Company of Heroes 2 im Test: Der neue Genre-König in Aktion?
2/4CoH 2 auf einen Blick
„Company of Heroes 2“ (CoH 2) ist formal gesehen gleich in zweierlei Hinsicht eine mutige Entwicklung. Böse Zungen können nämlich nicht ohne Argumente behaupten, dass Relic gleich auf zwei lahme Pferde setzt: Auf das (leider) immer weniger relevante Genre „Echtzeitstrategie“ und auf das tendentiell schon seit Jahren überstrapazierte Setting „2. Weltkrieg“.
Insofern ist es schon mal angenehm, dass CoH 2 innerhalb dieses Settings die Perspektive wechselt, sodass es dieses Mal nicht mehr um die West- sondern um die Ostfront geht. Hier wird der Spieler auf sowjetischer Seite von der Operation Barbarossa bis zur Schlacht um Berlin durch die unterschiedlichen Stufen des Krieges geschleust.
Als Kitt verwenden die Entwickler dabei die Geschichte des fiktiven sowjetischen Offiziers Lev Abramovich Isakovich, der seine Erlebnisse rückblickend in kurzen Kapiteln erzählt. Dieses Drumherum wird trotz gelungener, teilweiser etwas sehr knapper Zwischensequenzen rudimentär gehalten, auch wenn immer wieder der Versuch erkennbar wird, für Tiefe zu sorgen. Letzteres funktioniert allerdings zu durchschaubar über einen allzu einfachen Mechanismus: Der Spieler wird den Gräueln des Krieges ausgesetzt, wobei Lev immer wieder sein Bedauern ausdrückt, während sein Gegenüber immer wieder darauf beharrt, dass derlei Opfer nun mal notwendig waren.
Insofern ist es dann auf Dauer etwas zu plakativ, wenn Lev sich ständig über die Unmenschlichkeit der Militärführung aufregt, weil diese beispielsweise Kriegsgefangene abschlachten und die eigenen Truppen wie wertloses Brennholz verfeuern – und sein Gegenüber eben nur erklärt, dass man nur so siegreich sein konnte. CoH 2 schockt in diesen Moment zwar relativ gekonnt indem es gewisse menschliche Abgründe zeigt, bleibt mit seiner „ja, der Krieg war schlimm“-Haltung aber abgesehen davon nur sehr oberflächlich.
Der Mangel an inhaltlichem Tiefgang der auf 15 Missionen verteilten Einzelspieler-Kampagne ist allerdings zu verkraften, da ein überwältigender Plot und eine dichte Erzählung noch nie zu den stärken des Genres zählten. Relic liefert in dieser Hinsicht deswegen keine Überraschung, sondern erwartungsgemäß und solide.
„Entscheidend ist auf'm Platz“ – diese Fußballmaxime gilt also nach wie vor auch für das Echtzeitstrategie-Genre. In dieser Hinsicht lautet die wichtigste Feststellung, dass sich CoH 2 in Sachen Spielmechanik sehr eng an den Vorgänger hält. In dieser Hinsicht wollten die Entwickler ganz offensichtlich kein Risiko eingehen – eine Herangehensweise, die man kaum objektiv beurteilen kann. Subjektiv gesprochen, können wir mit der vorsichtigen Weiterentwicklung in diesem Fall gut leben, auch wenn Relic die ein oder andere Baustelle aus dem ersten Teil etwas aggressiver hätte angehen können. Doch der Reihe nach.
Grundsätzlich betonten die Entwickler bei nahezu jeder Gelegenheit, dass sie an den Grundfesten von „Company of Heroes“ nicht rütteln möchten. Auf Basis dieses Paradigmas soll der zweite Teil an die Kompetenzen des Vorgängers anschließen, dabei aber (noch) stärker die strategischen Elemente fokussieren. So ist unter anderem zu erklären, dass die CoH-2-Missionen sehr stark hin und her wogen: Man wird vom Jäger zum Gejagten zum Jäger zum Gejagten. Verteidigt man also in den ersten Minuten noch einen Frontabschnitt, kann sich dies binnen weniger Sekunden ändern, sodass man dank gescripteter Ereignisse plötzlich über Panzer verfügt und die übermächtige gegnerische Infanterie kurzerhand zurückdrängen kann – bis die eigenen Stahlungetüme wiederum auf Panzerabwehrkanonen (PaK) der Wehrmacht treffen. Und so weiter.
Doch nicht nur auf der Ebene der Missionsdynamik, auch bei der konkreten Vorgehensweise soll CoH 2 den Fokus stärker auf die Taktik legen. In diesem Zusammenhang ist es durch die Kombination von begrenzten Nachschub-Einheiten beispielsweise tatsächlich geglückt, stumpfe Rush-Aktionen noch effektiver zu unterbinden. Stattdessen wird man immer wieder durch den Aufbau der Missionen und Karten dazu gezwungen, schnelle Entscheidungen zu treffen: Verlegt man aufwändig einen Mörsertrupp, um ein gegnerisches MG-Nest auszuschalten? Oder schickt man seine beste Infanterie unter Einsatz von Rauchgranaten zum heiklen Frontalangriff los? Oder bietet sich ein Weg zur Umgehung beziehungsweise zum Flankieren an? Derlei Situationen erlebt man bei CoH 2 am laufenden Band.
Verschärft wird das Ganze durch das Wetter, das bei vielen Missionen und im Besonderen im Multiplayer als weiterer Faktor in die Schlachtenführung einbezogen werden muss. So droht den allermeisten Infanterieeinheiten nicht nur der Kältetod, wenn sie sich zu lange im Freien beziehungsweise abseits von Feuerstellen aufhalten; auch auf die besagte Vorgehensweise kann sie entscheidenden Einfluss haben. Beachtet man nämlich nicht die Geländedetails, kann es passieren, dass Soldaten unterwegs einfach erfrieren, weil man sie nicht auf einer Straße, sondern durch den deutlich verlangsamenden Tiefschnee zu einem Ziel geschickt hat. Darüber hinaus kann man sich die neuen Geländedetails auch effektiv zur Schlachtenführung einsetzen: Ein auf einem vereisten Fluss stehendes deutsches StuG muss nicht zwingend von einer PaK zerlegt, sondern kann auch von auf die Eisfläche zielenden Mörsern versenkt werden. Gleiches gilt natürlich auch für unvorsichtig vorrückende Infanterieeinheiten.
Schade ist, dass sich dieser taktische(re) Fokus nicht in allen Missionen gleichermaßen deutlich niederschlägt. So stolpert man ab und an über klassische Verteidigungsaufträge, bei denen es nur auf alte Tugenden wie die richtige Verteilung der Verstärkungen ankommt. Diese kurzen Abschnitte wären kaum der Rede wert, allerdings verliert hier das Argument der Entwickler kurz an Gewicht, denn die taktische Tiefe wird nicht durch einen weiteren Aspekt – beispielsweise wie bei „Men of War“ durch den extrem fordernden Mikromangement-Grad – ersetzt.