Ryse: Son of Rome im Test: Monotone Grafikdemo für die Xbox One
2/3Ryse auf einen Blick
Speziell, aber nicht nur für Konsolenstandards lässt Ryse allerdings in der Tat Muskeln spielen. Texturen und Effekte sind knackscharf und sehen erstklassig aus. Vieles sieht allerdings auch schlicht identisch aus, denn Ryse leidet, von den unterschiedlichen Leveln einmal abgesehen, an Copy-Paste-Befall. Zwar hat bereits unser Ersteindruck im Video nahe gelegt, dass Crytek sich an Bewährtem orientiert, aber nicht, dass elementare Grundlagen nicht nur des Genres sondern jedes vernünftigen Videospiels grob verfehlt werden. Die Ärgste davon ist, nach spätestens einer halben Stunde Spielzeit fast alles gesehen zu haben: Alle Waffen, alle Angriffsmethoden, fast alle Gegnermodelle – einmal mehr kehren Klonkrieger auf das Schlachtfeld zurück. Varianz muss in Frankfurt gescheut werden. Für unseren Ersteindruck im Video gilt daher Spoileralarm; es zeigt in nur drei Minuten weite Teile der Spielmechanik.
Crytek gibt dem Spieler während der rund acht bis zehn Stunden langen Geschichte tatsächlich nur ein Schwert und einen Schild in die Hand. Diese Idee, obgleich neu, vermag nicht ewig zu begeistern, selbst wenn sie um gelegentliche Wurfspieße ergänzt wird. Crysis 3 nur mit der Pistole zu spielen: undenkbar. Ryse mit dem Schwert bewältigen: alternativlos. In Rom laufen die Dinge offenbar anders, auch wenn Spiele-Barbaren das anders sehen mögen. Und die Kämpfe? Aufgrund des minimalen Bewegungsrepertoires eine simple Angelegenheit. Der Häufigkeit ihrer Anwendung nach geordnet nutzt Marius Schlag, Schildhieb, Blocken als ausschließliche Konterfunktion, eine Rolle sowie schwerem Schlag und Hieb mit längerem Ausholen zum Durchbrechen von Deckung. An Kombos braucht kein Gedanke verschwendet zu werden, komplexer als alternierend Tasten zu drücken wird Ryse an keiner Stelle. Der Herausforderung, perfekt aneinandergereihte Schläge für etwas Bonusschaden zu erzielen, dürften sich nur die wenigsten Spieler stellen. Nicht einmal alle Gegnertypen zusammengerechnet, zumeist Barbaren, haben nicht deutlich mehr Angriffsmuster auf dem Schirm. Selbst Zwischengegner bilden keine Ausnahme: Jeder Einzelne muss gleich einer fünfminütigen Zeitschleife über stets denselben (weil einzigen) Konterangriff bezwungen werden. Entsprechend monoton und unspektakulär sind die Begegnungen nach den ersten Minuten zumeist.
Als besonders gelungen empfindet Crytek das Hinrichtungs-System. Tatsächlich gehört dieses zu den besseren Elementen im Spiel, vor allem weil es ein wenig Wasser in die Gameplay-Wüste der ansonsten belanglosen Kämpfe gießt. Je nach gewählter Methode gewinnt Marius Lebensenergie, Bullet Time, extra-Erfahrung für die Rollenspiel-Elemente oder teilt Bonusschaden aus. Auch hier wird dem Spieler nach kurzer Zeit jedoch bereits alles bekannt vorkommen. Da quasi jeder Opponent brutal und eher zeitaufwändig hingerichtet wird – zumindest legt die Spielmechanik dies nahe – ermüden die immer gleichen Animationen und Quick-Time-Events, welche die Höhe des gewährten Bonus' bestimmen, spätestens nach dem hundertsten Barbaren-Klon. Der Blick in Richtung God of War zeigt, wie sich derlei implementieren lässt: Spektakulär und wohldosiert als pointierte, zugespitzte Höhepunkte, was dem Gameplay merklich zugute kommt. Gesammelte Erfahrungspunkte lassen sich für neue Hinrichtungen und Stats-Boni ausgeben, stets auch gegen reales Geld. Kinect spielt nur eine Rolle am Rande, per Sprachsteuerung lassen sich Bogenschützen – und nur sie – in den stumpfen, „taktischen“ Sequenzen befehligen, die zumeist hinter einem Scorpio-Geschütz absolviert werden und sonst vor allem aus Shooter-Massenware bekannt sind.
Die Story gleicht, Crytek-typisch, nichts aus. Der Rachefeldzug des Römers Marius für seine Familie fesselt zu keinem Zeitpunkt. Was zumindest nach ordentlicher Vorlage für dezentes Hintergrundrauschen klingt, wird unlogisch angebahnt und wenig kohärent an den Mann gebracht. Wie schon in Crysis 3 versucht Crytek, eine emotionale Story mit Charakterentwicklung auf viel zu kleinem Raum zu erzählen. Das Ergebnis mündet in Klischees, unfreiwilliger Komik und schlechten Dialogen. So hübsch die Level sind, so uninspiriert und unlogisch sind einzelne Szenen aufgezogen, von ideenlosem Recycling einmal abgesehen. Selbst ein antikes D-Day-Szenario darf im Repertoire nicht fehlen. Am Ende schwankt das Spiel zwischen pseudo-historischem Realismus und Fantasy-Elementen, ohne sich auf eine konsequente Linie festzulegen. Präsentation und Setting erinnern stark an God of War, bleiben wie Rom aber ein Abklatsch der Eleganz des griechischen Originals.
Zwar zaubert Ryse, teils sicherlich erkauft durch enge Schlauchlevel, wirklich prachtvolle Optik auf den Fernseher und spielt sich durchaus flüssig – aber nur in Kämpfen. Das stark reduzierte Dazwischen lässt nicht nur Abwechslung, die eigentlich etablierten Kletter- oder Rätselsequenzen, vermissen, sondern Liebe zum Detail. Römische Klonsoldaten, die mit der gleichen Animation gleichzeitig umherlaufen, Marius' Vater, dessen Gang dem einer Ente ähnelt, abrupt einsetzende Bewegungen und kleinere Teleportationen trüben das Bild, sofern nicht gerade ein Körper von des Helden Schwert perforiert wird. Andernorts hingegen gibt die (Römer-)KI den Betonkopf, indem sie stumpf in der Gegend herumsteht. Marius macht schon, Käfige öffnen, Belagerungen beenden. Der Atmosphäre tut derlei nicht gut.
Zudem scheint die Bildrate beim Laufen zumindest in der Einzelspieler-Kampagne nach den Kampfarenen vermutlich durch Ladevorgänge einzubrechen. Das Römer-Setting mit seinen Gladiatoren und Dekadenz lässt dennoch trotz aller Fehltritte immer wieder aufblitzen, was bei Story möglich gewesen wäre. Speziell wenn die ersten Kapitel des Spiels gegen Ende im Kolosseum noch einmal nachgestellt werden, kommt Gänsehaut auf. Die Atmosphäre kann durchaus an der ein oder anderen Stelle glänzen, so denn das klassische Rom-Bild bedient wird. In Schildkrötenformation vorzurücken weckt Lust auf mehr, wird aber wie so manch anderes Element in massiver Überschätzung seines Spaßfaktors eins zu eins an andere Stellen des Spiels kopiert – wieder und wieder.
Der Mehrspieler-Modus greift sich das beste Element des Spiels, das Kolosseum, heraus und lässt bis zu zwei Spieler kooperativ als Gladiatoren in verschiedenen Szenarien mit wechselnden Zielsetzungen antreten. Der Spaß wird hier durch die ewig gleichen Gegner und Spielelemente stark eingeschränkt, woran auch ein Item-System oder interaktive Elemente wie Fallen oder Katapulte nichts ändern. Wer die Einzelspieler-Geschichte durchgespielt hat, bekommt vor allem mehr vom gleichen – dem, das spätestens nach ein paar Stunden bereits gelangweilt hat. Neue Ausrüstungsgegenstände werden gegen Gold über Booster-Packs erworben. Gold, das entweder nach siegreichen Kämpfen oder im Tausch gegen reale Währung zu haben ist. Lange Ladezeiten und kurze Partien in Kombination mit simpler Mechanik legen nahe, das vor allem Gelegenheitsspieler als Zielgruppe anvisiert wurden. Die mögen aus der simplen Mechanik mehr Spaß ziehen können, letztlich aber muss sich Crytek vorwerfen lassen, sich fast auf das Niveau von Smartphone-Spielen begeben zu haben.