Klassiker neu entdeckt: Star Trek Voyager: Elite Force (2000) im Test
Vorwort
Spiele mit kommerziell erfolgreicher Lizenz stehen ebenso oft für Qual wie für Qualität. Die Gehversuche diverser Videospiele im Star-Trek-Universum gehören und gehören oft in erstere Kategorie. An diesem Zustand ändert auch der neueste Teil der Serie, „Star Trek: The Video Game“ von Namco Bandai, der heute in den Handel kommt und bestenfalls durchschnittlich unterhält, nichts. Deshalb lohnt einmal mehr der Blick auf einen Klassiker gleichen Genres und Settings: „Star Trek Voyager: Elite Force“.
Der Ego-Shooter aus der Feder von Raven Software überzeugte nicht nur mit der technischen Qualität, sondern auch durch seine feine Umsetzung des fiktiven Sci-Fi-Settings – unter erschwerten Bedingungen. Bis dato waren „Trekkie“-Shooter mit kriegerischen Klingonen („Honor Guard“) und nicht mit friedliebenden Förderationsmenschen besetzt, die für das gewalttätige Genre die bessere Passform boten. Willkommen in der Sternenflotte!
Geschichte und Hintergrund
Angesiedelt ist die Handlung des Spiels nach den Geschehnissen der vierten Staffel seiner Fernsehvorlage: Das Raumschiff Voyager befindet sich immer noch fern heimischer Gewässer und wird auf dem Heimweg auf einen Sternenfriedhof verschleppt. Um von dort zu entkommen, muss der Spieler in die Rolle des wahlweise weiblichen oder männlichen Fähnrichs Munroe schlüpfen und die ungewohnte Umgebung als Leiter eines Außenteams erforschen – inklusive des traditionellen „Redshirts“, das zwecks Dramatik stilecht umkommen darf. Das Spiel schöpft hierbei vom originalen Serienintro an aus den Vollen, was insbesondere Fans in Verzückung versetzt. Bereits das Handbuch liefert auf zahlreichen Seiten Hintergrundinformationen zu Crew, Charakteren und Vorgeschichte, nochmals mehr Folklore kann im Spiel selbst über das Hauptmenü aufgerufen werden und wird in jedem Menüpunkt als Zusatzhappen serviert. Selbst die schier unbegrenzte Tragekapazität der Charaktere wird mit einem „Transportbuffer“ erklärt, der nicht benötigte Gegenstände in einer anderen Dimension zwischenlagert. Mühe, die sich andere Spiele nicht in Ansätzen machen.
Für den Fan wird nicht nur so ein echtes Star-Trek-Picknick gedeckt, sondern auch mit zahlreichen Delikatessen garniert. Was wäre Star Trek ohne Turbolift (Wusch!), obligatorischem Warpkern (in Gefahr!), Transporterraum (Energie!) und Schäden auf den Decks 3, 5 und 17 (Schilde ausgefallen!)? Ziemlich alle Alltagsaktivitäten eines Serienhelden finden sich in komprimierter Form im Spiel, speziell da einzelne Außeneinsätze immer mit Aufenthalten auf der Voyager verzahnt werden. Die Ereignisse auf dem Raumschifffriedhof ergeben so eine durchgängige Sequenz und sind im Endeffekt eine interaktive Serienfolge in Überlänge mit angenehmen Tempowechseln. An Bord der Voyager stehen geruhsame (De-)Briefings oder Gespräche mit Crewmitgliedern auf dem Programm – unter anderem in der Schiffsbar bei Delikatessen von Neelix, der auch für RTL das Dschungelcamp bekochen könnte. Sofern keine bekannten, exzellent ausgearbeiteten Serienfiguren auftreten, die sowohl in deutscher als auch der ebenfalls vorhandenen, englischen Sprachausgabe mit Originalsprechern glänzen, fallen die nicht immer abzubrechenden Dialoge qualitativ aber gelegentlich in den Marianengraben. Die Charaktere des eigenen Außenteams bleiben zu ihrem Leidwesen stereotyp und blass, hier fehlt für Tiefe in Anbetracht der knappen Begegnungen schlicht Redezeit. Die selbst für alte Spiele extrem abrupten und hakeligen Animationen fallen zudem negativ auf.
Getreu der Sternenflotten-Regeln wird Gewalt stets nur als Notlösung betrachtet. Daher wird die Anwendung selbiger im Spiel zumeist in irgendeiner Form als Reaktion auf Aggression ausdrücklich legitimiert, wenngleich anschließend ausgiebig zelebriert. Auch der mögliche Beschuss Verbündeter („Trekkie-Trolling“) wird deshalb erst mit Gefängnisaufenthalt und moralischer Belehrung bestraft, bevor ein Spielstand geladen werden darf. Insofern verwundert es wenig, dass das Spiel trotz der langsam herandämmernden, ersten „Killerspiel“-Debatte bereits in der ungeschnittenen Fassung eine Altersfreigabe ab 16 Jahren erhielt.
„Set phaser to frag“ – Motto des Spiels
Spielablauf und Technik
Neben der seltsam vorkonfigurierten Steuerung wirkt vor allem das Leveldesign des Shooters mittlerweile etwas unzeitgemäß. Die strikt linearen Schlauchlevel sind zwar immer noch gängig, sehen sich in aktuellen Umsetzungen aber nicht an jeder Ecke ähnlich und bieten sowohl durch optische Kniffe als auch durch die ein oder andere Ecke zum Erkunden ein Mindestmaß an suggerierter Freiheit. Aufgelockert wird das Spielerlebnis gelegentlich durch Rätselpassagen, die aus dem Auffinden eines meist versteckten, gelegentlich auch unfair versteckten, Schachtes oder einer ebenso kurzen wie simplen Sprungsequenz bestehen. Mehr gerätselt wird unfreiwillig an Bord der Voyager, da Gänge und Flure häufiger als anderswo schlicht gleich aussehen und an diesen Stellen zu allem Überfluss mit offeneren Levels gearbeitet wird. Die teils an der Wand hängende Standortkarte vermag Frust durch die generell fehlenden Orientierungsmarken, etwa unbeschriftete Türen, nicht zu verhindern – „intelligent Design“ geht anders. Gleichfalls frustrierend unkonkret bleiben die Missionsziele zwischen den Einsätzen, ohne deren Absolvierung das Spiel nicht voranschreitet. So gut die zugrunde liegende Idee immer noch ist: Selbst im Jahr 2000 war mehr möglich.
Die Gestaltung der Missionen fängt im Gegenzug das typische Star-Trek-Flair ausgleichend ein; von verlassenen Sternenschiffen über Borg-Würfel und Klingonen-Kreuzer bis hin zu alten Förderationsschiffen steht visuelle Varianz auf dem Speisezettel. Bevölkert werden die Gänge von unterschiedlichen, meist bekannten Außerirdischen, die jedoch alle den selben Ausbilder hatten: Fast alle Typen bevorzugen den Nahkampf, selbst mit Waffe stürzt sich die KI frontal auf den Spieler. Von Serious Sam, das dieses Konzept mit einem Augenzwinkern auf die Spitze getrieben hat, unterscheidet Elite Force daher vor allem die Kulisse. Spawnpunkte gibt es übrigens nicht: Transportertechnolige erlaubt das „teleportieren“ der feindlichen Horden direkt in den Raum – simpel, aber immerhin stilecht.
Dem zur Wehr gegen Nahkampf-Rüpel eingefügten Waffenarsenal fehlen in letzter Konsequenz allerdings die Ideen. Die Schießprügel bieten nichts, was nicht auch andere Sci-Fi-Shooter, speziell von ID, ebenso im Programm haben. Besondere Waffen, etwa das klingonische Kampfschwert (Bat'leth) oder Betäubungskanonen oder -modi, die gerade vor dem Star-Trek-Hintergrund durchaus ihre Berechtigung hätten, fehlen. Das verschenkt ohne Not Atmosphäre, da fiese Aliens und böse Menschen trotz Tauben auf der Agenda in jedem Fall ausgiebig auf klassische Art atomisiert werden müssen. Dazu nötig ist wie bei allen Titeln dieser Epoche auch ein stetes Schießen aus der Bewegung, um Gegnern oder ihren Projektilen auszuweichen. Deckungssystem und Rückstoß, bei Energiewaffen ohnehin unlogisch, entfallen – entsprechend adrenalinlastig und flott spielt sich Elite Force auch heute noch, speziell im Mehrspielermodus. Der wurde schließlich, abseits der thematisch passenden Holodeck-Aufmachung, bis hin zur Menüführung fast direkt aus „Quake 3“ „übernommen“. Online-Spieler gibt es derzeit allerdings nicht mehr, weshalb nur Bots oder Freunde die Karten füllen. Generell wollen Waffen und Spielgefühl, das vor allem das Durchdrücken der linken Maustaste beinhaltet, nicht recht zum Setting passen. Der scharfe Kontrast zwischen ausdauernden Schießereien und dem eigentlich fröhlich-friedlichen Setting der Voyager-Serie bricht die Atmosphäre deutlich auf; eine „friedliche“ Lösung der Konflikte beinhaltet immer das endgültige Ausschalten der Kontrahenten, so legitimiert dieses auch sein soll.
Dem Multiplayer-Modus widmet sich auch das ein Jahr nach dem Hauptprogramm erschienene Erweiterungspaket. Neben neuen Mehrspieler-Karten und -Modi wird das gesamte Schiff virtuell begehbar, wobei Sammelaufgaben und Minispiele für Abwechslung sorgen. Wer mag, kann außerdem in Tagebüchern schnüffeln, etwa das der Ex-Borgfrau „Seven of Nine“, oder – unter anderem – den Selbstzerstörungs-Mechanismus des Schiffes testen. Auf dem Holodeck stehen außerdem vier Szenarien zum Entspannen bereit, darunter eine Mission des fiktiv-fiktiven Captain Proton, die aufgrund der fehlenden Zwischenspeicher-Funktion eher nervenaufreibend ist. Aufgrund der kurzen Solo-Spieldauer von rund ein bis zwei Stunden genoss das Paket bei Erscheinen einen schlechten Ruf und ist eine Art prähistorischer DLC mit Umverpackung. Gleichwohl macht der bis heute quasi einzigartige, virtuelle Schiffsrundgang zumindest für Fans eine Zeit lang Spaß und vergrößert den bereits angelegten Sternenschiff-Spielplatz.
Das auf der „ID-Tech 3“-Engine basierende Elite Force erfordert zwar, wie ein Warnhinweis verrät, eine „3D-Beschleunigerkarte“, aber fast keinen Pflegeaufwand. Lediglich die Installation muss rund eine Stunde lang direkt über die setup.exe im Unterordner „Setup“ geladen werden, dafür rennt der Unterbau spätestens im Kompatibilitätsmodus für Windows XP samt Administratorrechten problemlos. Wer die Installation abkürzen möchte, kann auch einfach den „Setup“-Ordner auf die HDD kopieren und anschließend die „stvoy.exe“ starten. Widescreenauflösungen lassen sich wie bei ID-Tech-Pixelbauten üblich über .ini-Modifikationen „nachrüsten“, problematisch waren stellenweise nur Auflösungen oberhalb von 1920 × 1080 Pixeln – das Spiel ließ sich in diesem Fall nicht mehr speichern und stürzte ab. Durch den verbreiteten Unterbau überzeugt das Mod-Angebot, das sich gleichwohl überwiegend auf neue Skins und Multiplayer-Modifikationen wie einen Insta-Gib-Modus konzentriert. Für Solo-Unternehmungen stehen weitere virtuelle Rundgänge, für Kampagnen-Spaß mit „The Argas Effect“ eine rätsellastige Adventure-Mod parat, die auf der originalen Enterprise mit Erstbesatzung spielt. Zum stabilen Betrieb sollte in der .ini der Eintrag „com_hunkmegs“ allerdings einen Wert von mindestens 64 besitzen. Colony 7 spinnt hingegen eine Geschichte um verräterische Klingonen und Geheimdienste, ließ sich jedoch auf unserem Testrechner nicht zum Arbeiten bewegen. Für Freunde der Captain-Proton-Mission ist hingegen Nachschub im Schwarz-Weiß-Stil erhältlich; als einzige Fan-Ergänzung sind die Episoden zudem komplett fertiggestellt – zumindest eine kurze Stippvisite empfiehlt sich durchaus.
Für die „efconfig.cfg“ und „hmconfig.cfg“ im Unterordner BaseEF des Spielverzeichnisses
- seta r_mode "-1"
Erklärung: Erlaubt das Einspielen eigener Auflösungen. - seta r_customwidth "xxxx"
- seta r_customheight "xxxx"
- seta cg_fov "xx"
Erklärung: Das Field of View hängt vom gewählten Seitenverhältnis ab. Ein Wert von 90 ist für 16:10-Auflösungen, ein Wert von 95 für 16:9-Auflösungen geeignet.
Wenn Du ein Licht am Ende des Wurmlochs siehst, ist es meistens ein Photonentorpedo.
Fazit
Elite Force ist nach wie vor ein ordentlicher Shooter, es ist auch nach wie vor eine gute Star-Trek-Episode – beides gleichzeitig allerdings nicht immer. Die detailverliebte Umsetzung, die Anlage als Serienepisode mit Originalstimmen und häufigen Besuchen auf der Voyager mit Mannschaftsgesprächen werden Sci-Fi-Fans trotz der uninspirierten Durchschnittswaffen und teils unterqualitativen Dialoge zwischen den flachen, von Raven erdachten Charakteren freudig stimmen, denn näher an der Serie darf man auch heute selten sein. Der eigentliche Spielablauf lässt sich jedoch mit „Serious Sam in kleineren Räumen“ treffend charakterisieren und macht ohne Frage Spaß – passt aber mit dem Setting nicht recht zusammen. „All guns blazing“ war noch nie das Motto der Sternenflotte und taugt für eine Trekkie-Simulation nur bedingt, zumal das Konzept auf Dauer ermüdet. Shooterfans werden allerdings die langen, tendenziell zähen Voyager-Passagen kaum begeistern. Insofern lohnt sich der Griff zum Klassiker nur dann, wenn man sich zu den Fans oder Freunden des Settings zählt, die konkurrenzlose, überwiegend passend umgesetzte Kulisse schätzt und mit dem angeflanschten Adrenalin-Shooter samt nur noch durchschnittlichem Leveldesign leben kann. Für diese Gruppe ist auch das Erweiterungspaket dank des virtuellen Voyager-Rundgangs sinnvoll, insofern nur noch der Running-Gag schlechthin bleibt: „Beam me up, Scotty!“
Schnellcheck | Star Trek Voyager: Elite Force |
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Getestete Version | 1.2 |
Altersfreigabe | ab 16 Jahren |
Minimale Systemanforderungen | Pentium II (233 MHz), 64 MB RAM, DirectX 7.0 kompatible Grafikkarte mit 8 MB Speicher, 650 MB HDD |
Widescreen | .ini-Einträge |
Mods | Einzel- und Mehrspieler |
Kompatibilität | bis Windows 8 (x64) |
Probleme | Installation zeitaufwändig, nur über „setup.exe“ im Ordner „Setup“ |
Empfehlung | für Fans |
Bisher erschienen
In der Serie „Klassiker neu entdeckt“ bereits erschienen:
- Max Payne (2001)
- MechWarrior 4: Mercenaries (2002)
- Medal of Honor: Allied Assault (2002)
- Tomb Raider 2 (1997)
- System Shock 2 (1999)
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