BlackBerry Q10 im Test: Die Neuauflage des Klassikers mit Tastatur
3/6Bedienung
Das große Alleinstellungsmerkmal des Q10 ist die Kombination von Touch- und Tastatur-Eingabe, womit die alte Kompetenz von BlackBerry-Geräten eingefangen werden soll. Diese Konservierung hat natürlich handfeste Auswirkungen auf die Bedienung, womit ein weiterer Aspekt in puncto „Mut der Verantwortlichen“ angesprochen wäre. Dieser rührt daher, dass sich die Produktentwickler trauen, die breite Masse der Smartphone-Nutzer umerziehen zu wollen. Letztere wurde insbesondere über die Zugkraft des iPhones über Jahre hinweg zu einer intuitiven Touch-Eingabe erzogen – klar, dass manchem Zeitgenossen die gleichzeitige Nutzung von diesem Paradigma und einer echten Tastatur im Jahr 2013 seltsam vorkommen wird.
Hier hat man es mit einer Glaubensfrage zu tun, die kaum objektiv bewertet werden kann. Einerseits lässt man sagen, dass es sich hierbei um einen unnötigen Bruch in den Bedienlogiken handelt: Von der leichten Touch-Eingabe zum behäbigen Knöpfchendrücken und zurück? Wozu so kompliziert? Andererseits, und hier hat man es nach gut anderthalb Wochen der intensiven Nutzung mit unserer Sichtweise zu tun, ist auch die Feststellung zulässig, dass das Q10 die Vorteile beider Paradigmen kombiniert: Man öffnet den Browser per Touch, schreibt die Adresse flink in die entsprechende Zeile und öffnet die Seite per „Enter“-Taste oder Touch.
Auf eine solche Nutzung muss man sich aber definitiv einlassen. In den ersten Momenten des Umgangs mit dem Q10 kann man förmlich spüren, wie das Gehirn beim Wechsel von Glas auf Tastatur immer wieder erschrickt, was sich in einem extrem kurzen Moment der haptischen Verunsicherung oder zumindest Überraschung ausdrückt.
Hat man diese Schwelle aber erst einmal überwunden, lässt sich mit dem Q10 fabelhaft schnell arbeiten und navigieren. Dies liegt einerseits an der guten Responsivität des Displays, vor allem aber an der sehr guten Tastatur, die mit einem knackigen Druckpunkt nur so dazu einlädt, in Windeseile E-Mails, Facebook-Nachrichten und anderes zu tippen. Dass man sich an dieser Stelle schnell zurechtfindet, liegt auch am nach wie vor gelungenen vierreihigen QWERTZ-Layout, das ebenfalls ein Erbe der älteren Geschwister ist und immer noch überzeugt.
Dieses Layout unterscheidet sich nur in einem Punkt von der letzten Riege der BlackBerry-Geräte: Auf dem 0-Knopf liegt auch der Start für die solide, aber nicht bahnbrechende Spracheingabe. Besonders ambitionierte Nutzer können so Touch-, Tastatur- und Spracheingabe kombinieren, was mit ein bisschen Übung wirklich gut funktioniert.
Bei allem Lob muss allerdings auch erwähnt werden, dass eine solche Konzeption im Vergleich zur klassischen Touch-Eingabe zumindest bei uns keinen Geschwindigkeitsvorteil mit sich bringt: Eine E-Mail schreibt sich auf Glas mittlerweile genauso schnell wie auf einer echten Tastatur. Allein, auf das Gefühl kommt es an.
Ein weiterer erwähnenswerter Punkt ist, dass mancher alteingesessene BlackBerry-Nutzer ein Trackpad oder Ähnliches verwechselt. Auch wir erwischten uns immer wieder bei dem Versuch, mit dem Daumen mittig nach einem zentralen Steuerelement zu fassen. Eine solche Konditionierung gewöhnt man sich dank des responsiven Displays aber schnell ab.
Gravierender ist da schon, dass man auf den Landscape-Modus verzichten muss. Das typische Smartphonekippen, um Bilder zu zeigen, entfällt also, weil sich ein solcher Vorgang nicht mit einer festen, echten Tastatur verbinden lässt. Hier wird erneut und nicht zum letzten Mal deutlich, dass das Konzept des Q10 seine Vor- und Nachteile hat.
Display
Das Display des Testkandidaten ist, es klang bereits an, gleich in mehrfacher Hinsicht ein Exot: Da ist erstens das ungewöhnliche Seitenverhältnis von 1:1. Zweitens rangiert es bei einer Größe von nur 3,1 Zoll am unteren Ende dessen, was gegenwärtig auf dem Markt angeboten wird. Drittens, und hier handelt es sich um ein BlackBerry-internes Alleinstellungsmerkmal, kommt hier ein Super-AMOLED-Display zum Einsatz, was ein kleines Novum darstellt.
In diesem Zusammenhang setzen die Verantwortlichen auf eine weniger attraktive PenTile-Matrix, was bedeutet, dass Puristen tendentiell bei extrem eingezoomten Inhalten wie schwarzer Schrift auf weißem Grund leichte Ausfransungen erkennen können. Die alte Diskussion um technologiebedingte Unschärfen kann trotzdem vernachlässigt werden, weil sich die Darstellung aufgrund der soliden Auflösung von 720 × 720 Pixeln auf einem hervorragenden Niveau bewegt – bedingt durch die geringe Bildschirmgröße reicht es so für eine Punktdichte von sehr guten 330 ppi.
Und auch bei den Schwarzwerten kann man das Display des Q10 AMOLED-typisch loben, denn hier ist Schwarz wirklich Schwarz. Getrübt wird der sehr gute Eindruck ein wenig durch eine weitere typische Eigenschaft der Technologie: Von der Seite betrachtet lässt sich ein klarer Grünstich erkennen.
Als optimalen Weißpunkt sehen wir D65 an, also eine Farbtemperatur von 6.500 Kelvin (K). Dies entspricht nach gängiger Definition einem mittlerem Tageslicht und ist der Weißpunkt der gängigen Farbräume sRGB und AdobeRGB. Eine Abweichung von einigen hundert bis etwa 1000 K ist bei Mobiltelefonen als noch akzeptabel anzusehen, einige Displays – bauartbedingt vor allem OLED-Modelle – liegen allerdings beim Weiß und noch mehr bei Grautönen oft im Bereich um 10.000 K, was bereits als deutlicher Blaustich wahrnehmbar ist. Sehr viele Displays von Smartphones und Notebooks treffen zwar den Weißpunkt von 6.500 K relativ genau, weichen aber bei Grautönen und anderen mittleren Farbtönen deutlich mit einem Blaustich ab. Vor allem bei gleichzeitigem Auftreten von Grau und Weiß ist diese ungleichmäßige Graubalance wahrnehmbar.
Gegenüber der LCD-Technik weisen OLED-Bildschirme einige Besonderheiten auf, die sich teilweise in unseren Messungen niederschlagen und erklärungsbedürftig sind. Zum einen ist das der bekanntermaßen hohe Kontrast, der bei OLED durch die selbstleuchtenden Pixel möglich ist – es gibt hier kein Backlight, welches durch das Panel mehr oder weniger stark abgedunkelt wird, sondern ein schwarz angesteuerter Pixel ist tatsächlich komplett schwarz und leuchtet nicht. Da das Kontrastverhältnis den Quotienten zwischen der Helligkeit von Weiß und Schwarz angibt, ergibt die Kontrastmessung bei OLED-Displays theoretisch eine Division durch Null und damit ein nicht definiertes Ergebnis – in der Praxis gibt es bei der Schwarzmessung immer eine gewisse Resthelligkeit durch Streulicht und ein Signalrauschen beim Messgerät, sodass Kontrastergebnisse im fünfstelligen Bereich entstehen. Da die Darstellung dieser Kontrastwerte im Balkendiagramm den irreführenden Eindruck erzeugen, der Kontrast wäre bei OLED sichtbar um viele Größenordnungen besser, haben wir uns entschieden als Kontrast maximal 5000:1 darzustellen und auf diese Erklärung zu verweisen. Im Alltag ist der Unterschied allenfalls in sehr dunklen Umgebungen deutlich wahrnehmbar, bei Tageslicht sind Faktoren wie die Reflexionen der Displayoberfläche wesentlich wichtiger.
Die zweite Besonderheit ist die beim derzeitigen Stand der Technik verhältnismäßig geringe Lebensdauer der blauen Leuchtelemente bei OLED-Displays. Dies veranlasst die Hersteller dazu, zur Steigerung der Lebensdauer bei einigen Displays die klassische RGB-Subpixelmatrix durch alternative Anordnungen abzulösen. Bekannt ist dabei beispielsweise Samsungs „PenTile“-Matrix, deren Hauptmerkmal die Vergrößerung der blauen und roten Subpixel ist – allerdings bei gleichzeitiger Halbierung ihrer Anzahl. Das bedeutet, dass bei gleicher Nennauflösung diese Displays eine geringere Anzahl von Subpixeln aufweisen als Displays mit der bewährten RGB-Matrix. Jeder Pixel verfügt weiterhin über seinen eigenen grünen Subpixel, teilt sich aber den jeweiligen roten und blauen Subpixel mit seinem Nachbarpixel. Das ganze führt bei gleicher Nennauflösung zu einer geringeren tatsächlichen Auflösung und an Kontrastkanten zu Farbsäumen, die vor allem die Lesbarkeit von Text deutlich verringern können.
Ein zweiter Kritikpunkt wird beim Blick auf die ermittelten Display-Werte deutlich. Während die Darstellung in geschlossenen Räumen und auch bei durchschnittlich hellem Tageslicht exzellent ausfällt, kann man in einem gleißend hellen, sommerlichen Park mit dem Q10 durchaus in die Bredouille geraten.
Grund hierfür ist die schwache Maximalhelligkeit: Mit 120 cd/m² belegt der Testkandidat den enttäuschenden letzten Platz in unserem breiten Testfeld. Einschränkend muss dazu jedoch angemerkt werden, dass sich hier ein weiterer AMOLED-typischer Effekt beobachten lässt, sodass dieser unter Standard-Einstellungen (Helligkeit 100 Prozent, weißer Hintergrund, kein Zoom) ermittelte Wert deutlich nach oben variieren kann: Erfolgt die Messung beispielsweise bei weiter eingezoomten Inhalten, sind durchaus auch 230 cd/m² möglich.
Hierbei handelt es sich um eine technologiebedingte Eigenschaft, was erklärt, weshalb die formal sehr schwachen Helligkeitswerte im Alltag nicht im Besonderen – in einem sommerlichen Park haben viele aktuelle Smartphones ihre Probleme – auffallen. Aus diesem Grund soll dieser Aspekt nur abgeschwächt in die Wertung einfließen – erwähnenswert ist er aber allemal.