Forza Motorsport 5 im Test: Exklusives Rennspektakel für Xbox One

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Max Doll
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Forza 5 auf einen Blick

Freude am Fahren und Spaß an Autos: Für Turn 10 fällt darunter nicht nur der Technik-Voodoo, welcher den Simulationsgehalt erneut in die Höhe schraubte. Das Tuning unter der Haube macht sich schon ab der ersten Kurve in vollem Umfang bemerkbar. Obwohl die zahlreichen Fahrhilfen nach wie vor eine individuelle Balance zwischen Arcade und Realismus ermöglichen, verhalten sich die Fahrzeuge unabhängig des Schwierigkeitsgrades – soweit wir das ohne einen Fuhrpark an Supersportwagen beurteilen können – originalgetreuer. Ohne jegliche Hilfsmittel wird die Fahrzeugbeherrschung anspruchsvoller, im Allgemeinen zudem deutlich detailreicher. Dies mag durchaus unter anderem an der für das Gripniveau nun berücksichtigen Asphalttemperatur oder dem überarbeiteten Rollverhalten liegen, auf das die Entwickler besonders stolz sind.

Ins Auge fällt zunächst aber die optische Runderneuerung mit überaus detaillierten Fahrzeugen mit hochauflösenden Cockpitansichten. Die höhere Rohleistung der neuen Konsole bringt Turn 10 im ganzen Spiel sauber auf die Straße, die Full-HD-Auflösung wird schwankungsfrei bei 60 Bildern pro Sekunde gerendert. Kürzere, aber immer noch lange Ladezeiten vor den Rennen stören immer noch, dafür entfallen die übrigen Barrieren. Der Forzavista-Modus zum Erkunden der zahlreichen Karossen kann nun ohne spürbare Ladezeiten aus dem Rennserien-Menü aufgerufen werden; er dient schlicht als „Hintergrundbild“ im Menü. Mehr Details und die für alle Fahrzeuge verfügbare Erkundungstour lässt Autonarren nun erst recht in Freundentaumel verfallen. Gleichfalls aus der Ecke geholt werden die von Nutzern erstellen Designs, welche in einer Vorauswahl schon beim Kauf eines fahrbaren Untersatzes angeboten werden.

Auch weitere Bausteine im neuen Forza-Feeling werden durch die neue Hardwaregrundlage eingefügt. Speziell der neue Controller ermöglicht wesentlich präziseres Force-Feedback in einzelnen Tasten, das je nach Fahrzeug-Federung und Untergrund unterschiedlich stark zur Anwendung kommt. Selbst mit Gamepad gesteuert verpasst Forza 5 auf diese Weise die volle Ladung Straße: Randsteine, blockierende Räder, Lenkeinwirkungen, das harte Fahrwerk und sogar die harten Schaltvorgänge im Formel-1-Renner lassen das Fahrgefühl in die Fingerspitzen wandern und besonders den Grenzbereich sensorisch erspüren.

Um das schnelle Fahren zu zelebrieren, hat Turn 10 dem klassischen Karriere-Modus die Rücklichter gezeigt. Der mühsamen Aufstieg von der Holzklasse zum Supersportwagen darf Auspuffgase schnuppern, lediglich die Tutorial-Serie bietet „nur“ Kompaktsportwagen wie den Toyota GT-86 an, die dennoch deutlich schneller als die Schleicher anderer Rennspiel-Einstiege zu Werke gehen. Ob anschließend in einen asthmatischer VW Käfer der 1960er Jahre oder einen flotten BMW aktuellen Baujahres gestiegen wird, obliegt nur den Vorlieben des Fahrers. Jede neue Rennklasse wird in einer kurzen, aber charmanten Präsentation durch den Top-Gear-Moderator Jeremy Clarkson vorgestellt, der „Benzin redet“ – selbst The Stig darf nicht fehlen. Hier gelingt ein echter atmosphärischer Glücksgriff, wenngleich nur Serien, nicht Fahrzeuge derart vorgestellt werden. Für den nächsten Teil bitte mehr!

Herbie lebt - und sieht gut aus!
Herbie lebt - und sieht gut aus!

Eine gewisse Progression ergibt sich größtenteils sanft durch die Anschaffungskosten der Boliden auf subtilere Art und Weise, zwingt aber nie zum Bewegen von Tretautos. Abwechslung mit verschiedenen Rennarten und Herausforderungen, mehr britischer Humor auf der Top-Gear-Teststrecke: Auch anschließend behält Forza durch neue Balancing-Entscheidungen die Räder auf der Strecke. Indem nicht mehr auf Sieg, sondern Medaillen gefahren wird, motivieren die Entwickler Spielereien mit Schwierigkeitsgrad und Fahrhilfe: Volle Prämien werden bei einer Platzierung unter den ersten Drei ausgezahlt. So kehrt Turn 10 die Qualität der eigenen Simulation heraus und liefert gleichzeitig durch den steten Vergleich mit Rivalen aus der Weltrang- oder Freundesliste sowie speziell angepassten Wettbewerben stets Argumente, um nur noch eine Runde mehr zu drehen.

Glänzen kann auch die in der Cloud berechnete KI „Drivatar“, die das Fahrmuster eines jeden Spielers in luftige Höhen auslagert. In jedem Rennen, eine Internetverbindung vorausgesetzt, wird das Starterfeld mit Avataren anderer Nutzer gefüllt, die entsprechend benannt sind, deren Autos bunte Lackierungen tragen und die tatsächlich individuell fahren. Fehlerquote und Fahrwinkel bekommen einen realistischen Touch. Auch sonst fährt Drivatar zweikampfstark, kontert, setzt selbst untereinander zum Überholen an und fährt nicht nur passiv starr auf Linie. Daraus resultieren Rad-an-Rad-Kämpfe, die sich über mehrere Kurven hinziehen können. Das hinterlässt durch die dynamisierten Rennen einen sagenhaften Wow-Effekt, der erst nach der Ziellinie vorbei ist. Ganz perfekt gelingt die Simulation jedoch noch nicht. Virtuelle Mitstreiter werden in Kurven gerne unvermittelt oder ganz einfach generell extrem langsam, nur um auf der nächsten Geraden gefühlte tausend Pferdestärken aus der Tasche zu holen. Die speziell im Pulk derart provozierten Kollisionen werden durch das Rückspul-Feature zum Glück gehörig entschärft. Derartiges Verhalten befleckt die ansonsten weiße Weste der Drivatars.

Überholt gerne: Drivatar-KI
Überholt gerne: Drivatar-KI

Kinect spielt dagegen kaum eine Rolle. Zwar bietet Forza 5 Headtracking an, welches speziell in der Cockpit-Ansicht Simulationsfeeling bietet, allerdings funktioniert die Erkennung nur, wenn ein einzelner Spieler im Blickfeld und in rechtem Winkel vor der Kamera sitzt. Erfasst wird dabei nicht der Kopf, sondern der gesamte Körper, welcher über seine Neigung die Kamera dreht. Beide Limitierungen sollte Kinect 2.0 in Anbetracht der Leistungsfähigkeit in Techdemos eigentlich nicht aufweisen respektive sich konfiguratorisch lösen lassen. So ist es nötig, den Sensor stets über oder vor dem Fernseher zu platzieren, um „Kopf“-Tracking nutzen zu können. Ärgerlich ist in diesem Zusammenhang, dass das Kinect-Mikrofon nicht im Spiel selbst ausgeschaltet werden kann, sondern nur auf Systemebene für alle Programme. Ansonsten wird per Stimmaktivierung stets alles übertragen, einen Push- oder Geste-to-Talk-Modus gibt es nicht.

Unzweifelhafte Verbesserungen treffen auf unergründliche Design-Entscheidungen. Teils gibt Forza deutlich zu erkennen, mit der heißen Nadel gestrickt worden zu sein. In der Cockpit-Perspektive wird die Handschaltung mit einer feststehenden Animation bedient, die bei Knüppel und Wippe nur Luft greift, Strecken präsentieren ihre Kulisse ab und an einen Hauch zu steril. Das Schadensmodell bleibt Forza-typisch visuell oberflächlich, Regen- oder Nachtrennen bleiben ein Wunschtraum. Es bleibt einer der wenigen Kernbereiche, in denen Konkurrenten tatsächlich deutlichen Vorsprung haben. Den Rückwärtsgang legt leider die Klanguntermalung ein. Qietschen, Brummen und heulende Motoren geben noch keinen Grund zu Klage, das Rennfeeling wird hervorragend an den Mann gebracht, auch weil man sofort am Klang merkt, ob man neben einer Felswand fährt oder über freies Land. Der pseudo-klassische Soundtrack zehrt jedoch gehörig an den Nerven; er lässt sehnlichst an Zeiten von Forza 2 zurückdenken, wo zumindest in Menüs lizenzierte Musik gespielt wurde. 'Cuz it's gone daddy gone, the love is gone... wenigstens als kostenpflichtiges Upgrade wäre ein solches Angebot wünschenswert.

Spaßige Kurvenstrecke in den Schweizer Alpen
Spaßige Kurvenstrecke in den Schweizer Alpen

Das wäre wenigstens konsequent, denn Turn 10 offeriert eine umfangreiche Ausstattungsliste, die bei entsprechenden Kreuzchen den Basispreis von 65 Euro gewaltig in die Höhe treiben können. Die Monetarisierungsstrategie hinterlässt aufgrund ihrer deutlichen Präsenz einen besonders fragwürdigen Eindruck. Erhältlich sind echtgeld-exklusive Erfahrungspunkte-Booster sowie Gutscheine als Premium-Währung, die den Kauf eines jeden Fahrzeuges ermöglichen. Diese orientieren sich am Credit-Gegenwert des Fahrzeuges, was deren Preise mitunter sehr hoch ansetzt. Das teuerste Auto im Spiel, derzeit der Lotus E21 der jüngst beendeten Formel-1-Saison, will mit 6 Millionen Credits oder 10.000 Gutscheinen bezahlt werden – ein Gegenwert von rund 70 Euro!

Bereits wenige Tage nach dem Start sind in den Shop bereits DLC-Fahrzeuge eingezogen, während der Autopass sechs Erweiterungen à 10 Autos für 50 Euro anpreist. Da Forza 5 statt 500 nur noch 200 Fahrzeuge sowie lediglich 14 Strecken enthält, stößt diese aggressive Einkommensmehrung äußerst sauer auf. Zwar sei an dieser Stelle angemerkt, dass Turn 10 durchaus interessante Untersätze, speziell Open-Wheeler, eingebaut hat, eine Marke wie Porsche trotz ihrer Popularität aber nach wie vor stiefmütterlich behandelt wird. Wie in Forza 4 dürften diesem Umstand erst kostenpflichtige DLCs abhelfen, deren der Vorgänger 12 bot – der aktuelle Autopass wird wahrscheinlich nicht der einzige bleiben.

Wild am Lenkrad drehen? Vorher ein neues kaufen.
Wild am Lenkrad drehen? Vorher ein neues kaufen.

Zwei weitere Designentscheidungen betreffend das Wirtschaftssystem verstärken diesen Eindruck deutlich: Ein Rennen bringt rund fünf bis achttausend, ein Levelaufstieg rund 15.000 Credits ein, was die Spielbörse nur langsam füllt. Die Wahlfreiheit der neuen Serien-Offenheit wird dadurch zwar nicht direkt eingeschränkt, denn ein oder zwei Fahrzeuge sind zumeist zwischen 50. und 200.000 Taler zu haben. Es besteht jedoch keine Möglichkeit, Einzel- oder Mehrspielerrennen auch mit beliebigen Untersätzen auszutragen, der vorherige Erwerb ist zunächst Pflicht. Geliehen werden darf lediglich ein Dutzend Wagen, als Miete wird im Gegenzug jedoch die Belohnungen bei einem Sieg einbehalten. Wie in einem Free-to-Play-Titel werden insofern regelmäßige Spieler, die viel Zeit investieren, potentiell mehr vom Spiel sehen.

Fans besonders ärgern wird zudem, dass selbst teure Lenkräder wie das Fanatec Forza-Wheel nicht mehr unterstützt werden und somit bei Bedarf ein Neukauf fällig wird. Derzeit akzeptiert Forza 5 lediglich das Mad Catz Force Feedback Racing Wheel sowie das Thrustmaster TX Racing Wheel. Letzteres kostet rund 350 Euro, beide besitzen jedoch kein Kupplungspedal.