BND soll ähnliche Technik wie Prism nutzen
Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll bei der Überwachung des globalen Datenverkehrs Analyse-Instrumente einsetzen, die auf derselben Technologie wie das NSA-Programm „Prism“ basieren, berichtet das ARD-Magazin FAKT. Ein weiterer Hinweis für Kooperationen zwischen deutschen und US-Geheimdiensten.
Demnach stammt die Technologie für Prism von Narus, einer Tochter des Boing-Konzerns und weltweit einer der größten Hersteller von Überwachungstechnik. Die NSA nutzt diese, um die Datenströme der angezapften Glasfaserkabel in Echtzeit zu kopieren und auf Serverfarmen zu speichern. Mit verschiedenen Rasterverfahren werden die anwachsenden Datenberge je nach Bedarf gefiltert und ausgewertet. Narus biete keine kleinen Überwachungslösungen, erklärt Andreas Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club. Stattdessen lässt sich mit der Technologie die komplette Kommunikation von einem bestimmten Netz oder Staat aufzeichnen.
Laut dem Bericht von FAKT besitzt der BND seit 2008 verschiedene Komponenten der Narus-Technologie, um den Internet-Knoten De-CIX in Frankfurt a.M. anzuzapfen. Bei diesem handelt es sich um einen der größten Austauschknoten weltweit, über den etwa der Datenverkehr aus dem Nahen Osten und Osteuropa fließt. Dass der BND und weitere „Bedarfsträger“ die Leitungen anzapfen, hatten Experten aus dem Umfeld des Austauschknotens bereits vor einigen Tagen gegenüber heise online bestätigt. Konkrete Werte liegen für den BND vor, der aktuell rund fünf Prozent des Datenverkehrs zur Filterung abgreift – erlaubt sind maximal 20 Prozent. Wie viel Daten andere Geheimdienste wie die NSA abgreifen, ist allerdings nicht bekannt.
„Polygon-Affäre“ des BND in neuem Licht
Der BND ist allerdings nicht ausschließlich auf die Überwachungstechnik von Narus angewiesen. Laut dem FAKT-Bericht nutzt der deutsche Auslandsgeheimdienst für die Analyse und Auswertung der angesammelten Kommunikationsdaten eine Datenbank-Technologie von dem bayrischen IT-Unternehmen Polygon. Das ist allerdings auch der Punkt, an dem das Dickicht aus vagen Informationen und heimlichen Geheimdienstaktivitäten seinen Lauf nimmt. Bekannt ist, dass der BND Ende der 1990er Jahre versucht hat, sich die Software von Polygon widerrechtlich anzueignen. Der Focus hat den Fall 2001 in dem Artikel „Wirtschaftskrimi beim BND“ aufgearbeitet.
Ein BND-Mitarbeiter wurde sogar im Rahmen des Verfahrens wegen Urkundenfälschung verurteilt. 2011 musste der BND zugeben, dass man die Software von Polygon zwischen 1998 und 2003 ohne die notwendigen Nutzungsrechte verwendet hatte. Die entsprechenden Angaben finden sich auf der Webseite von Polygon, auf der das Unternehmen erklärt: „Ob der BND die Polygon-Datenbanktechnologie weiter nutzt, (...) ist ungeklärt.“
Diese Frage bezeichnet auch der IT-Anwalt Thomas Stadler als spannend. In seinem Blog Internet-Law schreibt er allerdings, die Öffentlichkeit werde „mit Sicherheit nie eine Antwort erhalten“, ob „der BND die Technologie von Polygon weiterhin nutzt, möglicherweise auch im Rahmen eines Informationssystems für eine deutsche Version von Prism“.
Die stumpfen Waffen der Geheimdienst-Kontrolleure
Allein der Verdacht wirft bereits pikante Fragen auf. Betrachtet man die verschiedenen Komponenten, ist das „deutsche“ Prism-Paket praktisch abgerundet. Der BND hat demnach ähnlich wie die NSA die Möglichkeit, die Kommunikation ganzer Länder zu analysieren. Daher könnte sich der Bericht von FAKT für den BND noch als brenzlig erweisen – trotz der widersprüchlichen Angaben, ob der Geheimdienst unrechtmäßig die Datenbank-Technologie von Polygon einsetzt. Allein die Angaben, dass der BND mit Überwachungstechnologie von Narus arbeitet, auf der offenbar auch Prism basiert, dürfte in den parlamentarischen Kontrollgremium die Gemüter erhitzen.
Erst gestern hatten Vertreter vom BND auf die Fragen der Geheimdienst-Kontrolleure zum wiederholten Male geantwortet, man habe erst aus den Medienberichten von NSA-Überwachungsprogrammen wie Prism erfahren. Hans-Christian Ströbele, Grünen-Abgeordneter und Mitglied des Gremiums, empört sich über die von den Geheimdiensten und der Bundesregierung seit Wochen verkündete Ahnungslosigkeit. „Dennoch ist der BND seit Jahren im Besitz der gleichen Technik. Sie versetzt den Bundesnachrichtendienst in die Lage, die Kommunikation ganzer Länder zu überwachen.“ Aktuell sei nicht abzusehen, ob und in welchem Umfang die Überwachungstechnik vom BND genutzt werde.
Ströbele kritisiert zudem, dass der offensichtlich seit Jahren versucht, alle Komponenten für eine flächendeckende Kommunikationsüberwachung nach dem Vorbild von Prism zu beschaffen. Vorgänge, von denen das parlamentarische Kontrollgremium nichts erfährt. „Das ganze System der Kontrolle basiert darauf, dass die Bundesregierung und die Dienste uns berichten. Wenn sie das nicht tun, bleiben wir dumm“, so Ströbele. Ein Eingeständnis, mit dem das ohnehin angekratzte Verfahren der parlamentarischen Geheimdienst-Kontrolle vollständig in Frage gestellt wird.