Interview zu „Stronghold“: „Strategiespiele sind komplexe Biester!“
Einleitung
„Stronghold“ ist ein Paradebeispiel für eine tragische Marke: Als Überraschungserfolg 2001 gestartet, folgte nach drei weiteren, mehr oder weniger erfolgreichen Ablegern mit „Stronghold 3“ im Jahr 2011 der absolute Tiefpunkt. Nun wollen die Entwickler mit „Stronghold Crusader 2“ an den Ruhm alter Zeiten anknüpfen, indem es die Tugenden des ersten „Crusader“ mit den Möglichkeiten moderner Entwicklungsarbeit verbindet.
Um die letzten Monate der Entwicklung finanzieren zu können, starteten die Entwickler von Firefly Ende August eine Gambitious-Kampagne – mit bisher mäßigem Erfolg: Wenige Tage vor Auslaufen der Ausschreibung ist nur etwas mehr als ein Drittel der anvisierten 100.000 Euro erreicht worden.
Wir haben diesen Zeitpunkt genutzt, um mit Simon Bradbury, Co-Gründer von Firefly und Branchen-Urgestein, über den Stand der Entwicklung, Neuerungen, den Vorteil eines unabhängigen Entwicklerteams und das mögliche Scheitern der Gambitious-Kampagne zu sprechen.
Hinweis: Das Interview wurde auf Englisch geführt und ins Deutsche übersetzt.
Simon Bradbury im Interview
ComputerBase: Simon, bevor wir über eine potentiell glorreiche Zukunft sprechen können, müssen wir zunächst über die dunkle Vergangenheit sprechen. Auch wenn du das sicher schon tausend Mal gefragt wurdest: Was ist bei „Stronghold 3“ schiefgelaufen?
Simon Bradbury: Die Zusammenarbeit mit Publishern bedeutet im Kern, dass man zwei unterschiedliche Arten von Begehrlichkeiten zusammenbringt, nämlich deine und ihre. Wenn es zu einer symbiotischen Beziehung kommt und die beiden Parteien gut miteinander auskommen, ist das eine fantastische Situation. Aber manchmal passt es einfach nicht. Die Entwicklung von „Stronghold 3“ war von Anfang an steinig, der Vertrag wechselte zwischen drei Publishern, die alle unterschiedliche Prioritäten setzten. Dann wurde der Titel ja bekanntlich viel zu früh veröffentlicht, obwohl wir gerne noch mindestens sechs Monate mit der Entwicklung zugebracht hätten. Glücklicherweise ist es jetzt zum ersten Mal so, dass wir die Kontrolle über die Veröffentlichung, die Features und das Marketing haben. Das Unglück damals war eine Anomalie, die uns nicht wieder passieren wird.
ComputerBase: Die mit „Stronghold Crusader 2“ gemachte Behauptung lautet passend dazu, dass jetzt alles besser wird. Aber ist die „Stronghold 3“-Katastrophe wirklich nur auf die Publisher zurückzuführen? Immerhin litt der Titel an ganz grundsätzlichen Problemen wie einer anfälligen KI und einem fehlerlastigen Mehrspielermodus. Ging es hier wirklich nur um den Faktor „Zeitdruck“? Und was tut ihr konkret, um ein neuerliches Desaster zu verhindern.
Simon Bradbury: Das ist ein guter Punkt, denn Zeitdruck ist zwar immer der größte, aber nicht der einzige Faktor für ein Entwicklerteam. In den beiden genannten zentralen Punkten braucht man zunächst vor allem Zeit, um zu verstehen, was benötigt wird und wie man diesen Bedarf effizient decken kann. Dieses Mal können wir dabei auf unsere vorherige Erfahrung zurückgreifen, da die Entwickler, die bei „Stronghold 3“ neu an Bord waren, mittlerweile jede Menge gelernt haben.
Bei „Crusader 2“ ist es außerdem so, dass die KI, der Multiplayer und der Skirmish-Modus die ganze Zeit im Zentrum der Entwicklung stehen, statt einfach als letzter Teil kurzerhand angeheftet zu werden, wie es bei „Stronghold 3“ der Fall war. Wir arbeiten intensiv daran, ein einzigartiges KI-Verhalten für unsere acht NPC-Lords zu erreichen, wobei die NPCs so nuanciert und sauber ausfallen sollen, wie möglich. Sie werden so menschlich wie möglich wirken, sie werden unterschiedliche Burgen bauen, unterschiedliche Einheiten bevorzugen und unterschiedlich aggressiv vorgehen – all das wird einen Unterschied machen, je nach dem mit und gegen wen man spielt. Eine Funktion, die wir in diesem Zusammenhang gerne hervorheben, ist die Möglichkeit, während eines Multiplayer- oder Skirmish-Spiels aus einer Allianz mit einem KI-Charakter auszubrechen, was für eine tolle Interaktion zwischen den Spielern und der KI sorgen wird.
Dieses Mal planen wir zudem einen längeren Zeitraum für das Feintuning ein, wobei die Tests sowohl intern als auch extern in Form von geschlossenen Betatests von statten gehen werden – genauso, wie wir es bei „Stronghold“ und dem ersten „Crusader“ getan haben.
ComputerBase: Vor und nach der Veröffentlichung von „Stronghold 3“ hat sich Firefly vor allem im 2D-Spielebereich einen Namen gemacht. Warum habt ihr euch entschlossen, euch wieder an ein 3D-Projekt zu wagen?
Simon Bradbury: Es wäre eine Verschwendung gewesen, wenn wir das mittlerweile angehäufte Wissen des Teams im Umgang mit der Havoc Vision Engine einfach weggeworfen und nur noch 2D gemacht hätten. Es ist in einiger Hinsicht eigentlich sogar einfacher, ein besseres Spiel zu entwickeln, indem man auf „Stronghold 3“ aufbaut und die dort vorhandenen Probleme korrigiert, als ganz von vorn zu beginnen. Aus diesem Grund werden die wenigsten Entwickler ihre Engine nach nur einem Spiel wegwerfen.
Aktuell kann man viele Spieler mit einem schicken 3D-Spiel, das über eine hervorragende Physik und eine flüssige Performance verfügt, begeistern. Viele Spieler lieben die 2D-Ausgaben von „Stronghold“ aus guten Gründen: Das Gameplay überzeugt, das Tempo ist hoch und es gibt kaum Bugs, wobei die Grafik zweitrangig ist. Wir erzeugen viele dieser Kernelemente des Gameplays in 3D wieder, so zum Beispiel den modularen Burgenbau, ein hohes Spieltempo und Feinheiten wie das Balancing und die Responsivität der Einheiten.
ComputerBase: Ist also der Erfahrungsstand der Grund dafür, dass ihr euch erneut für Havoc entschieden habt?
Simon Bradbury: Wir haben mittlerweile vier Jahre Erfahrung mit der Engine. Sie verfügt über ein exzellentes Featureset und, was sehr wichtig ist, über guten, sauberen Code. Die Havoc-Physik ist jetzt gleich eingebaut. Die Engine ist so für ein Unternehmen unserer Größe großartig und erschwinglich und taugt obendrein wirklich sehr gut dazu, Strategiespiele zu entwickeln. Wir haben exzellenten Support erhalten und waren in der Lage, jede Menge Anpassungen zugunsten der Performance zu machen, ohne eindrucksvolle grafische Elemente dafür Opfern zu müssen.
ComputerBase: „Stronghold Crusader“ wurde insgesamt sehr positiv aufgenommen. An diesen Erfolg soll nun „Crusader 2“ anschließen. Wenn man es zusammenfasst: Was sind die Hauptunterschiede zwischen dem alten und neuen „Crusader“?
Simon Bradbury: „Crusader 2“ überführt das Gameplay des ersten Teils in den 3D-Bereich und wird auf dieser Grundlage aufbauen. Darüber hinaus implementieren wir zahlreiche Gameplay-Elemente, die wir im ersten Teil nicht oder nur teilweise integrieren konnten, zum Beispiel bestimmte Truppenfähigkeiten. Im ersten „Crusader“ verfügte nur eine Handvoll Einheiten über Spezialfähigkeiten – im neuen „Crusader“ ist dies nun der Normalfall. Außerdem wird es dank der mit der Engine verbundenen technischen Möglichkeiten im Spiel neue Gefahren geben, beispielsweise einen Tornado und einen Heuschreckenschwarm, die nicht nur richtig gut aussehen, sondern auch Einfluss auf die Spielmechanik haben werden. Schließlich haben wir das Staatensystem aus „Stronghold 2“, Außenposten und neue Gebäude – alles Dinge, die uns dabei helfen, einen Klassiker zu verbessern, statt ihn bis zur Unkenntlichkeit zu verändern. Überdies führen wir einen umfassenden Koop-Modus ein, der die Funktion bereithält, dass zwei Spieler ein und dieselbe Burg aufbauen und verwalten.
Viele dieser Zusätze waren entweder schon für das erste „Crusader“ geplant oder sind Erweiterungen von bestehenden Spielmechaniken, was bedeutet, dass keine dieser Änderungen mit dem klassischen „Crusader“-Gameplay brechen werden.
ComputerBase: Ein wichtiger Aspekt des „Oldschool“-Eindrucks von „Crusader 2“ ist das Aufkommen von Mikromanagement: Man kontrolliert jeden einzelnen Kämpfer auf dem Schlachtfeld. Zugleich soll der Titel ein breites Publikum ansprechen. Ist das nicht ein Widerspruch? Habt ihr keine Angst, dass die Spielerschaft von heute anders sozialisiert ist als die Spielerschaft vor zehn Jahren und sich deswegen überfordert oder genervt fühlen könnte?
Simon Bradbury: Das ist ein guter Punkt, den man zuletzt auch in vielen Tests zu Echtzeitstrategiespielen (RTS) lesen konnte: Ganz egal, wie gut das Spiel ist, darf es doch nicht übermäßig stressig und fordernd ausfallen. Allerdings sind wir ziemlich stolz darauf, dass „Crusader 2“ ein „Oldschool“-RTS ist und dass damit einige positive Eigenschaften verbunden sind. Der Schwierigkeitsgrad wird zwar hoch sein, allerdings wird es auch extrem motivierend sein, wenn man gewinnt. Außerdem bedeutet die Kontrolle über jeden Kämpfer, dass der Spieler die maximale Kontrolle über die Geschehnisse haben wird – ein Gefühl, dass man nicht erreicht, wenn man einfach nur fünf oder mehr Verbände steuert. Mut machen uns auch die vielen Beispiele jener Hardcore-Spiele, die ein großes Publikum erreichen. „Dark Souls“ ist nicht gerade ein entspannendes Spiel, aber es erfreut sich trotzdem größter Beliebtheit.
Schließlich haben wir ziemliches Glück, dass bereits mehr als zwei Millionen Menschen „Stronghold Crusader“ gespielt haben. Wenn wir es schaffen, dass diese Leute „Crusader 2“ ausprobieren und sich verlieben, wären wir sehr glücklich!
ComputerBase: So gut „Crusader 2“ auch werden mag: Es gibt zahlreiche Skeptiker, die behaupten, dass das konventionelle Echtzeitstrategie-Genre stirbt. Ihr wollt genau in diesem Segment punkten. Was antwortest du den Skeptikern?
Simon Bradbury: Ich denke ehrlich gesagt, dass der Aufschwung von „Multiplayer Online Battle Arena“-Spielen (MOBA) ein Zeichen dafür ist, dass das RTS-Genre nicht an den Rand gedrängt wird, sondern im Gegenteil wächst. Die Realität sieht doch so aus, dass traditionelle RTS-Spiele wie „Company of Heroes“, die „Total War“-Reihe, „StarCraft“ oder eben „Stronghold“ weiterhin ihr Publikum haben, was auch von der anhaltenden Stärke der Plattform „PC“ ermöglicht wird. Es gibt so viele neue Wege, über die ein Strategiespiel dieser Tage finanziert und veröffentlicht werden kann, zum Beispiel über Crowdfunding, Steam-Early-Access, oder beides. Strategiespiele sind komplexe Biester, die eine umfassende Entwicklungsarbeit und jede Menge Testzeit benötigen. Die genannten neuen Optionen bedeuten für Entwickler in diesem Bereich, dass sie sich zwecks Finanzierung und Integration in der Alpha- oder Betaphase direkt an ihre Fans wenden können.
ComputerBase: Bei der Gamescom 2013 sah der Entwicklungsstand schon weit vorangeschritten aus. Was muss noch geschehen, damit „Crusader 2“ wie geplant Anfang 2014 erscheinen kann?
Simon Bradbury: Wir werden es auf jeden Fall schaffen und haben, rund sieben Monate vor Veröffentlichung, bereits einen ganz guten Entwicklungsstand. Wir müssen noch einige Zeit in die Einzelspieler-Inhalte und die KI investieren; der Mehrspieler funktioniert aber bereits großartig, weswegen wir erste spielbare Inhalte auf der Eurogamer Expo in London zeigen werden. Wir möchten gerne noch mindestens drei Monate ins Testen der Inhalte, das Feintuning und Balancing investieren.
ComputerBase: Um die letzte Phase der Entwicklung finanzieren zu können, habt ihr Ende August eine Gambitious-Kampagne gestartet. Wenige Tage vor dem Ende der Ausschreibung steht der Zähler erst bei knapp 40.000 von angestrebten 100.000 Euro. Was wird passieren, wenn das Kampagnenziel nicht erreicht wird?
Simon Bradbury: Gambitious ist eine großartige Idee und wir wünschen dem Angebot für die Zukunft alles Gute, ganz gleich, ob wir unser Ziel erreichen oder nicht. Es gab einiges Aufsehen durch die Kampagne, doch wenn sie scheitert, werden wir uns etwas bezüglich Veröffentlichungsterminen und Betatests überlegen. Glücklicherweise gibt es eine ganze Fülle von Optionen für uns als unabhängige Entwickler, beispielsweise Steam Early Access. Es ist möglich, dass wir die Veröffentlichung ein wenig verschieben werden, es wird aber trotzdem eine Beta geben.
ComputerBase: Viele Spieler sagen, dass sie „Stronghold“ geliebt haben, von „Stronghold 3“ aber schwer enttäuscht wurden. Was würdest du diesen Spielern antworten, wenn sie mit Blick auf „Crusader 2“ fragen würden: „Warum soll ich zurückkommen?“
Simon Bradbury: Wir wissen, dass die Fans von „Stronghold 3“ frustriert worden sind, und es tut uns wirklich leid. An „Crusader 2“ ist anders, dass es in einer völlig anderen finanziellen Umgebung entwickelt, getestet und optimiert wird. Firefly veröffentlicht sein Spiel jetzt unabhängig, was bedeutet, dass wir selbst entscheiden, welche Funktionen es ins Spiel schaffen, wie wir die Entwicklung angehen und, vor allem, wann das Spiel veröffentlicht wird. „Crusader 2“ wird erst dann erscheinen, wenn es komplett fertig ist; wenn wir glücklich mit dem Spiel sind und wissen, dass es auch die Spieler sein werden. Erst dann werden wir wissen, dass die Entwicklung abgeschlossen ist.
ComputerBase: Simon Bradbury, wir danken für das Gespräch.
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