2. Politiker-LAN im Bundestag: Viel Selbstbeweihräucherung
Thema verfehlt
Philipp Rösler ist amüsiert: Umringt von einer Anzugträger-Entourage sieht der Bundeswirtschaftsminister vergnügt einem kleinen Roboter beim beherzten Kicken eines Tennisballs zu. „Das ist deutsche Technologie des 21. Jahrhunderts“, raunt ein Nebenmann in einem Tonfall, der irgendwie an das 20. Jahrhundert erinnert.
„Technologie“, das sollte dann aber tatsächlich das entscheidende Stichwort auf der 2. Politiker-LAN werden, die heute am späten Nachmittag im Bundestag stattfand. Erstmalig abgehalten im Jahr 2011, sollte sich die Neuauflage der Veranstaltung dem Thema „Games als Wirtschaftsfaktor“ widmen. Damit vollzogen die Initiatoren, die Bundestagsabgeordneten Jimmy Schulz (FDP), Dorothee Bär (CSU) und Manuel Höferlin (FDP), einen denkbar radikalen Wechsel: Ging es 2011 vor dem Hintergrund der kontroversen „Killerspiel“-Debatte noch darum, die Welt der Spiele einer breiten Öffentlichkeit – und allen voran: den Bundestagsabgeordneten – näher zu bringen, stand dieses Mal die Frage im Zentrum, welchen Stellenwert die Spielebranche in Deutschland hat und welchen Herausforderungen sie sich gegenübersieht.
Damit waren die Vorzeichen von vornherein klar definiert, sodass absehbar war, dass der Faktor „LAN-Party“ auf der 2. Politiker-LAN noch weniger im Vordergrund stehen würde als beim Einstand vor zwei Jahren. Kein Wunder also, dass man nach dem offiziellen Teil an den überraschend spärlich vorhandenen Spieleplätzen keine Politiker antraf.
Dazu passte dann auch die Eröffnungsrede von Rösler, der sich zwischenzeitig von den Robotern loseisen konnte und gleich zu Beginn die „immensen positiven Effekte“ lobte, die von der deutschen Spielebranche ausgingen: „Viele Bereiche der Wirtschaft profitieren von der Spieleindustrie“, jubelte Rösler, um anzuschließen, dass es sich hierbei um „Industrie 4.0“ handle.
Für eine kleine Überraschung sorgte der Wirtschaftsminister im weiteren Verlauf seiner Rede dann nicht etwa mit inhaltlichen Finessen, sondern mit einem Bekenntnis: „Auch ich gehöre zu den Gamern der ersten Generation“, erklärte Rösler unter Verweis auf seinen Umgang mit einem ZX81. Die so im Plenum gesammelten Sympathiepunkte verspielte Rösler allerdings prompt wieder, als er nach weiteren Lobgesängen auf die Güte der deutschen Spielebranche abschließend bekannte, mittlerweile fürs Spielen zu alt zu sein und nur noch ab und an auf dem Smartphone Tower-Defense-Spielen zu frönen.
Dem eigenwilligen Fluss der Veranstaltung tat dies allerdings keinen Abbruch, da Rösler von Amtswegen den Weg für Maximilian Schenk, Geschäftsführer des Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), und damit für den Cheflobbyisten der deutschen Spieleindustrie geebnet hatte.
Eine fatale Wendung nahm die Veranstaltung, nachdem der aufgerufene Schenk seinerseits erwartungsgemäß die Qualitäten seiner Branche hervorgehoben und gelobt hatte. Denn auch die nun folgende Podiumsdiskussion, bei der neben Schenk auch Alexander Moutchnik (Mediadesign Hochschule München), Simone Kimpeler (Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung) und Odile Limpach (Geschäftsführerin Ubisoft Deutschland und Blue Byte) teilnahmen, war offenbar nicht dazu gedacht, eine kontroverse, facettenreiche Diskussion aufkommen zu lassen. Im Gegenteil: Allein bedingt durch die Zusammensetzung des Podiums wurde bereits nach der ersten Frage deutlich, dass auch hier Selbstbeweihräucherung einer kritischen, tiefergehenden Auseinandersetzung vorgezogen werden sollte.
Dementsprechend lobten alle Diskutanten aus ihrer Perspektive den Zustand und das Wirken der deutschen Spielebranche. Eine mäßige internationale Relevanz? Die geringe Unterstützung für unabhängige Projekte? Das übersichtliche Maß an inhaltlicher Innovation? Alles kein Thema für die Podiumsteilnehmer, die sich stattdessen darauf verlegten, Spiele mit Schokolade zu vergleichen („krisenfest, von allen gemocht“, Moutchnik), mehr Fachkräfte zu fordern (Schenk und Limpach), blass die Synergieeffekte hervorzuheben (Kimpeler), den strikten deutschen Datenschutz zu kritisieren (Limpach) und mit der Keule der Wettbewerbsfähigkeit vor einer „Überregulierung“ in diesem Bereich zu warnen (Schenk).
Für kleine erhellende Momente sorgte immerhin Moutchnik, der nach einem langen Monolog in einem Anflug von Kritik und Selbstironie feststellte, dass die Umsätze der deutschen Spieleindustrie – Schenk erwähnte mehrfach mit Stolz die Zahl von drei Milliarden Euro – in Relation zu anderen Branchen doch eher übersichtlich wären und obendrein kundtat, auf eine einsame Insel am liebsten Tetris mitnehmen zu wollen. Die so erzeugten Lacher waren allerdings auch dringend nötig, da Moutchnik kurz zuvor im technokratischen Duktus eines Volkswirtschaftlers erklärt hatte, Spiele seien auch deswegen wertvoll, weil sich die arbeitende Bevölkerung bei ihrem Konsum erholen würde.
Limpach, die sich trotz ihrer Rolle als Vertreterin eines der großen Publisher mit keinen kritischen Fragen konfrontiert sah, sorgte ebenfalls für Erheiterung, als sie mit einiger Zufriedenheit als positive Entwicklung für die Branche hervorhob, dass mittlerweile selbst in Deutschland nicht mehr viele Kinder „draußen mit Holz“ spielen würden.
Beschlossen wurde das ausgesprochen einhellige und damit alles andere als spannende Podium mit einer Wunschrunde, bei der ausgerechnet Schenk den interessantesten Punkt machte, als er feststellte: „Der Deutsche Computerspielpreis steckt in einem Korsett, das aus einer Angst gegenüber dem Medium als solchem geboren ist“. Bezeichnend, dass diese völlig zutreffende und auf den übertriebenen Konformismus bei der Nominierung und Preisvergabe abzielende Seitenhieb erst am Ende von anstrengenden anderthalb Stunden erfolgte – und allenfalls am Rande etwas mit der eigentlichen Thematik zu tun hatte.
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