Civilization V: Brave New World im Test: It's the diplomacy, stupid!
2/3BNW auf einen Blick
Hielten mit „Gods & Kings“ die Faktoren Spionage und Religion Einzug, setzt „Brave New World“ den Fokus nun auf Diplomatie und Kultur. Zu den wichtigen Neuerungen gehört deswegen, dass die diplomatischen Verstrickungen der Völker einen größeren Einfluss auf den Spielverlauf haben können und dass auch eine besonders virale und omnipräsente Kultur zu einer hegemonialen Stellung führen kann.
In puncto Diplomatie fiel „Civilization V“ bisher eher übersichtlich aus. Man konnte mit den anderen Herrschern rudimentär handeln, sie bitten Krieg zu führen oder Frieden zu schließen, man konnte Freundschaftserklärungen und Verteidigungspakte unterzeichnen. All das lief in einem zentralen Bildschirm, zumeist abgekapselt vom Rest der Welt, ab. Mit „Gods & Kings“ konnte man dann zusätzlich Spione entsenden, die Technologien stehlen und grundsätzliche Informationen wie Baupläne und Kriegsvorhaben aufdecken können.
Diese Dimension wird mit BNW erweitert. Im Zentrum steht dabei der an die Vereinten Nationen angelehnte Weltkongress, bei dem die diplomatischen Interessen der Nationen ab dem Industriezeitalter regelmäßig zusammenlaufen. Wie im echten Leben geht es auch hier bei den Treffen um Resolutionen: Soll eine bestimmte Religion zur Weltreligion ernannt werden? Soll ein bestimmtes Luxusgut für unmoralisch erklärt werden? Soll ein Handelsembargo verhängt werden? Sollen stehende Heere besonders besteuert werden? Und wie steht es im späteren Verlauf um die Akzeptanz für bestimmte Technologien wie Atomwaffen?
In Rotation kann jede Nation regelmäßg solche und andere Themen auf die Agenda setzen – und seinen Konkurrenten damit nachhaltig schaden. Denn natürlich ist es auch bei den Auswirkungen der Abstimmungen wie im echten Leben: Manche Parteien profitieren, andere leiden unter dem Lauf der Dinge.
Dieses Instrument kann im Prinzip sehr strategisch eingesetzt werden. Weiß man zum Beispiel, dass der Nachbar einen Überfall vorbereitet, kann man ihm durch die Besteuerung des Heeres schaden. Fürchtet man gar einen atomaren Überfall, kann man die Technologie verdammen lassen. Und will man den Mitspielern einfach nur wirtschaftlich schaden, lässt man beispielsweise Räucherwerk für unmoralisch erklären – und schaut zu, wie die Bevölkerung des Konkurrenten Sturm läuft, weil Räucherwerk nicht mehr angeboten werden darf.
Damit dies gelingt, müssen allerdings Mehrheiten organisiert werden. Diese findet man entweder unter den Stadtstaaten oder indem man sich der Loyalität der anderen Mitspieler versichert – beispielsweise, indem man sich die Stimmen der Abgeordneten durch großzügige Warengaben erkauft.
Einen weiteren Aspekt stellen in diesem Zusammenhang die neuen Ideologien dar, die eine Erweiterung der Sozialpolitiken bedeuten. Dabei bringen „Ordnung“, „Freiheit“ und „Autokratie“ einerseits ganz unterschiedliche Vorteile mit und implizieren bestimmte Siegbedingungen; auf der anderen Seite, und hier findet sich ein weiterer Schwung aus dem wahren Leben, sind sie Determinante für Partnerschaften.
So kann es passieren, dass vormals friedliche Nachbarstaaten plötzlich zu Feinden werden, weil sie unterschiedliche Ideologien gewählt haben. Die Freiheit verträgt sich bekanntlich nicht gut mit der Autokratie, sodass es passieren kann, dass sich plötzlich ganze Metropolen aus ideologischen Gründen einem anderen Land anschließen.
Mit diesem Aspekt möchten die Macher ganz offensichtlich die Blockbildung in der Welt einfangen. Diese fällt dieser Tage zwar nicht mehr so monolithisch aus wie noch vor 1990 – über die Faktoren „Religion“ und „Ideologie“ wird man dem vermuteten realen „Clash of Civilization“ aber spielerisch durchaus gerechter als noch im Grundspiel.
Hinzu kommt, dass die Ideologien mit einem alten „Civilization V“-Problem aufräumen. Wer nämlich besonders eifrig war, konnte schnell alle relevanten Sozialpolitiken erschöpfen. Dem begegnet BNW damit, dass die Ideologien nach Belieben aus- bzw. umgebaut werden können, was auch verhindert, dass zwei der gleichen Ideologie folgenden Staaten exakt dieselben Vorteile erhalten.
Wer es lieber klassisch mag, kann auch in eine von zwei neuen Sozialpolitiken investieren. Erstere ist für Seefahrervölker gedacht und beschleunigt zum Beispiel die Erkundung, letztere heißt „Ästhetik“ und eröffnet den Pfad hin zur zweiten großen Neuerung: Der Stärkung des Einflusses der Kultur.
Während vor allem die Sozialwissenschaften seit Jahrzehnten zur Kulturhegemonie und ihrem unterschwelligen Einfluss auf das globale Miteinander forschen, fristete die Kultur in „Civilization V“ bisher eher ein Nischendasein, indem sie vor allem als Währung für die Freischaltung von Politiken fungierte.
Dies ändert sich mit BNW dahingehend, dass man auch über die kulturelle Dominanz zum Sieg gelangen kann. Neben den bereits vorhandenen kulturellen Gebäuden halten dazu Musiker- und Literatengilden Einzug, deren „Große Persönlichkeiten“ die eigene Kulturarbeit vorantreiben und über Touristenpunkte die Attraktivität der eigenen Nation in der Welt erhöhen können. Dabei spielen allerdings nicht nur die Kunst und großartige Bauwerke, sondern auch die Archäologie eine Rolle. So kann man bestimmte Ausgrabungsstätten und dort vermutete Artefakte erforschen lassen und auf diesem Weg zur kulturellen Stellung der Nation in der Welt beitragen.
Auch einem anderen Aspekt der Globalisierung, dem Handel, wird mit einer kleinen Neuerung Rechnung getragen. So kann man nun über Karawanen und Schiffe Handelsbeziehungen zwischen den Metropolen der Welt unterhalten. Mit einem bahnbrechenden Feature hat man es hier aber nicht zu tun: Einmal eingerichtet, sorgen die Verknüpfungen, von denen es im Verlauf der Spielzeit bis zu acht geben kann, mehr oder weniger automatisch für Einnahmen.
Abgerundet wird das Angebot von obligatorischen Zusätzen wie neuen Zivilisationen, Gebäuden und Einheiten. Zu ersteren sind unter anderem Casimir III. von Polen, die Portugiesin Maria I. und der Assyrer Ashurbanipal zu zählen. Außerdem haben neue Weltwunder wie das Parthenon, der Broadway, das Globe Theatre und das Rote Fort ihren Weg in das Spiel gefunden.
Wer schließlich nicht gleich Lust auf das zentrale Endlosspiel verspürt, kann sich zunächst auch in zwei neuen Szenarien versuchen: Im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg streitet man entweder auf Seiten der Konföderierten oder der Union für die (vermeintlich) richtige Sache; im „Wettlauf um Afrika“ versucht man dagegen, seiner Nation im großen Wettstreit der Kolonialmächte im Wilhelminischen Sinne „einen Platz an der Sonne“ zu sichern.
Technisch hat sich derweil nicht viel getan, sodass man kein top-aktuelles System sein eigen nennen muss, um „Brave New World“ auf sehr hohen Details genießen zu können. Auf unserem Testsystem lief der Titel dementsprechend in einer Auflösung von 1.920 × 1.080 bei überwiegend konstanten 60 Bildern pro Sekunde, auch wenn man sich gerade im späten Verlauf – je nach Rahmenbedingungen – nach wie vor auf längere Rundenladezeiten einstellen muss. Insbesondere bei Endlos-Spielen auf riesigen Karten mit sehr vielen Parteien ist im sehr späten Spielverlauf weiterhin mit einer erheblich schlechteren Performance zu rechnen. An diesem Worst-Case-Szenario krankt der Titel bereits seit der ersten Minute, auch unzählige Performance-Updates brachten in über drei Jahren, die das Spiel auf dem Markt ist, nur etwas Besserung.