„National-Routing“-Pläne der Telekom in der Kritik
Bislang sorgten die NSA-Enthüllungen allenfalls für Empörung, direkte Konsequenzen blieben Mangelware. Nun plant aber die Telekom, deutschen Traffic nur noch über inländische Internet-Knotenpunkte zu verschicken, um etwa E-Mails vor dem Zugriff von Geheimdiensten zu schützen. Die Netzgemeinde reagiert skeptisch auf den Vorstoß.
„National Routing“ nennt sich das Konzept der Telekom, von dem die WirtschaftsWoche am Wochenende berichtet hatte. „Beim Transport zwischen Sendern und Empfängern in Deutschland wollen wir garantieren, dass kein Byte Deutschland verlässt und auch nicht vorübergehend die Grenze überschreitet“, sagte der für Datenschutz verantwortliche Telekom-Vorstand Thomas Kremer. Indem der Traffic nicht mehr über Internet-Knotenpunkte in den USA und Großbritannien läuft, soll die Datenerfassung von den Überwachungsprogrammen der NSA und des GCHQ ausgehebelt werden. Der britische Geheimdienst zapft etwa im Rahmen des Tempora-Programms die transatlantischen Untersee-Glasfaserkabel an. Auf diesem Weg kann der GCHQ den europäischen Datenverkehr praktisch vollständig erfassen.
Umsetzen lässt sich das Vorhaben aber nur in Kooperation mit anderen Providern. Internationale Netzbetreiber wie Vodafone oder Telefonica würden derzeit „sehr genau“ prüfen, ob das National Routing für sie in Frage kommt. Technisch und juristisch bestehen allerdings einige Hürden, weswegen die Telekom auch ein Gesetz in Betracht ziehen soll, sofern es zwischen den Providern zu keiner Einigung kommen würde. Im Bundeswirtschaftsministerium sollen Vertreter der Telekom bereits am 1. Oktober vorstellig geworden sein.
Mittelfristig zielt der Konzern nicht nur auf Deutschland, sondern hat auch Europa im Auge. Angedacht ist laut Kremer eine Art „Schengen-Routing“, also grob formuliert Europa mit Ausnahme von Großbritannien. „Wir sollten aber zuerst in Deutschland zeigen, dass dies funktionieren kann“, so der Telekom-Vorstand.
Kritik, Spott und Zweifel
Ob sich das Vorhaben überhaupt umsetzen lässt, ist allerdings die entscheidende Frage. Ob „Daten national oder international geroutet werden“, lasse sich im Internet nicht zweifelsfrei erkennen, erklärte Thomas Bösel, Datenschutzbeauftragter von QSC, gegenüber der WirtschaftsWoche. Im Netz bewegen sich die Reaktionen zwischen Spott und Ablehnung. Der Blogger Fefe wirft der Telekom vor, vor allem wirtschaftliche Interessen zu verfolgen, bei Twitter sammeln sich unter dem Hashtag „#Deutschlandnet“ entsprechende Beiträge. Dass die „National-Routing“-Pläne vielerorts als PR- und Marketing-Aktionen aufgefasst werden, hängt zum Teil mit dem Projekt „E-Mail made in Germany“ zusammen, das die Telekom mit weiteren deutschen E-Mail-Anbietern ins Leben gerufen hatte – und in erster Linie Kritik erntete.
Bei Netzpolitik.org zeigt man sich gegenüber dem Vorschlag recht offen, verweist aber auf die zahlreichen Probleme, die solche Routing-Beschränkungen mit sich bringen. Entsprechende „Balkanisierungstendenzen kennt man aus dem Iran, Russland und China, die das vor allem machen, um Zensurinfrastrukturen zu verbessern“. Allerdings passt der Vergleich nur bedingt, laut dem Vorschlag der Telekom wäre ausschließlich innerdeutscher Traffic betroffen, bei Zugriffen auf US-Server würde alles wie gehabt bleiben. Unter diesen Gesichtspunkt stellt sich jedoch die Frage, wie viel ein technisch aufwändiger Eingriff in die Internet-Architektur letztlich bringt, wenn die Maßnahmen bei populären US-Anbietern wie Google, Microsoft oder Yahoo ohnehin ins Leere laufen.
Von den inhaltlichen Problemen abgesehen: Immerhin zeigen die Telekom-Pläne, dass die Enthüllungen von Edward Snowden nicht ohne Folgen bleiben. In diesem Punkt ist die brasilianische Regierung aber nach wie vor am aktivsten. Nachdem diese bereits konkrete Vorschläge für eine Dezentralisierung der Internet-Architektur vorgelegt hatte, um Geheimdiensten wie der NSA den Zugriff zu erschweren, folgte nun die Ankündigung eines besser geschützten E-Mail-Systems für die Regierung.