GTA Online im Test: Noch kein Kracher
2/3GTA Online auf einen Blick
GTA Online lässt bis zu 16 Spieler auf Los Santos und Umgebung vor den Geschehnissen des fünften Serienteils los. Aus diesem Grund dürfen alte Bekannte prägnante Auftritte feiern, darunter Lamar, Lester und der kolumbianische Drogenboss Mandrazo. Eigentlich aber setzt das MMOG dort an, wo GTA V aufgehört hat: In einer großen Welt voller Minispiele und Möglichkeiten, deren Faszination Grenzen gesetzt werden. Denn, und das vorweg: eine zusammenhängende Geschichte erzählt das Online-Universum trotz bekannter Charaktere und der guten Ausgangsbasis nicht.
Was also tun? Was immer man will, lockt das Spiel: Autorennen, wahlweise als Rally – hier sieht nur der Beifahrer die Kontrollpunkte – oder im „GTA“-Modus mit Waffen und drei (für Langzeitspaß mageren) Pickups gewürzt, die mit Autos, Motor- und Fahrrädern sowie Fluggeräten ausgefochten werden. (Team-)Deathmatches und Last Man Standing mit und ohne Fahrzeuge, deren offene Karten nur durch die Spawn-Punkte begrenzt werden. Missionen, in denen zwei Teams mit unterschiedlichen Zielen antreten – ein Auto zerstören oder abliefern, ein Drogenpaket dem jeweils eigenen Auftraggeber überbringen. Survival-Arenen mit bis zu vier Spielern. Missionen, die darauf abzielen, Autos oder Drogen zu stehlen. Minigolf, Armdrücken, Tennis, Base-Jumping, Überfälle.
Als roten Faden, das GTA-Hamsterrad, dient das Zurschaustellen von virtuellem Reichtum in Form von Autos, Waffen und Kleidung über den Erwerb von Spielgeld. Gegenüber dem Einzelspielermodus wurden die Preise angepasst. Während Häuser samt Garagenplätzen billiger geworden sind, werden für Waffen, speziell deren Upgrades, und Kleidung deutlich höhere Summen fällig. Die Einkommensmöglichkeiten dagegen sind durch den Wegfall der großen Raubzüge gesunken. Während eine einfache Mission häufig nur 3.000 GTA-Dollar und im Wiederholungsfall sogar nur die Hälfte einbringt, kostet das vergrößerte Magazin der Standardpistole bereits knapp 10.000 Dollar. Wer das Feld in einem Rennen oder Deathmatch vor sich hertreibt, wird hingegen mit 300 Spielgeld-Dollar abgefunden.
Dabei ist im Vorfeld nicht einmal ersichtlich, welche Aktivität wie hoch vergütet wird. Während Missionen weniger, dafür aber sichere Einkünfte einbringen, sind kompetitive Jobs deutlich lukrativer – aber nur für den Sieger. Nicht nur über diese Mechanik drängt Rockstar sanft in den PvP-Modus, welcher durch unverständliche Designentscheidungen und die eher simple Mechanik gleichwohl nur kurzzeitig unterhält. Die Spielerschlachten im Deathmatch kranken daran, dass Waffen im eigenen Besitz in das Match übernommen werden, höhere Stufen gewähren speziell gegenüber Anfängern eklatante Vorteile. Zudem sind die Karten ohne besondere Merkmale gestaltet, die Steuerung eine Spur zu hakelig – es fehlen besonders umkämpfte Hotspots, erinnerungswürdige Eigenschaften der schlicht in einer eigenen Instanz von der Spielwelt abgetrennten Areale.
Rennen schlagen mit Lobbys, welche die Übernahme des eigenen Automobils erlauben, durch die besseren Upgrades in die gleiche Kerbe. Die simple, acardelastige Fahrphysik tut dem Spaß noch keinen Abbruch, das Kollisionsverhalten hingegen schon. Zu häufig führt Blechkontakt zu Drehern, wobei vermutlich der Verursacher bestraft werden soll – aber nicht wird. In vollen Sitzungen ist jedoch zumeist ein Spezialist für durch Rammstoß ermöglichte Überholmanövertaktik anwesend, auf der Strecke überholt fast niemand. Ein Dreher auf den zumeist engen Strecken führt im Pulk zu weiteren Rammstößen; das Rennen endet damit effektiv. Die ersten zwei oder drei Plätze rücken in weite Ferne, denn der Gewinner des Starts wird durch die Verwicklungen des Feldes zum Gewinner des Rennens. Gelegentlich kam es während des Tests zudem vor, dass sich kleine Unebenheiten zufällig in große Sprungschanzen verwandelten.
Das Schicksal zu früh entschiedener Matches teilen die Versus-Missionen, in denen zwei Teams um ein Objekt kämpfen. Wird um den Besitz eines Drogenpaketes gerungen, das an einem Zielort abzuliefern ist, gewinnt zumeist und speziell in öffentlichen Spielen dasjenige Team, welches dieses zuerst in die Finger bekommt. Zum Glück hat Rockstar hier auch andere Varianten im Programm; deutlich spannender sind Missionen, die die Zerstörung oder den Schutz eines Fahrzeuges voraussetzen. Weil sich jeglicher Spielmodus trotz eigener Instanz immer noch in der offenen Welt von Los Santos befindet, ist hier mehr Potential für situationsgebundene Spannung vorhanden.
Die Triebfeder des Spiels allerdings ist Geld. Deshalb kann nicht nur an jeder Ecke Währung ausgegeben, sondern auch verdient werden. Da die zu kaufenden Gegenstände durch die Reputationsstufe reglementiert werden, sind Mittel für Waffen und Kleidung in der Regel kein Problem, wenngleich Grinden nach Erfahrungspunkten zum Alltag gehört – auch weil erst ab Stufe 20 und damit erheblicher Spielzeit genug Waffen freigeschaltet sind, um richtig Spaß an der offenen Welt zu haben. Anfänger, die lediglich mit einer Pistole ausgerüstet in Los Santos beginnen, müssen mit Frustmomenten im Kontakt mit anderen Spielern leben. Besonders eklatant wird das in Anbetracht der aktuell repetitiven Aktivitäten übertriebene Grinding am Upgrade-System für Fahrzeuge: Um voll aufzurüsten, sind pro Autoklasse gleich 75 Rennen zu gewinnen. Dass sich Rockstar den Nachteilen des Systems bewusst ist, zeigt sich an der Möglichkeit, Rennen alleine zu fahren – hier winken ohne Mühe Erfahrungspunkte und Siege, wenngleich kein Geld.
Das derzeit so stark forcierte PvP leidet insofern an Balance. Dass Spieler jeden schmutzigen Trick aus dem Ärmel holen, passt zwar zum Setting, fördert aber den Spielspaß nur für eine kleine Gruppe. In zufälligen Lobbys fehlt schlicht das soziale Regulativ, welches Wohlverhalten bedingt. Ohne festen Freundeskreis fehlt es daher an Motivation; erst mit Bekannten entfalten sich deutlich mehr Faszination und Spaß. Dann wird die offene Welt zu einem vernünftigen Spielplatz. Es wundert daher nur wenig, dass Rockstar die Aktivitäten mit Freunden besonders herausstellt, wenngleich das Studio wohl eher die Kontakte aus der Clan-Organisation, den Crews, im Sinn hatte. Die PvE-Missionen lassen gelegentlich Potential erkennen, wenn kooperationswillige Spieler aufeinandertreffen. Mit vier Mann einen Anwalt in wilder Flucht durch Los Santos zu jagen und sein Auto (sowie alles, was im Weg steht) mit Kugeln zu durchsieben: das ist GTA.
In die offene Welt hat Rockstar definitiv mehr Mühe als in die Missionen gesteckt. Einen Shop überfallen? Nur wenn niemand in der Nähe ist, sonst wechselt die Beute den Besitzer. Bargeld? Lieber schnell über das Smartphone auf die Bank einzahlen, ein lästiges, weil recht langwieriges Spielelement. Durch die Möglichkeit, Kopfgeld auf unliebsame oder unsoziale Spieler auszusetzen, ergeben sich zudem flexible Verdienstmöglichkeiten, da der Betroffene gut sichtbar auf der Karte markiert wird. Um die Welt zu beleben, zahlen nicht nur verärgerte Spieler, sondern auch Nicht-Spieler-Charaktere Summen für das vorzeitige Ableben eines Mitnutzers aus. Geldtransporter, Überfälle, Autolieferungen oder Kopfgeldjagd sind Magnete für spontane Gefechte zwischen mehreren Spielern, es knallt und rummst teils unvermittelt an jeder Ecke. Kooperation fehlt auf der offenen Welt, zumeist werden Begrüßungen in Blei ausgetauscht. Wohl dem, der mit ein paar Freunden in einer Sitzung spielt.
Aus diesen Punkten, also dem situativen Spaßkontext des Anarchiefaktors mit ein paar Bekannten, muss sich der Unterhaltungswert von GTA Online ergeben. PvE-Einsätze, vor allem die Missionen, sind meist kurz und wenig abwechslungsreich, die GTA V auszeichnenden, besonderen Wendungen fehlen gänzlich, die Grundtypen sind schnell absolviert. Stufenaufstiege schalten zwar neue Variationen frei, die einige Parameter ändern, bis dahin bleibt jedoch nur der PvP-Modus oder die Wiederholung des bereits Bekannten. Da Stufenaufstiege zwingend nötig sind, um spaßtreibende Waffen freizuschalten, endet GTA Online dennoch mittelfristig in einer Wiederholungsschleife. Es bleibt zunächst abzuwarten, ob die bereits angekündigten Raubzüge hieran etwas ändern werden. Laut Rockstar sollen sie deutlich umfangreicher als noch im Einzelspielermodus ausfallen, was dem Online-Modus tatsächlich Würze verleihen könnte.
Weiteres „Sollen“ trifft den Passivmodus, der in der offenen Welt vor schießwütigen Cowboys schützt. Theoretisch, denn der funktioniert weder in Fahrzeugen noch hilft er gegen Reifenspuren auf dem Rücken. In Geschäften Zuflucht zu suchen, funktioniert ebenso wenig; im Inneren herrscht Waffenverbot, nicht aber Kugelschutz von außen. Zu den großen Nachteilen des Online-Modus gehören zudem die langen und häufigen Ladezeiten, die der Einzelspielermodus in dieser Form nur beim Wechsel von Charakteren kannte, nun jedoch alle Nase lang den Spielfluss unterbrechen. Trotz der Reduzierung des Verkehrsaufkommens treten Ruckler zudem gefühlt eher häufiger auf, die Bildwiederholraten scheinen nochmals dichter an die Grenze des Erträglichen gerückt. Auch ein Serverbrowser fehlt, um nach spezifischen Spielmodi oder -einstellungen zu filtern. Der in Lobbys nicht deaktivierbare Sprachchat sowie die nach einiger Spielzeit zu geringe Songauswahl finden sich außerdem auf der Liste an Kritikpunkten – zumindest optional würden wir uns die Möglichkeit wünschen, auf Internetradio auszuweichen.
Wohin mittelfristig die Reise des MMOGs geht, ist bereits jetzt abzusehen. GTA Online wurde bereits aus GTA V ausgekoppelt und als lebendige MMO-Welt konzipiert. Mikrotransaktionen sind über die Konversion von echtem Geld in Spielwährung schon integriert, das Ökosystem basiert auf Geld – Konzept und Ausrichtung weisen mittelfristig in Richtung Free-to-Play. Die Umstellung dürfte erfolgen, sobald „Online“ kein Kaufargument für GTA V mehr ist und langfristig motivierende, attraktive Inhalte im Sinne deutlicher Alleinstellungsmerkmale eingefügt wurden. Nach diesen fahndet das Studio derzeit etwa über das Bewertungssystem für Missionen und Aktivitäten, was einen steten Ausbau und Verbesserungen erwarten lässt. Insofern dürfte der von Rockstar versprochene Geldbonus auch dazu gedacht sein, nicht nur für die in ihrem Umfang unverständlichen technischen (Start-)Schwierigkeiten zu entschädigen, sondern auch die Motivation und damit die Spielerzahlen vorerst zu konservieren.