Dota 2 im Test: Der Klassennerd
2/4Dota 2 auf einen Blick
Auf den ersten Blick ist es durchaus verwunderlich, dass man mit einem solchen Zeitaufwand nur an der Oberfläche kratzt, schließlich wirkt das Spielprinzip zunächst eingängig und wenig fordernd: Auf einer stets gleichen gespiegelten Karte stehen sich zwei Teams zu je fünf Spielern gegenüber. Jedes Team verfügt über ein Gebiet, das von je drei zentralen Wegen („Lanes“) durchzogen ist. Diese Wege laufen in der rechten oberen und linken unteren Ecke der Karte zusammen; hier befinden sich die Basen. Dazwischen befindet sich ein kleines „No Man's Land“, in dem besondere Items und neutrale Mobs zu finden sind.
Klar, dass das Ziel lautet, die jeweils andere Basis zu zerstören. In dieser befindet sich nicht nur der neutrale Shop, über den die fünf Helden des Teams mit Gegenständen versorgt werden können; hier befinden sich vor allem auch die Creep-Kasernen. Letztere spucken in regelmäßigen Abständen kleine Einheitenverbände, die Creeps, aus. Diese Einheiten können von den Spielern nicht gesteuert werden, sondern machen sich automatisch auf einen der drei Wege. Auf diesen treffen sie wiederum auf gegnerische Creeps. Zugleich sind die drei Zugänge gleichmäßig durch Türme gesichert, die Zwischen-Bollwerke zu den Basen darstellen.
Bis zu diesem Punkt ist die Spielmechanik von „Dota 2“ völlig ausgeglichen, sodass es wahrscheinlich zu einem nahezu endlosen Match kommen würde, wenn die Creeps alleine aufeinander losgehen würden. Vor diesem Hintergrund wird sofort deutlich, welche zentrale Rolle die Helden und damit die sie steuernden Spieler einnehmen: Über Sieg und Niederlage entscheidet der Umgang mit den Helden und das Zusammenspiel mit den Teammitgliedern.
An dieser Stelle kommt die ungeheuerliche Komplexität von „Dota 2“ ins Spiel, die dafür sorgt, dass es Einsteiger wirklich verdammt schwer haben. Denn auf der einen Seite existiert bei über 100 Helden eine enorme Bandbreite an zentralen Figuren, die mit Schwerpunkten auf „Kraft“, „Agilität“ und „Intelligenz“ sehr unterschiedliche Eigenschaften und Fertigkeiten mitbringen. Hinzu kommt auf der anderen Seite, dass diese Helden wiederum mit einer großen Bandbreite an Gegenständen versorgt werden können. Diese Gegenstände lassen sich obendrein teilweise mehr oder weniger sinnvoll kombinieren. Zudem spielt dann schließlich auch noch eine Rolle, welchen Helden und welchen Strategien man sich gegenübersieht und wie die Mitspieler agieren.
Technisch gesprochen existiert also eine wahre Vielzahl an Variablen, die in Echtzeit während des Spielens in das eigene Vorgehen einbezogen werden müssen – eine Komplexität, die verschreckt, zugleich aber auch einen immensen Reiz ausüben kann. Die damit verbundene Lernkurve ist deswegen in der Tat ausgesprochen steil, was in Zeiten, in denen die meisten Titel den Spieler passiv in Quasi-Filmmanier unterhalten, durchaus gewöhnungsbedürftig, zugleich aber auch erfrischend ist.
Eine solche Lernkurve bringt sogleich die Frage nach den Lernhilfen auf. In dieser Hinsicht hat Valve dankenswerter Weise ein relativ umfassendes Tutorial eingebaut, das den absoluten Anfänger binnen weniger Stunden über kleine Erklärungen und Testspiele auf ein passables Niveau hievt, sodass man nicht mehr grundsätzlich auf dem Schlauch steht.
Die zweite potentielle große Lernhilfe, die Community, ist dagegen nur unter Vorbehalt wirklich hilfreich. Dies gilt zumindest für die Kommunikation im Spiel. So gehört es zum gängigen Narrativ, dass die „Dota 2“-Spielergemeinschaft Neulingen, vorsichtig gesprochen, reserviert begegnet und auch untereinander einen eher ruppigen Umgang pflegt.
Dieses Klischee können wir in Summe leider bestätigen. So verging bisher fast kein Match, indem nicht beleidigt oder gemeckert wurde: Über die Mitspieler, über die Gegenspieler, über Valve. Dabei flogen nicht nur schnell allerlei Ausdrücke durch den digitalen Raum, gerne wurde auch mit einem „Report“ gedroht, durchaus auch für Nichtigkeiten. Ein Spieler stellt sich unclever an? Report! Ein Spieler fliegt für eine Minute aus dem Spiel? Report! Ein Spieler wählt einen missliebigen weil „noobigen“ Helden? Report! Russen sprechen und schreiben russisch? Report, und zwar von beiden Seiten, wegen vermeintlichem Rassismus beziehungsweise mangelnder Kommunikation.
Anfänger haben es in diesem Metier überaus schwer. Auf unsere freundliche Nachfrage vor Spielstart, welches Item die Teammitglieder denn für die ersten Minuten für unseren Helden empfehlen würden, erhielten wir in unterschiedlichen Matches Antworten wie „brain“, „google“ oder auch unterschiedliche Geschlechtsteile als Vorschläge.
Sicher, hierbei handelt es sich um keine repräsentative Erhebung der Community-Freundlichkeit, allerdings decken sich unsere Eindrücke mit vielen entsprechenden Geschichten, die in den unterschiedlichen Foren kolportiert werden. Die Community ist zumindest Ingame also in vielen Fällen kein Faktor, der die Untiefen beim Einstieg in die „Dota 2“-Materie nennenswert einebnen würde. Aus diesem Grund ist einige Zähigkeit gefragt, da die richtige und schnelle Einordnung der Spielvariablen vor allem zwei Dinge erfordert: Übung und Wissen.
Beide Aspekte hängen direkt zusammen, sodass man sich zunächst am besten auf wenige Helden beschränkt und deren Eigenschaften und Fähigkeiten im Trainingsspiel gegen Bots näher kennenlernt. Die meisten Helden verfügen über vier Fähigkeiten, die im Verlauf eines Matches durch Erfahrungspunkte freigeschaltet und aufgewertet werden können.
Bei diesen Fähigkeiten handelt es sich in Rollenspielmanier um „aktive“ und „passive“ Eigenschaften. Der Sniper kann beispielsweise für kurze Zeit Schrapnelle auf ein Zielgebiet niederregnen lassen und zugleich über die Fertigkeit „Headshot“ über eine erhöhte Schadenswirkung verfügen.
Allerdings werden nicht alle Helden auf diesem Wege gehandhabt. Der Invoker gehört beispielsweise zu den komplexeren Protagonisten und wird als „spellbasierter“ Held völlig anders durch das Spiel geführt. Hier stehen in Summe bis zu zehn unterschiedliche Spells zur Verfügung, wobei die möglichen Stärke-, Agilitäts- und Intelligenz-Fähigkeiten je nach Situation per Tastendruck angepasst werden können. Befindet sich der Invoker beispielsweise auf dem Rückzug und wird dabei von gegnerischen Creeps gejagt, wird man alles auf den Stärkebonus setzen, um so die Regenerationsrate der Gesundheitspunkte zu maximieren. Will man dagegen möglichst schnell von der eigenen Basis ins Kampfgetümmel gelangen, wird man auf die Agilität setzen und so die Geschwindigkeit des Invokers erhöhen. Sobald freigeschaltet, kann man diese drei Boni „invoken“, was zu einer Kombination und zur Freischaltung von mächtigen Zaubern führt.