NSA verheimlicht Fehler vor Kontrollinstanzen
Dass die NSA offiziell einräumen musste, US-Bürger in mehreren Tausend Fällen pro Jahr rechtswidrig zu überwachen, sorgt für erhebliche Kritik. Die Dokumente belegen allerdings auch den willkürlichen Umgang mit Kontrollinstanzen. Analysten erhalten etwa Vorgaben, um bei den Anhörungen möglichst wenig Konkretes zu verraten.
Demnach werden NSA-Analysten in einer Art Tutorial dazu angehalten, bei der Begründung von Suchanfragen in den NSA-Datenbanken möglichst allgemein zu formulieren und keine Details zu nennen. Deshalb wird etwa nicht der Name von Zielpersonen genannt, stattdessen nutzen NSA-Analysten Begriffe wie „user“ und „selector“. So sollen die Kontrolleure lediglich Informationen erhalten, die für eine erfolgreiche Prüfung nötig sind. Alles, was darüber hinaus geht, soll nicht übermittelt werden.
Aus diesem Grund sollen NSA-Analysten zum Beispiel keine Angaben machen, auf welchen Beweisen oder Analysen der begründete Tatverdacht gegen eine Zielperson basiert. Dieser ist notwendig, um die sogenannte RAS-Klausel („Reasonable Articulable Suspicion“) zu erfüllen, mit der die NSA die Überwachung von US-Bürgern legitimiert.
Bei den im Tutorial genannten „FAA“-Aufsehern handelt es sich um die verschiedenen Kontrollinstanzen der NSA. FAA steht für den „FISA Amendments Act“ aus dem Jahr 2008, mit dem die NSA vom US-Kongress zusätzliche Befugnisse für die elektronischen Überwachungsprogramme erhalten hat. Im Gegenzug ist der Geheimdienst gegenüber den verschiedenen Kontrollinstanzen zur Auskunft verpflichtet. Die US-Geheimdienstdirektion und das Justizministerium haben einen direkten Einblick, um die Arbeit der NSA zu prüfen.
In den Dokumenten bleibt offen, inwieweit die von den NSA-Analysten angegebenen Gründe für die Suchanfragen kontrolliert werden. Ein NSA-Sprecher erklärte auf Anfrage der Washington Post, die US-Geheimdienstdirektion und das Justizministerium könnten jederzeit zusätzliche Informationen einholen. Offenbar wird aber nicht vorab geprüft, ob sich die Datenbank-Zugriffe von NSA-Analysten innerhalb des rechtlichen Rahmens befinden. Das bestätigt letztlich die Aussagen von Edward Snowden, der bereits im Juni gegenüber dem Guardian erklärte: „Es ist sehr selten, dass [NSA-Analysten] wegen Suchanfragen befragt werden.“
Der Geheimdienst-Gerichtshof FISC und die Kontrollgremien im Kongress sind allerdings auf die Berichte angewiesen, die die NSA im 90-Tage-Rhythmus vorlegen muss. Diese Praxis steht mittlerweile im Fokus der Kritik, weil auf diesem Weg letztlich die NSA entscheiden kann, welche Informationen die Kontrolleure erhalten. Dass diese nicht vollständig sind und die Auswahl der gemeldeten Vorfälle mitunter willkürlich erscheint, zeigen nun die zuletzt veröffentlichten Dokumente.
Der oberste FISC-Richter musste bereits eingestehen, dass der Geheimdienst-Gerichtshof auf den Wahrheitsgehalt der NSA-Berichte vertrauen muss. Sowohl der FISC als auch die Kongressgremien verfügen nicht über die Ausstattung und Kompetenzen, um die Aussagen von der NSA und der US-Administration adäquat zu überprüfen.
Kongressmitglieder hatten ohnehin Kritik an der NSA geübt, von dem Vertrauen in die Auskünfte der NSA ist nicht mehr viel geblieben. Vertreter und Analysten des Geheimdienstes würden etwa bei Anhörungen erst nach wiederholten und gezielten Nachfragen mit konkreten Informationen herausrücken. Doch selbst dann ist immer noch unklar, ob diese überhaupt zutreffen, wie die Aussagen von Geheimdienstdirektor James Clapper im März gezeigt haben.
Für Kritiker wie die US-Senatoren Ron Wyden und Mark Udall sind die Dokumente die öffentliche Bestätigung. Beide hatten seit geraumer Zeit gewarnt, dass die NSA in wesentlich größerem Ausmaß gegen Gesetze verstößt, als bis dato bekannt war. Die nun bekannten Verstöße würden aber nur die Spitze des Eisbergs darstellen, erklärten die Senatoren in einem gemeinsamen Statement.