Contrast im Test: Licht und Schatten in 2D und 3D
2/3Contrast auf einen Blick
Das Paris der „goldenen“ 1920er-Jahre ist eine gedämpfte, Varieté-hafte Jahrmarktausgabe voller faszinierender Kuriositäten, die von einer melancholischen Grundstimmung unterlegt wird. Zu deren Herzstück gehören Spiele mit Perspektiven, die das Spiel immer wieder in den Mittelpunkt rücken – es trägt sie bereits in den Genen. Schließlich sind das Mädchen Didi und ihre Beschützerin Dawn die einzigen dreidimensionalen Bewohner dieses mysteriöses Ortes, an dem sonst nur Schatten in Lichtkegeln lebendig werden. Direkte Interaktion in der leeren, aber nie langweiligen Stadt erscheint hier unmöglich, lediglich Dawn kann, der Name deutet es bereits an, zwischen beiden Ebenen oder vielmehr Perspektiven wechseln.
Die Erfahrung des nur fast nicht Fassbaren, des gerade noch nicht Greifbaren zieht sich durch das gesamte Spiel, dessen Welt dem Verständnis trotz seiner offenkundigen Sichtbarkeit systematisch entrückt bleibt; jedes Verstehen muss vorläufig und begrenzt bleiben. Contrast entzieht sich stets der Deutung und bleibt offen, rätselhaft. Darin liegt allerdings nicht, wie vielfach zu lesen, eine Schwäche, sondern gerade die Faszination des real postmodernen Konzepts um Wahrnehmung und Perspektive. Es ist seine größte Stärke, dass sich seine einzelnen Aspekte gerade nicht eindeutig festlegen lassen, sondern zur Reflexion einladen und auf Unbestimmbarkeiten verweisen. Compulsion lässt den Nutzer in einem Zustand der Unsicherheit zurück.
Contrast wirft spielerisch Fragen auf, erzeugt mitunter unbefriedigende Verwirrung inmitten eines multiperspektivischen Deutungsangebots. Wie im Traum scheint die „Realität“ der Spielwelt immer nur einen Schritt entfernt und auf eine unbestimmbare Art verzerrt, ohne dass sie je mit absoluter Sicherheit fassbar wäre. Wessen Welt und wessen Perspektive im Mittelpunkt steht, wer Dawn – aufreizend, aber als Karikatur gezeichnet, die wie eine Puppe an unsichtbaren Fäden hängt – ist, das bleibt, sofern der Spieler sich aufmerksam umschaut, offen für Interpretation. Die kleine Familiengeschichte scheint, obgleich stets im Mittelpunkt, nur die Rahmenhandlung zu stellen. Wie offen das Spiel ist und wie sehr es sich lohnt, der Welt einen zweiten Gedanken zu widmen, lässt sich an der gespaltenen Rezeption trefflich ablesen. Die aufgeführte Widersprüchlichkeit bis hin zum vordergründig kitschigen Ende ist jedoch produktiver Natur, kein Produkt eines schlechten oder in die Beliebigkeit abdriftenden Spieldesigns.
Selbst die Erzählung ist eingebettet in das Gameplay, indem sie häufig in Schattensequenzen eingebunden und in Rätseln vorangetrieben wird, aber wie alles nur zu erahnen ist. Das Artdesign trägt die Betonung des Fremden und Unverständlichen, ist auf den zweiten Blick aber kein Novum, sondern zitiert Limbo wie Bioshock. Entwickler Compulsion hat sich auf Basis der Unreal Engine 3 für einen leichten Comic-Look entschieden, der das zentrale Anliegen durch den stets artifiziellen Look stimmig unterstreicht. Über weite Strecken bleibt Contrast spielerisch allerdings anspruchslos. Einfache Sprungsequenzen fordern kaum Geschicklichkeit ein, die Rätsel nur wenig Denkarbeit. Erst am Ende der nur drei bis vier Stunden langen Geschichte bieten die Entwickler etwas mehr Anspruch auf, der andeutet, was im Rahmen des 2D/3D-Konzepts noch alles möglich gewesen wäre.
Als Hindernisgrund drängt sich die Steuerung auf dem PC auf: Man merkt Contrast seine Konsolenherkunft deutlich an, denn nur mit Maus und Tastatur hüpft und springt Dawn zuweilen übersensibel und erratisch in den Tod. Ein Gamepad schafft weitestgehend Abhilfe und gehört daher idealerweise zur Grundaustattung. Neue Schatten als Wegstrecken zu erzeugen oder klassisch Kisten durch zwei Dimensionen hinweg zu befördern, macht derart ausgestattet gemessen an der kurzen Spielzeit dennoch ausreichend Spaß. Für die bereits in Aussicht gestellte Fortsetzung muss hier aber mehr kommen, selbst wenn Handlung und Welt durch den Triebfaktor Neugier noch kaum einen Gedanken an den geringen Grad der Herausforderung aufkommen lassen.
Der lineare Aufbau bietet zudem abseits von Leuchtkugeln nichts zu entdecken. Von diesen wird lediglich ein minimaler Anteil für die Progression der Handlung benötigt, weshalb es keinerlei Anreiz gibt, sich auf die Jagd zu begeben. Und sonst? Der jazzige Soundtrack trifft voll ins Schwarze, die Vertonung auf Französisch und Englisch – das Studio sitzt in Montreal – steht dem in nichts nach. Lediglich Untertitel sind auch in deutscher Sprache verfügbar, was den exzellenten Eindruck nicht weiter trübt.