Analyse allerdings nicht nachvollziehen.
Interessant sind indes die Wörter, die auf der Filterliste stehen. Das politische Begriffe darunter fallen, wie etwa Verweise auf das Tian’anmen-Massaker von 1989 oder aktuelle Skandale chinesischer Politiker, entspricht den Erwartungen. Hinweisen auf Pornografie filtert die Überwachungstechnologie ebenfalls heraus, hinzu sind Begriffe wie „Ferrari“ oder „Quebec“ auf die Liste gelangt sind, die auf den ersten Blick recht neutral wirken und einen Eindruck vermitteln, wie umfassend die Zensur ausfällt.
Für Microsoft hatte die Kooperation mit der chinesischen Administration bereits einige schlechte Presse zufolge und führte zu Protesten von Bürgerrechtsorganisationen. Der Softwareriese antwortete aber stets, bei der Unterstützung von Zensur und Überwachung handelt man nur gemäß der jeweiligen nationalen Gesetze. Das führte bereits im Januar dazu, dass Bürgerrechtsorganisationen – zu denen etwa die Electronic Frontier Foundation (EFF) und die deutsche „Digitale Gesellschaft“ zählen – in einem offenen Brief forderten, Microsoft solle transparent darlegen, welche Überwachungs- und Zensurmechanismen mit Skype möglich sind und wie Anfragen bezüglich Nutzerdaten von Dritten gehandhabt werden.
Dieser Punkt spielt auch in Deutschland eine nicht unerhebliche Rolle. Die Einführung und Entwicklung des Staatstrojaners wurde von den hiesigen Behörden mit der Argumentation begründet, Online-Telefonate über Skype könnten ohne entsprechende Software nicht abgehört werden. Würde Microsoft nun bestätigen, dass Nutzerdaten an Behörden weitergeleitet werden können und es möglich ist, die Online-Kommunikation der Nutzer ohne Trojaner-Einsatz abzuhören, falle ein Hauptargument für die ohnehin umstrittene Quellen-TKÜ in sich zusammen, heißt es etwa im Blog Netzpolitik.org, das der „Digitalen Gesellschaft“ nahe steht.